Edgar Wallace

Ein gerissener Kerl


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doch gleich? – Dingsda des Lebens zu suchen.«

      »Das Elixier des Lebens?« fragte Tony.

      »Das ist das Wort! Ich weiß nicht, was es bedeutet, aber es klingt fein. Und dann hat er die verrückte Idee, daß er was entdecken kann, das Blei in Gold verwandelt. Es gibt 'ne Menge in der Irrenanstalt, die dieselbe Entdeckung gemacht haben.«

      Das war nun allerdings eine interessante Auskunft für Tony Braid. Er kannte Guelder vom Sehen, hatte ihn ein- bis zweimal gesprochen, doch nie hatte der feiste Niederländer die leiseste Andeutung über Pferde gemacht. Tony äußerte dies, worauf Mr. Elk nur mitleidig grinste.

      »Kein Mensch läuft herum und prahlt mit seinen Lastern«, belehrte er Braid, »außer Golfspielern. Dieser Bursche Guelder ist geradezu bares Geld für die Wetthähne. Er hat schon Tausende verloren.«

      Braid war beunruhigt. Er hatte für Julian Reef wahrhaftig nicht viel übrig, war aber überzeugt, daß er von dieser sonderbaren Schwäche seines Freundes nichts wußte. Nach seiner Kenntnis der Sachlage konnten sich weder Guelder noch Reef den Verlust von Tausenden in der Woche leisten. Er kannte Julians Lage und wußte, daß er trotz seines scheinbaren Reichtums dem Ruin entgegenging. Eine Krise in Julians Geschäften aber konnte sehr leicht Frensham bedrohen – und Ursula.

      Aus diesem Grund beunruhigte ihn diese Nachricht. Er bezweifelte Elks Bericht nicht eine Sekunde lang. Der dürre Detektiv gab Auskunft über die unmöglichsten Dinge. Das Pech, das er einst bei seinem Staatsexamen gehabt hatte, zwang ihn, sich jahrelang mit einer Stellung zu begnügen, die ihm eine weit bessere Gelegenheit bot, Menschen und Dinge kennenzulernen, als wenn er sein Examen summa cum laude bestanden hätte und in Amt und Würden befördert worden wäre. Er sammelte Material über Männer und Frauen mit demselben fanatischen Eifer und Fleiß, mit dem andere Marken sammeln. Sein Gedächtnis war ein Wunder. Er konnte sich zwar nicht, wie er selbst sagte, genau an das Datum erinnern, an dem die Königin Elisabeth die Parade über ihre Armee bei Tilbury abnahm; aber er wußte genau, wo Jonny, der Fassadenkletterer, die lange Narbe am Hinterkopf her hatte und warum ein bestimmtes Mitglied der Regierung so verblüffend plötzlich gestorben war. Viele wohlverwahrt geglaubte Geheimnisse waren Elk so vertraut, daß er sie schon fast vergessen hatte. Fast – aber niemals ganz. Denn er konnte im gegebenen Augenblick aus den Fächern seines Gedächtnisses die bloßstellendsten und fatalsten Einzelheiten mancher längst vergangener, romantischer Geschichten und halbvergessener Betrügereien hervorkramen.

      »Kennen Sie Lord Frensham?« fragte Braid.

      Elk nickte.

      »Guter Freund von Ihnen, wie? Braver Bursche, aber pleite. Ich war neulich in St. James' Street, mußte da Erkundigungen wegen einer Unterschlagung einziehen. Ich warf dabei einen Blick in sein Büro. Wissen Sie, daß er ein Büro in St. James' Street hat?«

      Tony lächelte breit.

      »Das ist eins von den wenigen Dingen, die ich weiß«, scherzte er. »Lord Frensham ist Direktor mehrerer Gesellschaften, die ihren Sitz in seinem Büro haben.«

      »Na ja, das wissen Sie«, gab Elk zu, »aber ich wette, die Geschichte seiner Etagenwohnung kennen Sie nicht – jedenfalls war das mal eine Wohnung ...«

      Er blickte auf, denn die Tür wurde geöffnet, und der Diener erschien. Braid hatte das Telefon läuten hören und war beim Eintritt des Dieners schon auf dem Sprung. Er wußte sofort, daß es ein wichtiger Anruf war, denn er hatte strenge Weisung gegeben, ihn nur in diesem Fall zu stören.

      »Lady Frensham.«

      Braid eilte in sein Arbeitszimmer und nahm den Hörer.

      »Sind Sie es, Tony?« Ursulas Stimme klang nervös, etwas verängstigt, schien ihm, und er wurde unruhig.

