Charlotte Engel

Männersuche


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konnte, nur weil er der erste war, der mich sexuell zum Höhepunkt bringen konnte. Ich hielt mich eigentlich für eine sexuell aufgeschlossene Frau, die keine Scham und keine Tabus kannte. Eine leidenschaftliche Frau, die keine Scheu hatte, den Herren der Schöpfung die Kleider vom Leib zu reißen, die Lust auf der Motorhaube, im vollen Schwimmbecken oder zwischen den Kellergängen zu stillen. Und nun diese furchtbare Erkenntnis, dass genau bei dem Mann, wo die Übereinstimmung von Liebe, Zusammengehörigkeit und Zukunftsplänen nicht stimmte, ich meine intensivsten Höhepunkte erlebt hatte. Vielleicht wollte ich es nicht wahrhaben, weil ich mich als Frau dafür schämte, dass ich mir selbst etwas vorgemacht hatte. Weil ich es nicht eingestehen wollte, dass ich mir bisher nicht die Zeit herausnahm, mich bei der Liebe völlig auf meinen Körper zu konzentrieren, sondern darauf, ob ich auch ja die leidenschaftlichen Gelüste meines Liebhabers stillen könnte und der kleine Mann unterhalb der Gürtellinie dabei immer schön die Stellung behält. Bei Kai war es anders. Ich konnte mich fallen lassen – mich nur auf mich konzentrieren. Ich hatte das Gefühl, ich konnte mich geben, wie ich es in dem Moment wolle. Ich durfte nur an mich denken, überhaupt nicht an ihn, denn er nahm sich schon von ganz allein, was er wollte.

      Was sollte ich nun machen? Wie sollte ich denn da glücklich und zufrieden werden, wenn nur 20 Sekunden anhaltende Höhepunkte eine nicht funktionierende Partnerschaft ausgleichen sollten?

      Wenn die Praxis genauso leicht zu bewältigen wäre wie die Theorie, hätte keine Menschenseele unter Liebeskummer zu leiden.

      7. Kapitel

      Im Problemewälzen war ich immer ganz große Klasse. Über Probleme anderer Leute zu diskutieren und dann eine Lösung finden, kein Thema, mach ich mit links. Bei meinen eigenen Problemen – theoretisch gesehen – bin ich objektiv, realistisch und Verstand fest im Griff.

      Der praktische Teil, also etwas selbst dafür tun - was ja meist sehr, sehr unangenehm ist – da war ich vielleicht nicht so der passende Typ dafür. Da wartete ich doch lieber ab, bis sich alles schön von allein erledigt hatte. Leider hatte sich in den letzten Monaten da nicht viel von allein getan.

      Ich fragte und vertraute mich daher außenstehenden Personen an. Außenstehende führten immer einen passenden Rat in ihrer Brusttasche mit und wussten genau, wie man in diesen Situationen handeln müsse. Eigentlich hätten sie auch gleich eigenständig zur Sache schreiten und sich statt meiner Person sich meinem Mitbewohner mit den passenden, absolut richtigen Worten stellen können. Da müsste ich mir nichts merken und hätte keinen Ärger, wenn es nicht so recht klappte. Schuldgefühle Kai gegenüber würde ich somit auch nicht bekommen, denn die Schuld hätte ich den anderen zuschieben können. Das wäre wunderbar einfach!

      Diese von mir um Rat gefragten, außenstehenden Personen schauten mich besorgt und mit gefurchter Stirn kopfschüttelnd an und antworteten mit der gutheißenden Beschwichtigung: „Lisa-Schatz, es gibt Situationen im Leben, die man allein entscheiden und bewältigen muss. Das kann dir keiner abnehmen. Du musst ganz allein wissen, was du möchtest“. – Aha, kann bekanntlich sehr schwer sein!

      Wissen diese Ratschlaggeber eigentlich, wie absolut unmöglich es ist, eine Entscheidung zu fällen und dann auch noch danach zu handeln. Provisorisch bin ich den Weg in meinen Vorstellungen bestimmt schon hundertmal gegangen, aber praktisch gesehen, weiß ich noch nicht einmal, wo es überhaupt lang geht.

      8. Kapitel

      Die Tage vergingen. Es änderte sich nichts. Ich war auf der Suche nach den Glücksgefühlen in einer Liebe, welche ich von Kai erwartete, unternahm aber selber wieder nichts dafür. Meine abwartende Haltung Kai gegenüber blieb bestehen.

      Wir saßen am Samstagmorgen am Frühstückstisch zusammen und wie jedes Wochenende hatten wir keinen Plan für gemeinsame Unternehmungen. Es wäre ein richtig schöner Tag gewesen, wenn ich mich nicht so sehr nach Geborgenheit gesehnt hätte. Er war mit distanzierter Haltung freundlich. Ich kam mir eher wie ein Gelegenheitsbesuch als seine Lebensgefährtin vor. Ich fing an, versteckte Hinweise zu geben, damit er eventuell von allein erkennt, was mich bewegt. Unnötig – es war eher ein hilfloses Unterfangen, aber zu diesem Zeitpunkt wusste ich es nicht besser. So hielt ich mich an diesem Morgen meinem Mitbewohner gegenüber ebenfalls distanziert. Ich wollte endlich wichtig für ihn sein, er sollte ins Grübeln kommen, was denn los mit mir sei. In meiner Hilflosigkeit mit aller Macht sein Interesse für mich zu erlangen, rutschte ich in den Abgrund, aus jeder Situation einen Machtkampf zu machen.

