Rebekka Kricheldorf

ALLTAG & EKSTASE


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       © 2013 Gustav Kiepenheuer Bühnenvertriebs-GmbH

       Schweinfurthstraße 60, 14195 Berlin

      Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.

      Sämtliche Rechte der öffentlichen Wiedergabe (u. a. Aufführungsrecht, Vortragsrecht, Recht der öffentlichen Zugänglichmachung und Senderecht) können ausschließlich von der Gustav Kiepenheuer Bühnenvertriebs-GmbH erworben werden und bedürfen der ausdrücklichen vorherigen schriftlichen Zustimmung. Nicht genehmigte Verwertungen verletzen das Urheberrecht und können zivilrechtliche und ggf. auch strafrechtliche Folgen nach sich ziehen.

      ISBN 978-3-8442-6454-8

       Personen:

      Janne, um die 40

      Günther, um die 65

      Sigrun, um die 50 / Gitta, um die 60

      Takeshi, um die 30 / Jonas, um die 35

      Katja, um die 35

       Prolog / Jenseits von Eden I

       Zwei dick eingepackte Gestalten mit Rucksack und Sturmbrillen, mit Karabinerhaken an ein straff gespanntes Seil gehakt, das links und rechts am Bühnenrand verschwindet.

      GITTA Die Suche nach der angeblichen Schönheit der Natur ist eine solche Zumutung. Pause Ich seh sie jedenfalls nicht.

      JONAS Wen siehst du nicht?

      GITTA Die Schönheit.

      JONAS Ich auch nicht. Pause Ich steh auf einem Berg und friere.

      GITTA ruft ins Off Warum gehts hier nicht weiter?

      JONAS Stau.

      GITTA Wenn ich das gewusst hätte. Dass es SO ist hier oben.

      JONAS Scheiße.

      GITTA Jonas, wir haben keine Wahl. Wir müssen, verdammt noch mal, die Schönheit finden.

      JONAS Ich versuch es ja. Ich teste sämtliche Angebote durch, die mir das Leben als Reparationszahlung anzubieten wagt. Ich bin ja nicht der Einzige, der vor der Aufgabe steht, den schrecklichen Mangel, den der Lustverlust in seine Existenz riss, mit Substitut zu stopfen.

      GITTA Ersetzt der Berg diese Nächte?

      JONAS Diese Nächte ersetzt nichts.

      GITTA Meine Strategie war, es so mit diesen Nächten zu übertreiben, bis eventuell Ermüdung einträte, Langeweile, Sehnsucht nach was anderem.

      JONAS Und? Hats funktioniert?

      GITTA lacht Nein.

      JONAS Wir sind dermaßen armselig. Stehen auf einem Berg in der Fremde, haben viel Kohle für den Trip -

      GITTA Sag bitte nicht Trip -

      JONAS Sorry, die Reise bezahlt, und nötigen verkrampft die arme Natur, unser Ersatzspieler für die Sucht zu sein.

      GITTA Ich glaube, ich bin schon mit der Unfähigkeit auf die Welt gekommen, sie zu ertragen. Sie ohne die Möglichkeit einer Pausentaste lückenlos zu ertragen.

      JONAS Jonas, hat meine Ex immer gesagt, Jonas, du musst auch mal das Realitätsprinzip umarmen.

      GITTA Was sie halt so sagen, diese vernünftigen Tagmenschen, um einen auf Linie -

      JONAS Sag bitte nicht Linie -

      GITTA Sorry, Reihe zu kriegen.

      JONAS Mein Hass richtet sich auf alle, die diese durch und durch verachtenswerte Begabung besitzen, das Maß zu finden. Die nicht hier am Berg hängen müssen, weil sie planmäßig ausrasten, Vergnügen nach der Stechuhr, an den Wochenenden, und planmäßig Montagmorgen wieder gewappnet in der Werkgemeinschaft stehen.

      GITTA Striegel ein Pferd. Besteig einen Berg. Mach was mit den Händen. Liebe ein Gegenüber. Jogg durch den Park. Baue ein Haus. Puh.

      JONAS Puh.

       Pause

      GITTA Darfst du noch was oder ist alles verboten?

      JONAS Alles verboten.

      GITTA Polytoxi. Willkommen im Club.

      JONAS Ich hatte dennoch meine Favoriten. In meinem alten Leben bevorzugte ich stets das Dämpfende und Wattierende.

      GITTA Ich meinerseits war ein Fan alles Putschenden und Wachmachenden.

      JONAS Nicht, dass ich das Putschende und Wachmachende nicht auch genießen könnte -

      GITTA Nicht, dass ich dem Dämpfenden und Wattierenden ablehnend gegenüber stände -

      JONAS Das einzige, was ich zutiefst ablehne, ist Nüchternheit.

      GITTA Tja. Nüchternheit oder Tod. So sagen sie.

      JONAS Wers glaubt.

      Pause

      GITTA Schau. Die Weite. Wie erhaben.

      JONAS Die Weite wäre weit erhabener mit einer kleinen Tüte.

       Gitta zieht einen Joint aus der Tasche.

      GITTA Guck mal. Hab ich in Basislager zwei so nem Hippie abgekauft. Soll meine letzte sein. Dachte, das macht sich gut, so eine letzte auf dem Berg.

      JONAS Bist du wahnsinnig? Ich komm grad aus drei Monaten Entzugsklinik!

      GITTA Na und? Ich auch. Es ist nur Hasch. Nur ein kleiner Zug.

      JONAS Wenn. Wenn ich einen kleinen Zug von dieser Tüte rauche. Dann. Dann rauche ich morgen eine ganze. Und übermorgen schmeiß ich eine halbe Pille. Und überübermorgen ziehe ich eine klitzekleine Line. Und überüberübermorgen hänge ich lallend in meiner eigenen Kotze und bin auf Ewigkeit verloren. Gitta wirft den Joint vom Berg. Braves Mädchen. Pause Sie sagen, es wäre Betrug. Betrug an der Weite, die du künstlich erhabener machst. Dein Schicksal ist ab jetzt, die Dinge sehen zu müssen, wie sie sind. Ihre nackte, unverzerrte Wahrheit.

      GITTA Die Wahrheit wurde schon immer schwer überschätzt.

      JONAS ruft ins Off Hallo? Gehts hier mal weiter oder was?

      Pause

      Gitta hakt sich vom Seil los, stapft zu Jonas rüber und umarmt ihn.

      GITTA Nimm mich.

      JONAS Bist du lebensmüde?

      GITTA Nimm mich. Ich brauch das jetzt.

      JONAS Gitta, du hakst dich jetzt sofort wieder ein. Gitta bleibt reglos stehen und hält Jonas umklammert. Schweigen Ich hab noch nie nüchtern Sex gehabt. Das macht mir Angst. Gitta löst die Umklammerung, stapft zurück