Kommunikation zwischen Himmel und Erde, Gott und Mensch.
Ob Götter oder Geister und Dämonen – es gibt sie in beiderlei Geschlecht, sie können männlich oder weiblich sein. Engel dagegen kommen stets als Männer daher. Es gibt keine Engelinnen – auch wenn in der langen Geschichte der Kunst die Gestalt des Engels immer mehr weibliche Züge angenommen hat. Dem Gendertrend mag das zuwiderlaufen, historisch ist es nun einmal so. Erst die Esoterik hat den weiblichen Engel erfunden.
Es müssen nicht Männer mit Flügeln sein
So hat Rudolf Otto Wiemer sein Gedicht über die Engel einmal begonnen. Und der Alttestamentler Claus Westermann hat gar ein ganzes Buch geschrieben mit dem Titel: „Gottes Engel brauchen keine Flügel.“ Ganz im Gegenteil: Wenn sie in den biblischen Erzählungen überhaupt als Engel erkennbar sind, so durch ihr leuchtend weißes Gewand, ihr strahlendes Antlitz. Von Flügeln ist nirgends die Rede. Oder doch? Aber hier gilt es zu unterscheiden:
Da gibt es auch die Cherubim, Zwitter aus Mensch und Tier, geflügelte, fantastische Wesen wie aus einer anderen Welt. Sie bewachen das Paradies mit flammendem Schwert (1. Mose 3,24), sie bewachen die Bundeslade mit ausgebreiteten Flügeln, aber sie haben keine Botschaft auszurichten. Erst Spätere haben sie in den Kreis der Engel aufgenommen als Teil des göttlichen Hofstaats.
Und in diesen gehören auch die Seraphim, menschengestaltig und mit sechs Flügeln versehen, die den Thron des Höchsten umstehen und seinen ewigen Lobgesang singen (Jes. 6,2). Aber auch sie sind keine Boten dieses Gottes, keine Engel. Denn Engel haben stets nur diese eine Aufgabe: Sprecher im Namen Gottes zu sein, mal sanft und unauffällig, mal von der göttlichen Majestät so durchdrungen, daß sie dem Angeredeten erst einmal Furcht und Entsetzen nehmen müssen.
Es gab sie also schon in den religiösen Vorstellungen des Volkes Israel, geflügelte Wesen im Dienste Jahwes. Und deswegen müssen wir nun ein Stück weit eintauchen in die Religionsgeschichte dieses Volkes. Lassen wir einfach einmal einen Propheten am Hofe des Königs von Israel zu Wort kommen. Es ist Micha, der Sohn Simlas. Er muß sich für eine Weissagung verteidigen, die er vorgetragen hat, und so plaudert er etwas aus, was sonst im Verborgenen bleibt – nämlich wie er seinen Spruch empfangen hat: „Ich sah den Herrn – gemeint ist Jahwe – sitzen auf seinem Thron und das ganze himmlische Heer neben ihm stehen zu seiner Rechten und Linken.“ Und dann schildert er höchst anschaulich, wie Jahwe seinen Hofstaat um Rat fragt, und fährt fort: „Und der eine sagte dies, der andere das. Da trat ein Geist vor und stellte sich vor den Herrn und sprach...“ So macht dieser himmlische Geist einen Vorschlag, Gott erfragt noch weitere Einzelheiten und erteilt ihm dann den Auftrag (1. Kön. 22, 19-22).
Eine Szene, wie sie eben in jeder Ratsversammlung eines Herrschers vorkommen kann. Es ist also ein höchst irdisches Abbild davon, wie es im Himmel zugeht. Kein Wissen des allwissenden Gottes von dem, was geschehen wird auf Erden, kein einsamer Entschluß des Allmächtigen. Nein, das ist sicher nicht unsere Vorstellung von dem Schöpfer des Universums, dem Grund allen Seins. Geht es hier nicht ebenso zu wie in den Götterversammlungen all der vielen Religionen, von denen deren Mythen berichten – ob nun aus Akkad oder Babylon, Ägypten oder Griechenland?
In der Tat: Wir werden Abschied nehmen müssen von jener schönen, aber leider viel zu einfachen Vorstellung, dieses Volk Israel hat sich seit Abraham und Mose zu dem einen und einzigen Gott bekannt, dem Schöpfer des Himmels und der Erde, neben dem es keine anderen Götter gibt. Denn es ist ein langer und mühsamer Weg durch viele Jahrhunderte gewesen bis zu dieser Erkenntnis, zu der die jüdischen Theologen erst spät, erst in ihrem babylonischen Exil, dann wirklich gekommen sind.
Und davor? Da gab es zwar Jahwe, den Gott Israels, aber er war eben nur Gott dieses Volkes und vielleicht sogar ursprünglich nur der Gott einer Sippe, eines einzelnen Stammes, ehe Israel sich als Volk zusammenfand. Daneben aber gab es schließlich andere Stämme, andere Völker, und also auch andere Götter in dem weiten Pantheon der Kulturen. Und weil es eine Welt voller Krieg war, weil die Stammesältesten und Könige um Macht rangen und Einfluß auf die Nachbarn, waren es auch die Götter, die sich dann feindlich gegenüberstanden, die ihre Heere brauchten, ihre Ratgeber und dienstbaren Geister. Da mochte man dem eigenen Gott in besonderer Weise opfern, weil er sozusagen staatstragend war, aber die anderen vergaß man auch nicht. Wenigstens privat, sozusagen. Bis man feststellte: Jahwe ist ein eifersüchtiger Gott; wenn Israel sein Volk sein will, wenn es seinen Schutz in Anspruch nimmt, dann darf es keine anderen Götter verehren neben ihm.
Und weil Jahwe Herrscher ist über Israel, kann es in seiner himmlischen Welt niemand geben, der mit ihm zusammen regiert. Was ihn umgibt – und eine solche himmlische Versammlung hatte er selbstverständlich wie alle Götter – waren nur dienende Wesen, ob Cherubim oder Seraphim, ob Engel oder Geister. So wuchs die Erkenntnis, daß Gott einzigartig ist, und nach und nach auch die Folgerung, daß er überhaupt einzig ist. Daß er nicht nur Herr Israels, sondern aller Völker ist. Daß deren Götter nicht nur „Gräuel“ sind in Jahwes Augen (5. Mose 7,25), sondern „Nichtse“ also nicht existent. „Du sollst keine anderen Götter haben neben mir“ – das hieß nun: „Es gibt keine anderen Götter neben mir. Punktum!“ (5. Mose 4,39)
Aber was war nun mit jenem himmlischen Hofstaat, der Jahwe umgab? Woher kommen all diese Wesen, welche Aufgaben werden ihnen zugesprochen, und letztlich: Welche Bedeutung haben sie für die Vorstellung des Menschen von Gott?
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