einer Einbrecherin einen Beitrag zu Ihrem Unterstützungsfonds annehmen!«
»Ich interessiere mich durchaus nicht für den moralischen Wert einer Person, die meiner Klinik eine Schenkung zukommen läßt«, erklärte Parsons kühn. »Das einzige, was mir große Sorge macht, ist der empfindliche Geldmangel, unter dem das Krankenhaus leidet.«
»Vielleicht könnte ich Ihnen eine jährliche Unterstützung von ...«
Der Doktor wartete.
»... sagen wir einmal ... zehn Pfund geben.«
»Das ändert aber nichts an der Tatsache, daß Sie eine Belohnung von zehntausend Pfund ausgesetzt haben«, entgegnete Parsons ärgerlich. »Entweder zahlen Sie diese Summe, oder Sie zahlen sie nicht. Wenn Sie sich weigern, Ihr Versprechen zu halten, werde ich mich an die Presse wenden.«
»Lieber Freund, die Belohnung war ausgesetzt, damit der Dieb bestraft werden sollte«, parierte der Lord triumphierend. »Das können Sie doch nicht abstreiten. Sie haben mir den Dieb aber nicht gebracht, und Sie haben auch keinerlei Angaben gemacht, die zu seiner Ergreifung führen könnten.«
»In der Zeitung stand, daß derjenige die Belohnung erhalten solle, dessen Angaben zur Wiedererlangung des Schmuckstücks führten«, erklärte der Arzt aufgebracht. »Und ich habe Ihnen nicht nur Nachrichten gebracht, die zur Wiederbeschaffung führten, sondern ich habe Ihnen das kostbare Armband selbst gebracht! Es war wohl noch ein Satz hinzugefügt, in dem etwas von der möglichen Bestrafung des Verbrechers gesagt wurde, aber das war nicht ausschlaggebend. Ich habe mich bereits von verschiedenen Rechtsanwälten über diesen Punkt aufklären lassen.«
Sie verhandelten eine ganze Stunde miteinander. Dr. Parsons war vollkommen verzweifelt, denn er wußte, daß es nicht anging, den Lord zu verklagen. Nach langem Hin und Her nahm er schließlich viertausend Pfund an, die Lord Claythorpe widerwillig zahlte.
Am Abend gab der Lord ein großes Essen zu Ehren seiner Nichte, deren Hochzeit in zwei Tagen stattfinden sollte. Es wurde bei Tisch nur eine Rede gehalten, und zwar von Lord Claythorpe selbst. Er erzählte seinen Gästen nicht nur, wie sehr er sich gefreut habe, das kostbare Armband wiederzuerhalten, sondern er berichtete auch von der etwas dramatischen Szene, die sich bei der Übergabe abgespielt hatte.
»Der Arzt wollte zehntausend Pfund haben. Ich halte das für eine grobe Unverschämtheit. Ich weiß sehr gut, daß die Belohnung, die ich ausgesetzt hatte, viel zu hoch war. Das habe ich auch der Polizei gesagt. Das Armband hat allerdings mindestens den dreifachen Wert, aber das tut ja an und für sich nichts zur Sache. Schließlich gelang es mir, den Arzt herunterzuhandeln!«
»Das habe ich schon gelesen«, bemerkte Mr. Grandman.
»So? Das setzt mich in Erstaunen«, entgegnete der Lord argwöhnisch. »Wo haben Sie das gelesen? Ich dachte, es wäre außer mir und Parsons niemandem bekannt. Hat denn dieser verdammte Doktor etwas ausgeplaudert?«
»Das wird wohl der Fall sein. Ich habe in verschiedenen Zeitungen davon gelesen. Einige haben recht interessante Artikel daraus gemacht. Ich glaube nicht, daß Ihnen das sehr dienlich ist, Claythorpe. Wenn die ›Quadrat-Jane‹ davon hören sollte –«
»Zum Teufel, glauben Sie denn, daß ich mich um dieses Weibsstück kümmere?«
Grandman nickte und lächelte seiner Frau zu. »Ich habe auch so ähnlich gesprochen, bis mich diese Jane selber eines anderen belehrt hat«, erwiderte er mit philosophischer Ruhe. »Als ich ihr Papiersiegel an den Türen meiner Gäste sah, wußte ich, was es geschlagen hatte. Claythorpe, ich warne Sie! Diese junge Dame ist keine gewöhnliche Einbrecherin. Sie hat Ihnen das Armband zurückgeschickt, weil sie der Klinik eine Unterstützung von zehntausend Pfund zukommen lassen wollte. Wenn Sie die Summe nicht freiwillig gezahlt haben, werden Sie schon noch sehen, was Sie erleben.«
