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Otto W. Bringer
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Fräulein Quakis Versuche, ein Mensch zu werden
Otto W. Bringer
Published by: epubli GmbH, Berlin
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Fräulein Quaki ist eine hübsche junge Froschfrau. Schlanke wohlgeformte Schenkel. Nach denen sich die Kerle umdrehen. Und noch lange hinterher schauten, wenn sie sie nicht mit zwei knielangem Ahornblättern verdeckt hätte. Ihre Kleider und Röcke aus farbigen Blättern je nach Saison lassen nur das sportliche Gelenk sehen. Das sie spannen kann wie ein Hochspringer, der die Zweimeterhürde schaffen will.
Am meisten fürchtet sie sich vor Leuten, die ihre Artgenossen in Tümpeln züchten, um ihnen die Beine auszureißen. Sie zu braten und mit Majonaise zu essen. Hat richtige Angst, es könnte ja einer der Gierigen beim Anblick ihrer Schenkel auf die Idee kommen, sie auszureißen. Bei lebendigem Leibe. Zu braten und mit Majonaise zu verspeisen. Huhhu, wie grässlich. Wie unmenschlich geradezu.
Fräulein Quaki fühlt sich wie ein Menschenkind und beschließt wie jeder vernünftige Mensch einen Plan zu machen. In dem alles steht, was ihr gefährlich werden könnte. Und wie sie überall lauernde Gefahren vermeidet.
Zum Glück hat der Erschaffer der Erde mit allem, was auf ihr lebt, auch ans Überleben gedacht. Jedem mitgegeben, was ihn lebendig sein lässt. Bis ins hohe Alter. Auch wenn es dann nicht mehr so schnell geht. Aber alle Sinne beieinander und wach. Augen und Ohren auf. Nase gespitzt. Den Verstand aufgeweckt, das Richtige zu tun.
Die Gliedmaßen beweglich und das Herz voller Hoffnung.
Fräulein Quaki ist gesegnet mit großen Augen. Wenn sie die Lider schließt in der Morgensonne, träumt sie davon ein Mensch zu sein. Schlägt sie sie auf, nehmen die schwarzen Linsen alles auf, was in ihrem Umkreis passiert. Kugellinsen nennt es die Fotoindustrie. Sieht dreihundert Grad mindestens. Praktisch rundum. Fliegen haben auch solche Kugelaugen. Deshalb schmecken sie Fräulein Quaki auch so gut.
Fliegt eine dieser Flügelwesen nichts ahnend vor ihrer Nase herum, schwupp ist die Zunge raus und die Beute im Schlund. Selbst bei geschlossenen Augen verrät das SummSumm ein blauäugiges Insekt. Klingt das SummSumm lauter, so laut, dass es sie nervös macht, ist es in Reichweite der Zunge. Schnappt zu und glaubt, mit vielen Augen im Bauch jetzt besser zu sehen als vorher.
Ihr Speiseplan besteht aus Fliegen, Würmern, Maden und Larven. Von denen man annimmt, dass sie keinen Verstand haben. Also kein schlechtes Gewissen haben muss, wenn man sie verspeist. Asiaten sind so gesehen menschenfreundlicher. Verspeisen gerne Raupen, Spinnen und Würmer.
Bisher ist nicht bewiesen, dass Schweine einen Verstand haben. Oder Rinder oder Rehe, Fasane, Enten oder Frösche. Von Flöhen und Wanzen am allerwenigsten.
Aber einen Überlebensinstinkt haben sie wie alle Geschöpfe. Flüchten, verstecken sich. Schreien, blöken, flattern um ihr Leben, wenn man sie zur Schlachtbank führt. Auch die Menschen fürchten den Tod. Blöken nicht, flattern nicht mit den Armen, schreien nur in äußerster Not. Dieser Instinkt zu leben funktioniert automatisch ohne dass man sich entscheiden muss. In kritischen Situationen geschieht, was geschehen muss.
Menschen tun alles, um Leben zu erhalten. Medikamente für alles und jedes. Schönredner, die langes Leben prophezeien. Trauern, wenn es nicht geklappt hat und das Leben zu Ende geht. Trösten sich mit Himmel und anderen Hoffnungen. Entschuldigen sich für Massenmorde an Juden. Kein Mensch entschuldigt sich für Massenmorde an Kröten und Fröschen. Wenn sie Sümpfe trocken legen oder Auto-Rennstrecken asphaltieren in unseren heimatlichen Gefilden.
Nur wenige Menschen verzichten auf Fleisch. Die meisten genießen das Fleisch. Wie ein Naturgesetz dieses Fleisch zu Fleisch. Schon in den vorsteinzeitlichen Höhlen von Lascaux sieht man Jäger und Gejagte. Tiere waren immer schon die Grundlage menschlicher Ernährung. Fräulein Quaki beschäftigen laufend Gedanken. Auch über anderes als ihre Artgenossen denken. Und das macht sie zur Ausnahme von der Regel. Und interessant.
