ZEIT ONLINE

Ungewollt kinderlos


Скачать книгу

ist es nur in einem kleinen Teil der Fälle. Viel öfter könnte sie schon, wenn er fruchtbar wäre; oder umgekehrt.

      Das bringt eine gefährliche Unwucht in die Beziehung. Der unfruchtbare Partner muss nicht nur mit der eigenen Unzulänglichkeit fertig werden. Ihn quält auch noch das Schuldgefühl, dem gesunden Gegenüber einen Herzenswunsch, ein zentrales Moment des gemeinsamen Seins vorzuenthalten. Der Gesunde wiederum sieht sich mit einer Entscheidung konfrontiert, die er nie hatte treffen wollen: Mit einem anderen Partner könnte es ja gehen. Warum also zusammenbleiben?

      Drittens: Der gesellschaftliche Fortschritt stellt sich zunehmend gegen die Natur. Und es scheint, dass wir noch keine tragfähige Lösung für diesen Konflikt gefunden haben.

      Das Problem ist der Zeitpunkt, zu dem der Kinderwunsch heute üblicherweise einsetzt. Viele Frauen in Deutschland bekommen ihr erstes Kind inzwischen erst, wenn sie älter als 30 Jahre sind. Der Anteil der Erstgebärenden über 36 Jahren macht knapp ein Fünftel aller Mütter aus. Viele Frauen sind heute besser ausgebildet als früher. Sie wollen zuerst arbeiten, bevor sie sich auf eine Familie festlegen. Zudem fordert der Arbeitsmarkt von ihnen eine hohe Flexibilität, die schwer mit dem Muttersein zu vereinbaren ist.

      Doch die Wahrscheinlichkeit, schwanger zu werden, liegt bei einer Frau von 30 Jahren nur noch bei rund 60 Prozent, mit 40 Jahren unter 40 Prozent. Wenn viele Frauen sich für ein Kind bereit fühlen, hat fast die Hälfte von ihnen nur noch schlechte Chancen. Und nicht einmal ein Drittel der Versuche künstlicher Befruchtung führt zum Ziel.

      Dieses Problem trifft auch die Männer. Obwohl sich die große Mehrheit von ihnen Kinder wünscht, ist der Anteil derer, die dauerhaft kinderlos bleiben, auf fast ein Viertel gestiegen. Und er wächst weiter. Das hat einerseits mit ihren Frauen zu tun. Andererseits unterschätzen viele Männer, dass auch ihre Fruchtbarkeit trotz aller Geschichten über alte Väter begrenzt ist. Dass ein Mann, der älter als 40 Jahre ist, zum ersten Mal Vater wird, ist statistisch selten.

      So werden Millionen von Frauen und Männern mit ihren Erwartungen an ihr Leben, den Fortschritt und die Freiheit konfrontiert. Auch mit ihrer eigenen biologischen Verfassung. Viele leiden still darunter, manche zerbrechen daran. Doch andere schaffen es, mit der psychologischen Belastung fertig zu werden. Indem sie die Hoffnung nicht aufgeben. Indem sie andere Wege finden, ihr Leben zu vervollständigen. Oder indem sich der Wunsch nach einem eigenen Kind am Ende doch erfüllt. Davon handelt dieses E-Book.

       Zum Weiterlesen

      Millay Hyatt: Ungestillte Sehnsucht - Wenn der Kinderwunsch uns umtreibt erschienen im Ch. Links Verlag, Berlin (2012)

      Helga Levend: Warum ein Kind? erschienen in Psychologie heute 6 (2010)

      Martin Spiewak: Wie weit gehen wir für ein Kind? erschienen in Im Labyrinth der Fortpflanzungsmedizin, Eichborn, Frankfurt am Main (2002)

      Wenn das Wunschkind ausbleibt

      Warum können manche Menschen keinen Nachwuchs bekommen? Wie viel kostet die künstliche Befruchtung? Grafiken mit Zahlen und Fakten zur ungewollten Kinderlosigkeit.

       VON PAUL BLICKLE, LYDIA KLÖCKNER

Ungewollt kinderlos Ungewollt kinderlos Ungewollt kinderlos Ungewollt kinderlos Ungewollt kinderlos Ungewollt kinderlos Ungewollt kinderlos Ungewollt kinderlos Ungewollt kinderlos

      Was tun bei ungewollter Kinderlosigkeit?

