Rolf Summermatter

Mein Arbeitszeugnis


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wird eine Negativformulierung benutzt? Auf solche sollte ich im Arbeitszeugnis grundsätzlich verzichten. Wir können diese Aussage dahingehend interpretieren, dass diese Zusammenarbeit nicht sehr angenehmen war. Wenn es mir, wie bereits erwähnt, gelingt, diese Sätze so zu lesen, entdecke ich solche Ungereimtheiten.“

      „Und ich interpretiere sie dahingehend, dass er oder sie nichts geleistet haben“, bemerkte Cornelia nicht ohne Stolz.

      „Darauf stossen wir an“, sagte Reto augenzwinkernd und verteilte die bereits gefüllten Gläser.

      „Sehr zum Wohle! Erkennt ihr, wie schnell wir unklare Aussagen interpretieren können?“

      Die gefüllten Kristallgläser klangen beim Anstossen herrlich.

      „Noch eine abschliessende Bemerkung oder, genauer gesagt, ein Tipp zu diesem Thema: Ich kann mein Arbeitszeugnis von einer Drittperson lesen lassen. Selbstverständlich nach dem gleichen Prinzip, wie eben erklärt.“

      „Aber sprich weiter. Mich fesselt, was du uns erzählst“, drängte Cornelia auf eine Fortsetzung des Gesprächs.

      7 Vollständigkeit

      „Wir sind beim Lesen des eigenen Arbeitszeugnisses mit fremden Augen stehengeblieben. In dieses Kapitel gehört ebenfalls die Frage der Vollständigkeit. Wird das Zeugnis als Arbeitszeugnis oder Zwischenzeugnis bezeichnet? Ist eine eindeutige Identifikation möglich? Sind also Namen, Geburtsdatum, Heimatort oder Nationalität angegeben? Sind die Dauer des Arbeitsverhältnisses, der Beschäftigungsgrad und die ausgeführte Funktion genannt? Sind die wahrgenommenen, bei vielen verschiedenen Aufgaben vor allem die wichtigsten, beschrieben? Dazu gehören allfällige Beförderungen und Weiterbildungen. Sind Aussagen über die Leistung und das Verhalten sowie den Austritt, eventuell mit Begründung, vorhanden? Wurde ein Schlusssatz formuliert? Soll ich euch dazu eine Methode, wie ihr ein Arbeitszeugnis sozusagen röntgen könnt, mitgeben?“

      Beide nickten stumm. Sie sahen Roland an, dass er nun in seinem Element war.

      „Also, hier ist sie: Ihr braucht vier verschiedenfarbige Leuchtstifte und schon kann es losgehen. Ihr beginnt damit, mit der ersten Farbe alle Forminhalte wie Titel, Namen und so weiter anzustreichen. Dazu verwende ich immer den gelben Leuchtstift. Damit überprüft ihr, ob alles vorhanden ist, was vorhanden sein sollte, wie ich es euch eben beschrieben habe. Mit einer anderen Farbe, bei mir ist sie immer blau, hebt ihr den Teil der ausgeführten Tätigkeiten hervor und vergleicht diese Angaben mit eurem Aufgaben- respektive Stellenbeschrieb. Zusätzlich vergleicht ihr diese Angaben mit den tatsächlich von euch ausgeführten Tätigkeiten.“

      Tipp: Überprüfen Sie Ihr Arbeitszeugnis auf Vollständigkeit!

       Titel „Arbeitszeugnis“/„Zwischenzeugnis“

       Identifikation der beschriebenen Person

       Bezeichnung der Stelle

       Anstellungsbeginn und evtl. Schlussdatum (bei Schlusszeugnissen)

       ausgeführte Tätigkeiten

       Leistung

       Arbeitsverhalten

       Verhalten (soziale Kompetenzen)

       Hinweis auf Kündigung/Auflösung (bei Schlusszeugnissen)

       Schlusssatz und Austrittsdatum

      „Ja, ist das denn nicht dasselbe, Aufgabenbeschrieb und ausgeführte Tätigkeiten?“, wollte Reto wissen.

      „Im Prinzip ja, aber Kontrolle ist besser. Das heisst, ihr überprüft die Angaben aus dem Aufgabenbeschrieb mit euren tatsächlich ausgeführten Tätigkeiten. In den meisten Fällen stimmt es in etwa überein. Aber ich habe schon Fälle erlebt, da haben sich die Tätigkeiten im Laufe der Zeit gewandelt und der Aufgabenbeschrieb wurde nie angepasst.

