u99343c70-a88b-521e-9b48-911e461aa1bb">
Eckhard Lange
Alles über Engel
ein Versuch
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Der Reigen aller seligen und unseligen Geister
Vom Himmel hoch, da komm ich her
Es müssen nicht Männer mit Flügeln sein
Der Cherub steht nicht mehr dafür...
Dem Engel der Gemeinde zu Ephesus schreibe!
Warum der Fürst der Finsternis ausgerechnet Luzifer heißt
Kommst du nur immer anzuklagen?
Heilig ist der Herr, der Gott Zebaoth
Es seien Throne oder Herrschaften oder Reiche oder Gewalten...
Über die himmlische Hierarchie
Du sollst dir kein Bild noch Gleichnis machen?
Der Reigen aller seligen und unseligen Geister
Jahrtausende bevor der Mensch etwas von Göttern wusste oder gar von dem einen und einzigen Gott, begann er dennoch zu ahnen: Alles, was ihn umgab, war nicht bloß einfach Materie. Es war von geheimnisvollen Kräften durchzogen, war beseelt und durchgeistigt. Er spürte sie überall – in Busch und Baum, in Stein und Quelle, in jedem tierischen Lebewesen. Und er selbst war ebenso mehr als nur Fleisch und Blut; etwas war auch in ihm, das sein wirkliches Ich ausmachte – und das auch über das Sterben seines Körpers hinaus wirksam blieb und mit ihm weiter da war: geheimnisvoll, schützend, aber auch gefahrbringend, wenn man es nicht achtete.
Diese Ahnung hat der Mensch nie ganz verloren, mag ihm sein Verstand auch längst bewiesen haben, daß dieser Glaube nur der Irrtum seiner unwissenden, seiner noch primitiven Vorfahren war. Die Furcht blieb tief in ihm verwurzelt, und auch die Ehrfurcht.
Nymphen und Nixen, Feen und Elfen, Trolle und Sirenen, Gespenster und Ahnengeister, Manen, Lemuren und Dämonen aller Art bevölkern diese Erde, wollen beachtet und geehrt, respektiert und gefürchtet sein. Schier unerschöpflich sind die Geschichten um ihr gutes oder böses Wirken. Aber sie sind weder Götter noch Engel.
Was einst die Geister der Ahnen waren, die es zu verehren galt, es spukt immer noch durch unsere Köpfe, wenn wir an der Grabstelle mit unseren Lieben Zwiesprache halten, als würden sie dort irgendwo anwesend sein, uns hören und Einfluß nehmen auf uns und unser Tun und Lassen. Wo unsere Vorfahren ihnen Opfergaben darbrachten, legen wir ihnen immer noch Blumen aufs Grab, stellen Lichter auf und legen kleine Botschaften nieder.
Wo früher der Mensch einen besonderen Stein als heiligen Ort verehrte, hängen wir uns Amethyst oder Opal um den Hals – nicht als Schmuck und weil es „edle“ Steine sind, deren Wert sich durch ihre Seltenheit bemisst, sondern weil wir ihnen bestimmte Kräfte andichten, unbewiesen zwar, aber doch für viele eine fest geglaubte Wirklichkeit. Wie gesagt: Jedes Ding um uns herum, die gesamte Natur habe eben eine spirituelle Seite. So spuken sie wieder durch unser modernes Dasein, die Geister und Dämonen, die geheimnisvollen Kräfte und heilenden Energien.
Und mit ihnen haben jetzt auch – man inspiziere nur einmal die Gräber auf den Friedhöfen! - die Engel wieder Konjunktur, lange Zeit verspottete Gestalten einer vergangenen Märchenwelt. Denn längst waren die Engel aus dem strengen Reglement der heiligen Schrift(en) entführt worden und aufgenommen in jenen Reigen der seligen Geister, der in der heutigen Esoterik wieder fröhliche Urständ feiert. Da werden die Engel mit den Feen in einen Topf geworfen, begleiten die Gläubigen als feinstoffliche Geistwesen auf allen ihren Wegen, nehmen die Sterbenden lichtumstrahlt in jenem dunklen Tunnel ins Jenseits in Empfang.
Was aber sind Engel wirklich? Worin unterscheiden sie sich von all den Geistern und Geistwesen? Und – die entscheidende Frage: Gibt es sie – selbst dann, wenn all diese guten und bösen Dämonen nur Ausgeburt unserer Fantasie, unserer Ängste und Hoffnungen sind?
Vom Himmel hoch, da komm ich her
Engel im engeren Sinne gibt es nur in den drei monotheistischen Religionen – Judentum, Christentum und Islam. Der monotheistische Gott ist zwar ein immaterielles Wesen, aber er schien seinen Anhängern dennoch räumlich und zeitlich lokalisierbar zu sein an einem Ort, den sie mit dem Stichwort „Himmel“ bezeichneten. Doch der war weit und unerreichbar. Also bedarf er, will er mit seinen Geschöpfen auf der Erde kommunizieren, eines Übermittlers.
Das können Träume sein oder Visionen, Auditionen auch und in besonderen Fällen Epiphanien, also die direkte Begegnung mit dem Göttlichen. Oft aber redet im nächtlichen wie im Tagtraum nicht der Ewige selbst, denn unerträglich wäre dem Menschen seine Gegenwart, sondern der Angeredete sieht und hört einen Boten, den Engel des Herrn. Und der kann ihm auch – oftmals unerkannt – in Gestalt eines Irdischen, jenseits aller Träume, gegenübertreten.
Denn am wirksamsten bleibt schließlich ein direkter Bote, leibhaftig und von einer vertrauten menschlichen Gestalt, zugleich aber erkennbar von himmlischer und damit auch Furcht erregender Herkunft. Und so nennen wir diese Vermittler zwischen Himmel und Erde, diese Überbringer göttlicher Botschaften eben auch „Engel,“ und das bedeutet ja schlicht „Bote“ – nach „angelos“ - der Abgesandte - im Griechischen. Auch „mal'ach“ im Hebräischen heißt schlicht der Bote, der Überbringer einer Nachricht.
Polytheistische Religionen brauchen gemeinhin keine Engelwesen. Welche Naturgewalt, welche menschliche Tätigkeit, welches Schicksal der Irdischen auch immer – für alles gibt es eine himmlische Zuständigkeit, und die Zahl der Götter geht gegen unendlich. Wie auch immer ihr Zusammenleben organisiert ist in Über- und Unterordnung, Verwandschaftsgrad und einem steten Machtgerangel – sie kommunizieren mit den Sterblichen nicht über ein eigenes Botensystem. Da reichen Vogelflug und das Gekröse des Opfertiers, Runenstäbchen oder ein Blick zum Sternenhimmel, und bestenfalls die Sprüche der Pythia. Und auch Hermes, der die Botschaften des obersten Olympiers Zeus zu überbringen hat, ist selbst ein Gott, zuständig für Händler und