»Die soll es nur einmal bei mir versuchen«, entgegnete Lord Claythorpe ärgerlich und schnippte mit den Fingern. »Die berüchtigtsten Geldschrankknacker Europas haben es schon probiert, bei mir einzubrechen, und drei von ihnen sind auch tatsächlich so weit gekommen, daß sie die Safes selbst zu öffnen versuchen konnten. Aber Sie kennen doch mein System: Ich habe zehn Safes, und sieben davon sind immer leer. Unter diesen Umständen ist es natürlich recht schwer, bei mir einzubrechen. Lew Smith ist nach der Meinung von Scotland Yard der gerissenste Spezialist auf diesem Gebiet. Der Mann hat die halbe Nacht bei mir ›gearbeitet‹ und glücklich zwei leere Safes erwischt, die er öffnete.«
»Weiß denn außer Ihnen niemand, welche Safes Sie zur Aufbewahrung Ihrer Kostbarkeiten benützen?«
»Niemand«, entgegnete der Lord prompt. »Es ist nach menschlicher Voraussicht ziemlich ausgeschlossen, daß ein Einbruch bei mir Erfolg haben könnte.«
»Wie machen Sie denn das?« fragte Grandman interessiert. »Wechseln Sie die Safes jeden Abend?«
Lord Claythorpe nickte grinsend. »Tagsüber verwahre ich die meisten meiner Kostbarkeiten in dem großen Safe, der in der Ecke meines Arbeitszimmers steht. Dorthin bringe ich auch regelmäßig das venezianische Armband. Aber abends, bevor sich die Diener zurückziehen, lasse ich alle meine Kostbarkeiten aus dem großen Safe auf den Tisch in der Bibliothek schaffen. Mein Butler und mein Diener stehen draußen vor der Tür der Bibliothek. Dann drehe ich das Licht aus, öffne die Wandsafes in der Dunkelheit, lege die Etuis und Kästen mit den Schmuckstücken hinein, schließe die Safes und stecke die Schlüssel in die Tasche.«
Grandman brummte etwas, aber die anderen Gäste sprachen sich sehr anerkennend über die geniale Art und Weise aus, wie der Lord sein Eigentum schützte.
»Ich halte die Sache für etwas übertrieben«, meinte Grandman, der sehr nüchtern und praktisch dachte und keinen Sinn für theatralische Maßnahmen besaß, »aber schließlich ist das ja Ihre Sache und geht mich nichts an.«
»Der Ansicht bin ich auch«, bemerkte Claythorpe ein wenig unhöflich. Er war nicht gewohnt, daß jemand die Klugheit seiner Anordnungen in Frage stellte.
»Ich kann Sie allerdings nur warnen«, sagte Grandman wieder. »Die ›Quadrat-Jane‹ ist sehr gerissen. Vor der sind Sie nicht sicher, auch wenn Sie fünfzig verschiedene Safes haben und einen Polizisten zum Schutz davor postieren.«
»Ach, sprechen Sie doch nicht immer wieder von dieser ›Quadrat-Jane‹«, erwiderte der Lord unangenehm berührt. »Machen Sie sich wegen der keine Sorgen. Ich habe einen Detektiv in meinem Haus –«
Mr. Grandman lachte bitter. »Haben Sie vielleicht auch – wie ich – eine junge Dame engagiert, wenn ich fragen darf?«
»Nein, die Dummheit habe ich nicht begangen. Ich habe den besten Beamten von Scotland Yard.«
»Haben Sie Verdacht auf irgendeine Dame hier im Hause?« fragte Grandman leise.
»Wie meinen Sie das?«
»Kennen Sie alle Damen, die bei Ihnen zu Gast sind, persönlich? Wie ich sehe, sind über ein Dutzend hier.«
»Selbstverständlich kenne ich sie alle persönlich. Ich würde zu dieser Zeit keine Fremden in meinem Haus dulden. Bedenken Sie doch, daß die Hochzeitsgeschenke für meine Nichte –«
»Daran denke ich ja gerade«, entgegnete Mr. Grandman. »Würden Sie etwas dagegen haben, wenn ich mich einmal selbst hier umsähe?«
»Ach, wollen Sie Detektiv werden?« erkundigte sich der Lord etwas ironisch.
»Ich habe meine Erfahrungen gemacht und bitter für meine Nachlässigkeit bezahlt. Und wenn man selbst einen großen Verlust erlitten hat, weiß man, wie das ist.«
So erhielt denn Mr. Grandman die Erlaubnis, alle Räume des großen Hauses am Belgrave Square zu betreten, und er machte auch einige interessante Entdeckungen.
Zunächst konnte er feststellen, daß ›der beste Beamte von Scotland Yard‹ ein Privatdetektiv war, allerdings ein tüchtiger Mann in seinem Fach, den der Lord schon öfter engagiert hatte.
»Es ist keine große Sache«, erklärte ihm der Detektiv. »Ich muß die ganze Nacht vor der Bibliothekstür