      Mit der dritten Farbe, bei mir jeweils rosa, streicht ihr alle Leistungsmerkmale an. Die vierte Farbe zeigt euch alle Verhaltensmerkmale. Bei mir übrigens immer grün. Somit könnt ihr auf einen Blick erkennen, wie das Arbeitszeugnis gegliedert ist, welchen Anteil jeder Themenbereich am Ganzen hat und in welchem Verhältnis die Leistung und das Verhalten zum gesamten Zeugnis stehen.“

      „Gibt es eine Art ‚Verteilschlüssel‘ zwischen diesen vier Teilen?“

      „Nicht wirklich. Und doch, wenn die Leistung und das Verhalten im gesamten Arbeitszeugnis untergehen, dann lohnt es sich, das genau anzuschauen. Je weniger über Leistung und Verhalten steht, desto mehr läuten bei mir die Alarmglocken. Es stellt sich mir die Frage, was hier nicht stimmt. Wenn ich das rechtzeitig erkenne, kann ich noch korrigierend einwirken.“

      „Was heisst das konkret?“, platzten beide fast gleichzeitig heraus.

      „Nun, wenn alles seinen normalen Weg geht, dann erhalte ich mein Arbeitszeugnis oder allenfalls mein Zwischenzeugnis in einem Gespräch vorab als Entwurf. Dabei ergibt sich für mich die Möglichkeit, mein Feedback zu diesem Zeugnis abzugeben.“

      „Und wenn das nicht fruchtet?“

      „Ich würde diese Fragen, wenn ihr einverstanden seid, gerne noch ein wenig zur Seite legen, denn wir kommen spätestens dann darauf zu sprechen, wenn wir das weitere Vorgehen anschauen. Seid ihr damit einverstanden?“

      „Ja, ich denke, das macht Sinn. Sonst gibt es ein Durcheinander“, pflichtete ihm Reto bei.

      „Gut, gehen wir weiter. Überprüft nun die Inhalte pro Farbe: Sind diese vollständig, aussagekräftig und eindeutig? Beim Leistungs- und Verhaltensteil geht ihr am besten so vor, wie wir es vorhin besprochen haben.“

      8 Der Aufwand lohnt sich für alle

      „Das ist ja sehr viel Aufwand, den ich da betreiben muss“, stellte Reto erstaunt fest.

      „Wie man es nimmt! Immerhin ist das Arbeitszeugnis das einzige von fremder Hand bestätigte Dokument, das mir aufzeigt, wie die Arbeitsleistung und das Verhalten eines Mitarbeitenden in der Vergangenheit waren. Wir können es auch als eine Art Empfehlungsschreiben anschauen. Und somit denke ich, dass es sich lohnt, etwas Aufwand zu betreiben und das Zeugnis genau anzuschauen. Vergesst nie, dass es um eure berufliche Zukunft geht!“

      „Doch für den Arbeitgeber ist es nur eine Last!“, warf Cornelia dazwischen. „Wenn ich mein Zeugnis anschaue, dann weiss ich, dass ich Recht habe! Was hat der alte Arbeitgeber davon, wenn er ein Zeugnis schreiben muss? Es bedeutet viel Aufwand und verkommt zu einer reinen Pflichtübung, bei welcher er es sich als Arbeitgeber sehr einfach oder schwierig machen kann.“

      „Wie meinst du das?“, wollte Reto wissen.

      „Ganz einfach: Wenn ich als Arbeitgeber keine Probleme haben will, dann gibt es bei mir doch nur gute Zeugnisse.“

      „Es kann sein, dass es für einige Arbeitgeber eine Last ist. Allerdings nur für denjenigen, die nicht über ihre Nase hinausdenken.“

      „Was meinst du damit?“

      „Zum einen ist das Zeugnis eines von mehreren Instrumenten in der Personalführung. Es wird mit verschiedenen anderen Hilfsmittel zur Personalanstellung herangezogen. Es gibt Auskunft über einen Kandidaten oder eine Kandidatin. Als Leiter einer Firma will ich doch die offene Stelle mit dem bestmöglichen Mitarbeitenden besetzen. Ein ehrliches und faires Arbeitszeugnis hilft mir sehr dabei, dieses Ziel zu erreichen. Als künftiger Arbeitgeber habe ich mit Arbeitszeugnissen der Bewerber die Möglichkeit, ihr Profil mit dem Anforderungsprofil der zu besetzenden Stelle zu vergleichen.“

      „Ja, ich verstehe. Du möchtest den bestmöglichen Mitarbeiter für die freie Stelle finden. Das leuchtet mir ein“, entgegnete Cornelia.

      „Hat es aber nicht auch etwas mit Wertschätzung