Timo Januschewski

Die Hölle im Herzen


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      Die Hölle im Herzen

      Inhaltsverzeichnis

      Kapitel 1 – Der Anfang vom Ende Kapitel 2 – Die Druckventile Kapitel 3 – Die Klebeknebel Kapitel 4 – Die Prothese und das Original Kapitel 5 – Das große Wiedersehen Kapitel 6 – Die Klingel

       Die Hölle im Herzen

       von

       Timo Januschewski

      Impressum

      © 2016 Timo Januschewski

      1.Auflage, 2016

      Druck und Verlag: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de

      Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

      Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

      Kapitel 1 – Der Anfang vom Ende

      Scheiß Leben! Ich öffnete meine Augen und innerhalb von ein paar Millisekunden kam das bekannte und auch drückende Gefühl in meiner Brust, das langsam abermals den ganzen Körper einnahm, wieder zum Vorschein. Die Leere hatte mich vollkommen erobert. Dieser Samstag vor dem Beginn meiner befreienden Taten, fühlte sich an wie jeder andere Tag der Woche. Der einzige Unterschied war, dass anstatt meines schrillen Wecktons auf dem Handy, mich die Blase in meinem Körper, also letztendlich mein Gehirn, weckte. Die Jalousie verdunkelte den Raum, doch trotzdem kamen Lichtfetzen in das Zimmer, die das erneute Einschlafen zusätzlich verhinderten. Ich wollte trotzdem nicht aufstehen und drehte mich auf den Bauch, um das Gefühl der vollen Blase und des nervenden Lichts etwas erträglicher zu machen. Ich wollte weder wach sein noch wollte ich schlafen.

      Durch meinen Kopf rauschten Millionen Bildfragmente wie Züge an mir vorbei. Donnernd, laut, mächtig. Jedes Fragment riss ein Teil mehr von dem Zustand, in dem ich mich noch zuvor befand, ab. Es schlich die beschissene Realität wieder in meinen Kopf. Bildfragment für Bildfragment. Ich bemerkte jedoch, dass dies kein gewöhnlicher morgendlicher Neustart meines Gehirns war. Es war intensiver und bedrückender als sonst. Dies lag wohl nicht zuletzt an dem Termin bei einem Psychologen, welchen ich am Vortag genießen durfte. Alle Wunden in mir schienen wieder geöffnet zu sein, denn jede auch noch so gut verheilte alte Narbe wurde wieder zu einer blutenden Verletzung.

      Es war ein recht explizites Erstgespräch, in dem ich natürlich nicht jede kranke Fantasie in meinem Kopf darlegte, weil ich wusste, dass dies dann mein sofortiges Ende wäre. Trotzdem hab ich dort irgendwie mehr gelassen als ein paar Worte. Ich habe den Termin nur wahrgenommen, weil ich ein Versprechen einlösen wollte. Das Versprechen, das ich meiner Ex-Freundin machte. Sie bot mir neutralen Kontakt an. Im Austausch dafür sollte ich aber keine beinahe stündlichen SMS mehr schicken und ferner einen Psychologen aufsuchen. Natürlich hatte ich das akzeptiert, wie ich wohl jede Forderung von ihr akzeptiert hätte. Seit dem großen Bruch zwischen uns, bei dem ich gar nicht mehr weiß, wieso dies so gekommen war, hatte sie sich nicht mehr auf meine Emails, SMSen oder Anrufe gemeldet. Aber nüchtern betrachtet, hatte sie zwei Monaten nach unserer Trennung auch keinen Grund mehr mir zu schreiben oder überhaupt in irgendeiner Weise Kontakt mit mir zu haben. Ihr neuer Freund konnte mit seinen Händen nun durch ihre brünetten Haare fahren; ihr strahlendes Lächeln sehen und sich dabei in ihre grünen, leicht katzenförmigen, Augen verlieren; ihren Kopf auf seiner Brust fühlen, während man durchs TV-Progamm des Alltags zappt; ihre vollen Lippen küssen oder nach harten kräftigen Stößen, ohne Kondom, in ihr abspritzen. Wie sehr ich all dies mit Denise wieder hätte teilen wollen? Nicht in Worte zu fassen. Was solche Gedanken in mir ausrichteten? Nicht ansatzweise in Worte zu fassen. Ich war trotz allem voller Freude und bereit, meine endlosen, liebestrunkenen und stalker-ähnlichen Nachrichten gegen ein bisschen Smalltalk einzutauschen. Bietet man einem hungernden Menschen ein paar Krümel, würde er diese wie ein Festmahl verschlingen. Daher verschlang ich auch Ihre WhatsApp-Nachricht. Allein schon, da sie mich entsperrte, um mir zu schreiben. Ich schöpfte Hoffnung, denn vielleicht war doch noch ein Funken Liebe für mich in ihrem Herzen. Meine Gedanken überschlugen sich und daher brauchte ich ein paar Sekunden, um mich auf ihre Nachricht zu konzentrieren.