      »Können Sie schnell mal herkommen? Vater ist noch nicht zum Essen nach Hause gekommen. Irgendwas Schlimmes muß passiert sein.«

      »Ich bin in fünf Minuten bei Ihnen«, rief er. »Machen Sie sich keine Sorge. Es ist doch noch nicht so spät.«

      »N – ein, nur bat er mich ausdrücklich, auf ihn zu warten. Er habe mir etwas Wichtiges mitzuteilen.«

      Tony Braid ging zu seinen Gästen zurück, entschuldigte sich bei Sanford und war wenige Minuten später mit Elk unterwegs nach Hampstead.

      »Was ist mit Frensham?« fragte Elk.

      »Nichts Besonderes«, wich Tony aus.

      »Merkwürdig, daß die junge Dame sich dann so über sein Ausbleiben beunruhigt.«

      Da sagte Braid: »Ich kann es Ihnen ja sagen, Elk. Sie sind immer ein anständiger Kerl gewesen. Ihre Diskretion hat manche Probe bestanden. Frensham ist in einer heiklen Lage. Gerade vor Tisch heute Abend hat er mich angerufen und gefragt, ob ich ihm fünfundsiebzigtausend Pfund borgen könne.«

      Elk pfiff durch die Zähne.

      »Natürlich haben Sie nein gesagt!« orakelte er. »Ich bin gegen die Pumperei. Wenn ich all das Geld hätte, das ich schon verliehen habe, wäre ich ein Rothschild.«

      »Ich habe selbstverständlich ja gesagt«, bekannte Braid gelassen, »und habe ihm den Scheck durch einen Dienstmann ins Büro geschickt.«

      »Warum fahren wir da nicht lieber erst ins Büro?« schlug Elk vor. Braid schüttelte den Kopf.

      »Ich rief ihn eine Stunde, nachdem ich ihm das Geld geschickt hatte, an, um zu fragen, ob die Summe genüge, erhielt aber keine Antwort.«

      »Ist der Scheck abgegeben worden?«

      Elk war merkwürdig interessiert.

      »Ja. Der Dienstmann kam zurück und sagte, er habe ihn Frensham gegeben.«

      Elk stellte weiter keine Fragen. Gleich darauf erreichten sie das Haus und fanden Ursula wartend vor der Tür. Braid hielt den Wagen an und sprang heraus. Elk verschwand im Hintergrund.

      Als Braid Ursulas Hand ergriff, fühlte er, wie sie zitterte.

      »Warum regen Sie sich auf?« fragte er sanft. »Was ängstigt Sie so, meine Liebe?« Er streichelte zärtlich ihre Hand. »Ich sollte Angst haben – Ihr Vater hat mir verboten, sein Haus zu betreten, und hier stehe ich und beruhige seine Tochter.«

      Doch Ursula ging nicht auf den scherzhaften Ton ein.

      »Tony«, warnte sie leise. »Julian ist hier, er kam vor einer Viertelstunde. Er sagt, er sei in Vaters Büro gewesen, habe ihn aber nicht angetroffen.«

      »Julian ist hier?« fragte Braid betroffen. »Das ist mir sehr unangenehm. Da wird mir nichts weiter übrigbleiben, als nett zu ihm zu sein.«

      Wenn er etwa Zweifel über Julians Haltung ihm gegenüber gehegt hatte, so wurden sie behoben, sobald er das Haus betrat. Der junge Mann mit dem roten Gesicht durchmaß mit großen Schritten die breite Diele. Mit einem nervösen Lächeln eilte er sofort auf ihn zu.

      »Ich habe mich bei Ihnen zu entschuldigen, Braid«, sagte er. »Ich bin Ihnen nicht länger bös wegen Ihres linken Hakens.« Dann sprach er rasch in einem ernsteren Ton weiter. »Ich bin wegen Frensham beunruhigt. Er war heute nachmittag in meinem Kontor, wir hatten eine offene Aussprache über allerlei Aktien. Ich sollte ihm ein Depot aushändigen, das ich für Ursula verwalte. Tatsächlich hat er diese Aktien bereits seit drei Monaten im Besitz. Er benahm sich so merkwürdig, daß ich ihn für krank hielt. Ich wollte Ursula anrufen, aber ich wollte sie nicht erschrecken.«

      Sie waren im Salon. Es war eine heiße Nacht. An der sachten Bewegung der Gardinen erkannte Braid, daß die bis zur Erde niederreichenden Fenster offenstanden.

      »Ich rief heute Abend in seinem Büro an«, fuhr Julian fort, »und kam hierher, weil sich niemand meldete.«

      »Arbeitet er oft so spät in seinem Büro?« fragte Braid, die Augen fest auf den jungen Mann gerichtet.

      »Sehr oft.« Ursula gab die Antwort. »In letzter Zeit ist er Nacht für Nacht dort gewesen. Ich glaube, er macht sich große Sorgen um die Lulanga-Gesellschaft. Ich würde mich gar nicht beunruhigen,