Gabriele Steininger

John K. Rickert


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wurde auch Zeit. Soweit ich mich erinnere, war er doch schon sehr marode", sagte O'Connell und ließ sich auf dem neuen Ersatz nieder.

      "Sie haben sich also geschäftlich in meine Räumlichkeit verirrt?", lenkte John das Gespräch auf den Grund des Besuchs zurück. Es musste sich um eine verzwickte Sache handeln, wenn O'Connell ihn freiwillig und von sich aus aufsuchte.

      "Nun ja, so ist es. Nur weiß ich nicht recht, wie ich beginnen soll", gestand er.

      "Ich würde vorschlagen, mit dem Anfang." John lehnte sich zurück, setzte die Ellbogen auf die Armlehnen und ließ seine Fingerkuppen vor der Brust gegeneinander tippen. Inspektor O'Connell räusperte sich. Es war ihm sichtlich unangenehm, die Dienste des "Schnüfflers", wie er John insgeheim nannte, in Anspruch nehmen zu müssen, doch er wusste sich keinen anderen Rat.

      "Sicher haben sie bereits die Artikel der hiesigen Zeitungen über die ungewöhnlichen Einbrüche in letzter Zeit verfolgt?", begann er sein Anliegen vorzutragen. O'Connell seine volle Aufmerksamkeit schenkend, nickte er ihm zu.

      "Die Beute ist sehr ungewöhnlich", stellte John fest. "Für einen normalen Dieb."

      "Ich denke, wir haben es hier nicht mit einem einfachen Diebstahl zu tun", warf der Inspektor ein. Er sah sein Gegenüber prüfend an, bevor er fortfuhr. "Es gibt da noch ein paar Kleinigkeiten, die nicht über die Presse an die Öffentlichkeit gelangt sind." Schuldbewusst wanderten seine Augen auf die Tischplatte und fixierten kurz die graue Pappakte darauf.

      "Das dachte ich mir bereits. Sonst würden sie jetzt nicht vor mir sitzen."

      "Rickert, sie wissen, was ich von Detektiven halte. Deshalb fällt es mir auch ehrlich gesagt schwer, sie in diesem Fall um Hilfe zu bitten." Es war nicht so, dass er John nicht mochte. Es war der Beruf, den er gewählt hatte und die, nicht immer legalen Methoden, welche Rickert zur Lösung seiner Fälle anwendete.

      "Durchaus. Mir ist ihre Haltung, gegenüber in meiner Branche tätigen Personen, insbesondere gegenüber mir, bekannt." John musste schmunzeln. Insgeheim hörte er Bernard, wie er ihn wegen dieser affektierten Ausdrucksweise tadelte. "Und trotz ihrer Einstellung, haben sie den Weg hierher auf sich genommen." Sanft schaukelte John auf seinem Chefsessel, den er sich zusammen mit dem neuen Klientensessel gegönnt hatte, vor und zurück.

      "Weil ich nicht weiterkomme."

      "Wo genau liegt denn das Problem bei diesem Fall? Was wissen sie, was ich wissen müsste, um ihnen zu helfen?"

      "Es gab eine Tote". platzte O'Connell heraus. Der Detektiv sah ihn erstaunt an.

      "Eine Tote?" John pfiff kurz durch die Zähne.

      "Magan Mac Clary, zweiundachtzig Jahre. Sie war die Eigentümerin des Hauses, in das zuletzt eingebrochen wurde." Der Inspektor machte eine Pause, um Rickerts Reaktion abzuwarten. John hatte aufgehört mit seinem Sessel zu wippen und hatte sich mit dem Oberkörper ein Stück nach vorne gebeugt.

      "Darf man fragen, welche Ursache der Tod der alten Dame hatte?", forschte der Detektiv nach.

      "Jetzt wird es kompliziert", fing O'Connell an. Er beobachtete Johns Gesicht, welcher ihn erwartungsvoll anblickte. "Es ist ein bisschen verzwickt. Also eigentlich nicht. Oder doch. Es ist nicht ganz einfach."

      "Wenn es nicht einfach ist, dann ist es zweifach. Doppelt, sozusagen." Rickerts neue Leidenschaft lag in Wortspielereien, die ihn selbst enorm amüsierten. Auch, oder gerade wegen des Umstandes, dass sein Umfeld sie nicht immer verstand und seine Euphorie darüber nicht teilte. Der unbeholfene Gesichtsausdruck des Inspektors, der nicht viel mit der Äußerung anfangen konnte, bestätigte John, wieder einmal zu schnell gedacht zu haben.

      "Zweifach. Also zwei Morde an einer Person", bemerkte er erklärend. "Sozusagen ein Doppelmord?" Es schien sein Gegenüber nicht zu beeindrucken. Der Kriminalbeamte sah ihn ernst an. Er verzog keine Mine, während John versuchte nicht mehr zu grinsen.