      DENISE: „Brian! Wie dumm bist du eigentlich? Weißt du wie krank sowas ist? Du schreibst alle paar Minuten wie so ein verdammter Stalker! Das ist schon richtig krank! Mein Freund hat ein paar deiner Nachrichten gelesen. Ich bin auf 180! Bitte versprich mir, dass du es sein lässt und zu einem Psychologen gehst! Versprichst du mir das? Allein schon wegen all dem Mist, der in deinem Leben passiert ist. Wenn du zu einem Psychologen gehst, kannst du mir gern normal schreiben. Nur keine ständigen Liebeserklärungen mehr, denn ich kann und will das einfach nicht mehr hören. Einfach ganz normal schreiben, Brian!“

      ICH: „Hey, Denise. Ja, du hast irgendwie recht, habe selbst schon nachgedacht, wie das wohl rüberkommt, aber ich denke halt ununterbrochen an dich. Ich habe nur dich im Kopf. Wenn ich aufwache, bist du der erste Gedanke, der mir in den Sinn kommt und wenn ich schlafen gehe, bist du der letzte Gedanke. Ich liebe liebe liebe liebe liebe liebe liebe dich! Ich kann dich auch einfach nicht ersetzen. Du bist unentbehrlich für mich, egal, wie kitschig es klingt, aber so sind meine Gefühle. Ich brauche dich mehr als mich selbst. Ich werde das echt machen. Sehr gern sogar!“

      Obwohl ich dann weitere Nachrichten schickte, kam von ihr nichts mehr. Wahrscheinlich verbrachte sie den Abend wieder bei ihm oder war generell einfach nur angepisst von mir. Trotzdem wollte ich diese kleine Chance nutzen. Wer hungert schon gerne weiter, wenn zumindest Krümel gereicht werden? Als ich bei Google nach Psychologen in meiner Umgebung als ersten „Dr. Schwedka“ sah, vereinbarte ich sofort einen Termin. Ich wollte das Ganze schnellstmöglich hinter mich bringen, um bei Denise in irgendeiner Art und Weise voranzukommen. Wohin das Ganze mit ihr hinführen sollte war mir eigentlich gar nicht richtig klar. Schließlich hatte sie einen Freund, aber ich wollte sie einfach wiederhaben. „Vielleicht würde sie in ein paar Wochen doch erkennen, was sie an mir hat“, dachte ich. Zwei Jahre Beziehung wischt man doch nicht einfach so weg?

      Am Tag des Termins waren es draußen mindestens -10 Grad. Zum Glück aber ohne Schnee. Ich war nicht nur genervt vom Eiskratzen am Auto, sondern auch von meinen Fragen im Kopf, die dort aufleuchteten wie Werbeschilder in Las Vegas. Warum mache ich das? Was erwartet mich da? Werde ich da heulen? Wie wird Denise reagieren, wenn sie sieht, dass ich es echt getan habe? Doch ich konnte einfach keine befriedigenden Antworten finden und war quasi im Blindflug, dank meiner Gedanken, zum Termin gelangt. Vorbei durch die halbe Stadt, vorbei an der netten älteren Dame an der Anmeldung, vorbei am Psychologen und nur noch in Richtung des mir von ihm gezeigten Platzes. Es war dort wirklich so wie man sich eine Psychologenpraxis vorstellt. In seinem Praxiszimmer war es ekelhaft auf Gemütlichkeit bedacht eingerichtet, aber doch so nichtssagend steril. Alles hell und freundlich gehalten. Weiße Schränke - natürlich voller Bücher, weißer Schreibtisch - natürlich total aufgeräumt, weißes Sofa - natürlich für die Patienten. Alles vereint auf Echtholz-Parkett und durch grüne Gardinen, grüne Kissen auf dem weißen Sofa sowie einen grünen Designerdrehstuhl vor dem Sofa, für den feinen Herrn Doktor, abgerundet. Als ich auf dem Sofa, zwischen den kiwi-grünen Kissen, platznahm, wachte ich allmählich aus meiner Blindflugphase auf.

      DOC: „Was führt Sie zu mir?“, eröffnete er das Gespräch mit einem Hauch Routine in der Stimme.

      ICH: „Puh! Ja, eigentlich schwer zu sagen. Hab´s meiner Ex versprochen.“

      DOC: „Versprochen hierher zu kommen!? Aus welchem Grund?“

      ICH: „Sie sagte, wenn ich zu einem Psychologen