      Millionen Menschen wünschen sich Kinder, bekommen aber keine. Welche Gründe gibt es dafür und welche Behandlungen? Fragen und Antworten zur Kinderlosigkeit

       VON STEFANIE SCHUETTEN

      Mehr als sechs Millionen Deutsche hätten gerne Nachwuchs oder haben ihn sich einmal gewünscht. Noch einmal so viele hätten gerne ein zweites Kind, doch es klappt nicht. Fruchtbarkeitsstörungen sind keineswegs selten.

      Welche Ursache haben sie, sind Frauen und Männer gleichermaßen betroffen und wie können Kinderwunschzentren Paaren helfen? Wir beantworten die wichtigsten Fragen zu Kinderlosigkeit.

       Warum bleibt der Kinderwunsch vieler Menschen unerfüllt?

      Unfruchtbarkeit ist Frauensache? Falsch! Ein unerfüllter Babywunsch ist ebenso oft durch den Mann oder beide Partner bedingt, nämlich zu jeweils einem Drittel. Fruchtbarkeitsstörungen können genetisch, hormonell oder psychisch bedingt sein.

      Doch eine zunehmende Zahl von Paaren bleibt kinderlos, weil sie ihren Kinderwunsch zu lange verschiebt. Die Chancen einer 35-Jährigen, gesunden Nachwuchs zu bekommen, stehen nur noch halb so gut wie für eine 25-Jährige. Männer bleiben zwar länger zeugungsfähig, doch ab 30 verschlechtert sich ihre Spermienqualität kontinuierlich. Bestimmte Krankheiten, Umwelteinflüsse und ein ungesunder Lebensstil können sich zudem negativ auf die Fruchtbarkeit auswirken. Als ungesund gelten zum Beispiel starkes Über- oder Untergewicht, einseitige Ernährung, übermäßiger Alkoholkonsum, extreme körperliche Belastung und Stress. Die Ursachen sind nicht immer eindeutig. Bei jedem zehnten Paar bleibt der Grund für den unerfüllten Babywunsch ungeklärt.

       Welche körperlichen Ursachen kann Unfruchtbarkeit bei Frauen haben?

      Ein Drittel aller Frauen mit Fruchtbarkeitsproblemen leidet an einer Hormonstörung oder einer Fehlfunktion der Eileiter. Wenn der Körper zu viele oder zu wenige Hormone produziert, reifen zum Beispiel nicht genügend Eizellen heran. Bei jeder fünften Betroffenen liegen Verwachsungen der Gebärmutter oder des Gebärmutterhalses vor. Die wenigsten dieser Ursachen sind angeboren. Meistens entstehen sie durch Krankheiten, Operationen oder eine ungesunde Lebensweise. Ab 30 Jahren nimmt das Risiko von Hormonstörungen und organischen Komplikationen stetig zu.

       Welche körperlichen Ursachen kann Unfruchtbarkeit bei Männern haben?

      Unfruchtbar ist nicht gleich impotent. Auch Erektionsstörungen sind selten die Ursache für einen unerfüllten Babywunsch. Bei den meisten zeugungsunfähigen Männern lassen die Spermien zu wünschen übrig. Produziert ein Mann zu wenige, missgebildete oder zu unbewegliche Spermien, können diese nur schwer oder gar nicht bis zur Eizelle vordringen. Die Samenflüssigkeit eines gesunden Mannes enthält mindestens 20 Millionen Spermien pro Milliliter. Sind weniger als ein Drittel normal geformt oder mehr als die Hälfte bewegungseingeschränkt, ist der Mann mit großer Wahrscheinlichkeit zeugungsunfähig. Schlechte Samenqualität ist meist hormonell bedingt. Manchmal geht sie auch auf eine Hodenverletzung, angeborene Fehlbildung, Krankheiten (zum Beispiel Mumps), Krampfadern, Medikamente, übermäßiges Rauchen und Trinken oder Umwelteinflüsse zurück.

       Wie findet der Arzt heraus, ob man unfruchtbar ist?

      Ein Arzt untersucht beide Partner. Dazu gehört auch ein Gespräch, in dem der Arzt unter anderem nach (früheren) Krankheiten, Operationen, Schwangerschaften und Abtreibungen fragt. Auch die Beziehung, das Sexualverhalten, Stress sowie Rauch- und Trinkgewohnheiten kommen zur Sprache. Ein Gynäkologe untersucht die