      "So könnte man es ausdrücken", setzte der Inspektor das Gespräch fort. Er hatte beschlossen, die Spielerei des Detektivs zu ignorieren. Die ganze Angelegenheit war ihm zu ernst, um Witze zu machen. "In gewisser Weise haben sie mit dieser Aussage sogar den gesamten Fall erfasst. Es wurde ein Herzinfarkt festgestellt, an dem Magan Mac Clary letztlich gestorben ist. Da die Tote aufgrund des Einbruchs entdeckt worden war, wurde eine Obduktion durchgeführt. Es konnte eine nicht unrelevante Menge von Alkaloiden festgestellt werden." O'Connell machte eine Pause.

      "Pflanzengift?" John überraschte den Inspektor mit diesem Wissen. Er selbst hatte bis vor wenigen Tagen nicht die geringste Ahnung gehabt, was Alkaloide waren, geschweige denn, wo diese Gifte vorkamen. "Dann wurde die Frau also vergiftet", stellte Rickert fest.

      "So kann man das auch nicht nennen. Laut unserer Spezialisten war sie bereits tot, bevor sie der Wirkung des Giftes hätte erliegen können."

      "Dann war es kein Mord?" Ein zweifelnder Blick traf auf Inspektor O'Connell. "Ein natürlicher Tod?"

      "Zumindest gab es einen Mordversuch." Er machte erneut eine kleine Pause und beobachtete die Reaktion von Rickert. "Und auch mit Sicherheit einen Mörder, der ihn ausführen wollte. Die Frage ist nur, ob es etwas mit den Einbrüchen zu tun hat, oder nicht?"

      "Wir haben also einen Mord, der kein Mord ist. Einzig aus dem Grund, weil das Opfer vorher starb. Und weil man Tote nicht ermorden kann, egal wie sehr man es auch versucht. Der Tod trat während, durch, oder aufgrund des Einbruchs ein?"

      "So ist die Sachlage." Der Kriminalbeamte bestätigte Johns Zusammenfassung mit einem Nicken. "Es gibt noch ein paar Dinge, die den Fall verkomplizieren", fuhr er nach einer Minute des Schweigens fort.

      "Tod durch Herzinfarkt, wahrscheinlich durch den Einbruch hervorgerufen und ein Mordversuch, dessen Wirkung etwas zu langsam war. Was könnte diese Konstellation noch verkomplizieren?" John, in dessen Kopf es bereits angefangen hatte zu arbeiten, hörte ihm aufmerksam zu.

      "Neben den seltsamen Diebstählen, gab es anscheinend auch einen, der wirklich unter diesen Begriff fällt. Unser letztes Opfer, das ja verblichen ist, war im Besitz eines sehr wertvollen Colliers. Soweit die Information der Erben, die sich natürlich gewundert haben, wo das gute Stück abgeblieben sein könnte. Anfangs lag der Verdacht nahe, es wäre bei dem Einbruch gestohlen worden, doch dann wurde die Quittung eines Juweliers über genau dieses Stück gefunden. Magan Mac Clary hatte es versetzt. Das geschah drei Tage vor ihrem Tod. Eigentlich wäre dieser Punkt kein Problem, wäre jetzt nicht das Geld weg", eröffnete O'Connell ihm die Lage.

      "Lassen sie mich das einmal auf den Punkt bringen." John lehnte sich wieder in seinem Sessel zurück und schloss die Augen. Seine Hände lagen ruhig auf den Lehnen, nur seine Finger zählten die Punkte mit.

      "Wir haben, erstens, eine Reihe Einbrüche. Die Beute waren Kissen, Kuscheltiere – was war das danach?", fragte er und blinzelte den Inspektor an.

      "Eine Statue der Venus. Es war der Einbruch bei den O'Keefes", half ihm O'Connell auf die Sprünge.

      "Gut. Eine Statue also. Und dann noch ein Fenster", beendete John die Aufzählung des Diebesguts. "Wenn sie mich fragen, könnten das noch alles Dumme-Jungen-Streiche gewesen sein."

      "Das Fenster war wertvoll. Es war ein Mosaikfenster aus buntem Bleikristall und hat bei der Größe bestimmt einmal über zweihundert Pfund gekostet. Zudem möchte ich bezweifeln, dass sich dumme Jungen mit einem solchen Gewicht herumplagen."

      "Denken sie immer noch in Pfund?" Rickert war erstaunt. Er selbst hatte lange noch in der alten Währung gerechnet und es schließlich aufgegeben.

      "Wenn ich mir die neusten politischen Entwicklungen ansehe, muss ich zugeben, ich habe wieder damit angefangen."

      "Na gut. Lassen sie uns den Wert des Fensters als Grund zur Annahme nehmen, es seien ernsthafte Einbrüche. Auch, wenn ich bezweifle, dass der Schwarzmarkt für Kissen, Kuscheltiere, Gartenskulpturen und Bleiglasfenster gerade einen Boom erlebt." Grinsend zog John eine Augenbraue hoch. "Zweitens, eine alte Dame versetzt ein wertvolles Schmuckstück. An und für sich kein Verbrechen, aber ein Aspekt, den wir nicht außer Acht lassen können, da das Geld, das sie dafür erhalten hat, offensichtlich verschwunden ist."