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Venedig


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      Inhaltsverzeichnis

       City Guide Venedig

      Schwankende Schönheit Idyllische Kanäle und bunt verwitterte Fassaden: Venedig ist ein Museum unter freiem Himmel – und der perfekte Ausstellungsraum für zeitgenössische Kunst.

      Heiter bis flauschig Im Hotel Giorgione ist die Belle Epoque immer noch lebendig.

      Hoteltipps der Redaktion Grandios nächtigen wie einst die Dogen, lieber entspannt unter Olivenbäumen oder doch mit marokkanischem Flair? Hier empfiehlt die Redaktion charmante Hotels in Venedig.

      Ach, dieser Duft! Sechs Zimmer und ein Garten – das Wohnhaus von Alma Mahler ist heute ein bezauberndes Hotel in einem stillen Winkel von Venedig

      Ein schmaler Grat Schöner weißer Kalkstein, schaurig-schöne Geschichte: Die Seufzerbrücke zwingt alle in die Knie.

      Stille Freude Auf dem Umweg zur Bar Rosa Salva erscheint die Jungfrau Maria.

      Mit Haut und Zange Moleche sind Krebse ohne Panzer. Frittiert sind sie Venedigs kulinarische Unabhängigkeitserklärung.

      Die Restaurant-Tipps der Redaktion Der Fisch kommt fangfrisch aus der Lagune, der Wein aus dem Umland und die Köche haben die schnörkellose Kochkunst perfektioniert. Fünf Tipps für gute Restaurants.

      Von der Commedia dell’ Arte bis zur Olivetti-Schreibmaschine Venedig-Tipps aus der Redaktion.

      In einem Traum gibt es kein echtes Leben Kann man unter den massentouristischen Bedingungen in Venedig überhaupt noch selbstbestimmt leben? Der Film "Das Venedig-Prinzip" zeigt den Ausverkauf der Stadt.

      Der Abend ist gerettet Um halb zehn Uhr muss in Venedig die Musik aus sein. Cristiano Spiller weiß, wo das Leben weitergeht.

      Acqua alta oder ansteigender Unsinn Peter Ackroyd hat sich eine Geschichte Venedigs zusammengeschrieben, bei der man aus dem Staunen nicht herauskommt.

      Fauler Zauber Venedig verkommt zur Fassade. 22 Millionen Touristen pro Jahr vertreiben die Einwohner aus ihrer Stadt. Den Bürgermeister schert das wenig. Hilferuf einer Einheimischen.

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       Impressum

      City Guide Venedig

      Venedig, die so oft totgesagte Stadt, macht viele melancholisch. Uns nicht. Wir besichtigen neue Kunst in alten Palazzi, essen die besten Krebse der Lagune und scheren uns nicht um die frühe Sperrstunde.

Grafik Venedig

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      Schwankende Schönheit

      Idyllische Kanäle und bunt verwitterte Fassaden: Venedig ist ein Museum unter freiem Himmel – und der perfekte Ausstellungsraum für zeitgenössische Kunst.

       VON TOBIAS TIMM

Artikelbild

      Alles wankt, alles schaukelt. Und ich weiß sofort: Ich bin angekommen. Das Gefühl, keinen sicheren Boden mehr unter den Füßen zu haben, es gehört zu Venedig wie die Renaissance-Palazzi, die schmalen Wasserstraßen und die Nebelschwaden, die im Winter oft daraus hervorsteigen.

      Heute aber strahlt die Sonne, der Wind steht still, auf der Piazza San Marco fließt das letzte Hochwasser ab. Touristen in Gummistiefeln warten in der Schlange vor dem Campanile, Kaffeehausbesitzer räumen Stühle hinaus in die Wasserlachen, in denen sich der Markusdom spiegelt, jene knapp tausend Jahre alte Kirche mit den fünf Kuppeln im byzantinischen Stil.

      Ein irres Bild, das man nicht lange anschauen kann, ohne dass einem schwindlig wird. Klar, dass in dieser Stadt der Löwe, das Wappentier, auch noch Flügel tragen muss. Verständlich auch, dass Venedigs Unwirklichkeit jahrhundertelang Künstler angezogen hat. Die alten Meister, die Bellinis und Tizians und Tintorettos, haben Paläste und Kirchen in Gesamtkunstwerke verwandelt. Man könnte sich wochenlang in ihren Bilderwelten verlieren.

      Ich aber will zu den modernen und zeitgenössischen Künstlern, die begonnen haben, den alten Meistern die Schau zu stehlen, und das nicht nur während der großen Biennalen, die die Stadt regelmäßig in einen Kunstrausch versetzen. Gleich mehrere Sammler haben sich hier mit privaten Museen beschenkt. Das spektakulärste liegt schräg gegenüber vom Markusplatz, in der Punta della Dogana, dem ehemaligen Zollamt der Serenissima.

      Seit 2009 zeigt der Großbildjäger François Pinault hier seine neuesten Trophäen. Wie ein Tortenstück ragt das klassizistische Gebäude in den Canal Grande hinein. Auf dem Vorplatz am Wasser steht eine Skulptur des Künstlers Charles Ray, ein nacktes Kind mit einem Frosch in der Hand.

      Ein bisschen ähnelt Pinault den Wassertaxifahrern, die auf dem Kanal eine Beinahekollision nach der anderen veranstalten. Beide sind lässige Angeber, die Venedig als Kulisse für ihre Kunststücke betrachten. Dem 76-jährigen Multimilliardär gehören unter anderem Gucci, Yves Saint Laurent und das Auktionshaus Christie’s – und auch in seiner Kunstsammlung mag er es vor allem modisch, prominent und teuer.

      Vor und an kargen Betonwänden stehen und hängen die internationalen Kunstmarktstars der vergangenen zehn Jahre. Im Turm baumelt rot poliert ein riesiges stählernes Herz von Jeff Koons, der Inder Subodh Gupta hat aus dem gleichen Material zwei menschengroße Löffel arbeiten lassen, die sich wie zwei Liebende aneinanderschmiegen. Im nächsten Saal befinden sich neun Skulpturen des Albtraumkünstlers Paul McCarthy: Es sind groteske Schwanzgesichter, Mischwesen aus Piratencartoons und anatomischen Lehrbüchern, ein harter, neuer Surrealismus.

      Mit ihnen blicke ich durch ein halbrundes Fenster auf die Giudecca, die gegenüberliegende Insel, auf der eine baugleiche Kopie des Campanile in den Himmel sticht. Wellen schlagen im goldenen Nachmittagslicht ans Ufer. Und da ist es wieder, das Gefühl der Bodenlosigkeit, das einen unsicher macht, aber auch neugierig.

      Nach vorn schauen und keine Zeit verschwenden, die Imperative der Gegenwart, kann man vergessen. Trotz GPS führt mich Venedig immer wieder in die Irre, ich verliere mich wie in einem Traum. Es dämmert, als ich auf den Markusplatz zurückkomme. Ich bestelle einen Cappuccino, der so viel kostet wie in Berlin ein Abendessen. In Venedig bin ich gewillt, solche Preise als gelebten Surrealismus zu betrachten.

      Ist in dieser von tüchtigen Kaufleuten ins brackige Wasser gebauten Stadt heute nicht alles Kunst? Gerade mal 60.000 Menschen leben in bunt verwitterten Häusern, umgeben von Andenkenläden und Luxusboutiquen. Einen ordentlichen Supermarkt muss man lange suchen.

      »Wenn man nicht ab und an rauskommt, wird