      Das Frühstück war für mich beendet und ich beschloss kurzfristig gemütlich bummeln zu gehen und - meinem Mitbewohner ähnelnd – ohne Erklärung aus dem Haus zu gehen. Mit einem lockeren „Tschö“ in die Runde geworfen, verließ ich die Wohnung, ohne mich noch einmal herzlichst von Kai zu verabschieden. Schließlich war das ja auch seine Masche!

      „Ha“, dachte ich mir im Auto sitzend in den Spiegel schauend, „jetzt hast du es ihm ordentlich gegeben. Du hast ihm nicht gesagt, wann du wiederkommst und wohin du gehst. Sieeehste! Hast du nun davon. Du sagst mir auch nie Bescheid, wie, wo und wann du kommst“. Im Unterbewusstsein war mir schon klar, dass es ihm vollkommen gleichgültig war und er überhaupt nicht bemerkte, dass es von mir eher sarkastisch gemeint war. Ich verrannte mich in meine Ironie, aber ich wollte und konnte zurzeit nicht anders.

      Nach diesem Einkaufsbummel saß ich bei meiner Freundin Manuela zum gemütlichen Klönen. Manuela – von mir liebevoll „Manu“ genannt hatte mir – wie telefonisch angekündigt – viel zu berichten. Sie hatte sich tags zuvor wieder einmal ohne ihren Mann vergnügt und bis in die Morgenstunden gefeiert. Sie saß zwar etwas kränklich und mit vorsorglichem „Vielleicht-Muss-Ich-Mich-Übergeben-Eimer“ vor mir, aber ihrer lockeren Art und Laune tat das keinen Abbruch. Mit ihrer Tochter und ihrem Ehemann wurde es eine nette Runde. Anfangs fühlte ich mich ein bisschen wie das dritte Rad am Wagen, ein vom Manne verstoßenes Weib, welches hilfesuchend nach Aufmunterung ringt und sie von gottgesegneten Freunden bekam. Wie gesagt, es war nur ein Anfall des Gedankens, denn binnen von Minuten wurde mir von dem Ehepärchen unbewusst vermittelt, dass ich nicht nur ein Anhang des Mannes war, sondern eine eigenständige Person, die man eingeladen hatte. Ich fühlte mich besser.

      Der aufmerksame Mann von Manu bemerkte endlich, dass er ein wenig störte und verabschiedete sich – endlich! Manu ging es wieder gut, sie trank zwar noch Tee, aber kekseknabbernd saß sie mir mit schelmischem Grinsen gegenüber. Auch ich litt ein wenig, mein Magen tat weh vor Kummer. Ärger und Traurigkeit rächen sich immer am schwächsten Organ. Mein Körper beschwert sich bei mir, wenn es Ärger gibt und wo kann ich mich beschweren?

      Zum Glücke unserer Tratschrunde übernachtete Jenny – das Töchterchen – bei ihrer Freundin und wir konnten nun bis ins kleinste Detail unsere kleinen und großen Sorgen heraus lassen, um uns gegenseitig wunderbare Denkanstöße mit auf den Weg zu geben.

      So, Manu, lass uns über die Kerle herziehen, lass uns unsere fiesen Gelüste ausplaudern. Mit verschmitzten Gesichtern, über dem Kopf den Heiligenschein tragend und erhobener Hand versprachen wir uns unsere Geheimhaltung. Wäre ja auch fatal, wenn Dritte oder gar der eigene Mann etwas erfahren würde. Nein, Heimlichkeitsspiele machen doch so richtig Laune und erfrischen ganz nebenbei auch noch die Seele.

      Denn auch Manu hatte ein wenig Eheprobleme, nur sie entschied sich für eine für sie vorteilhaftere Lösung. Anstatt ein Klärungsgespräch mit ihrem Mann zu führen, ging sie ihm lieber aus dem Weg und schaffte sich des öfteren Liebhaber an. Da ihr Mann oft Nachtschicht hatte, bot es sich hervorragend an, in der Zeit die Gesellschaft fremder Männer zu genießen. Sie lebte auf und konnte direkt wieder interessante Seiten an ihrem eigenen Mann nach 20 Jahren feststellen. – Auch eine Lösung – Ich nervte Manu zwar immer wieder, sie möge doch ein schlechtes Gewissen haben, aber sie winkte nur belustigt ab.

      Kurze Zeit später kam die Wahrheit durch einen dummen Zufall heraus, denn einer von den vielen Liebhabern war ein Arbeitskollege ihres Mannes und gab mit stolzer Brust an, welch „liebestolle“ Frau er kennengelernt hatte, die verheiratet sei und nur Spaß suchte. Leider hatte er mit seinem Handy ein Foto zum Andenken gemacht