Sie nennt sich Quaki, obwohl sie das i nicht aussprechen kann. Betont in Gedanken die zweite Silbe ihres Namens immer wieder. Hofft inständig, eines Tages kann ich Quaki sprechen statt quak. Wollte aber keinesfalls verwechselt werden mit Quappi, der Geliebten und späteren Ehefrau des berühmten Malers Max Beckmann. Im Bett eines Künstlers sieht sie sich nicht. Sie würde sich immer wie sein Modell fühlen. Nicht wie eine Froschkönigin. Sei kein Frosch sagt man, wenn einer oder eine sich ziert. Seltsame Sitte, Menschen zu Tieren zu machen.
Als Frau eines Künstlers hätte sie Farbe an allen Körperteilen, die ein Künstler streichelt. Nicht vorstellbar, eine violette Brust zu haben, eine feuerrote Vagina. Eine andere als ihre natürliche Farbe will sie nie und nimmer an sich dulden. Flecken sind ihr seit Kindheitstagen ein Greuel. Wenn sie aus dem Wasser auftaucht, glänzt ihr Körper blank wie die kupferpatinierte Domkuppel von Sankt Quirinus in Neuss am Rhein nach einem Regenguss. Schöner kann eine Froschfrau nicht aussehen.
Und sicherer nicht sein. Das Grün ihrer Haut ist die perfekte Tarnfarbe. Liegt sie im hohen Gras oder zwischen Blättern sieht sie kein Feind. Es sei denn, sie bewegt sich. Plötzlicher als Grashalme und Blätter sich bewegen bei leicht wehenden Winden. Fräulein Quaki hat Erfahrung im Stillsitzen.
Als sie eines Tages wieder einmal sitzt und nachdenkt, hat sie eine Idee. Schreibt auf, was sie bedroht. Plant Gegenmaßnahmen. Pingelig wie ein schlecht bezahlter Buchhalter sammelt sie Material. Plätze und ihre biologischen Zustände. Hofft, es wird ihr nützen eines Tages. Lohn ist das eigene Leben.
Feinde haben Frösche ihr Leben lang. Schon die Eier im Laich werden gefressen. Von Molchen. Die aus den verbliebenen Eiern geschlüpften Kaulquappen werden Opfer der Gelbrandkäfer. Von 1000 Froscheiern überleben 500 als Kaulquappen. Winzlinge, denen man noch nicht ansieht, was aus ihnen wird. Ca. 50 entsteigen dem Wasser nach der Metamorphose als Jungfrösche. Und schon sind neue Feinde da.
Der Fressgier ausgeliefert von größeren Fröschen, die keine Rücksicht auf ihre Verwandten nehmen. Soll auch bei Menschen vorkommen. Im übertragenen Sinne, ausnutzen zum Beispiel. Quaki nimmt sich fest vor: bin ich eines Tages ein Mensch, werde ich keinen anderen Menschen ausnutzen. Versprochen.
Wieder bei den Feinden der Jungfrösche. Bachstelzen, Laufkäfer und Wolfsspinne sind hinter den Kleinen her. Die mit ihren kleinen Beinchen nicht weiter springen können als der kleine Finger eines Menschen lang ist. Man soll es nicht glauben, sogar Amseln picken sie vom Boden wie eine Beute. Und jubeln danach das Lied vom Leben.
Sind sie ausgewachsen wie unser Fräulein Quaki, bedrohen Ringelnattern, Kreuzottern, Graureiher, Weißstörche, Füchse, Krähen, Raben und Iltisse ihr Leben. Was also machen? Quaki fragt sich, gibt es eine Gemeinsamkeit im Verhalten? Einen Lebensraum, den alle Arten bevorzugen? Wenn sie ihn nicht schon lebenswichtig brauchen wie Fische, Frösche und Lurche das Wasser.
Unser Fräulein kommt zu der Erkenntnis: alle lieben das Wasser. Lebensraum im weitesten Sinne. Bewegen sich ähnlich durch die Fluten eines Baches zum Beispiel. Schlangenförmig die Ringelnatter, die Kreuzotter. Tummeln sich also wie Frösche im Nass. Schnell wie der Blitz. In Bächen, Teichen, Moorgräben, Bruchlandschaften unter Bäumen. Seltener in größeren Pfützen nach starken Regenfällen.
Für Fräulein Quaki heißt das aufpassen. Augen auf, jede Bewegung zu registrieren, die fremd ist. Nix träumen hinter herunter gelassenen Jalousien. Sieht sie etwas sich bewegen. Die Luft anhalten ist gut. Warten bis die Luft rein ist, am allerbesten. Ihre Erfahrungen zeigen, dass es in der Regel nicht lange dauert. Auch Feinde sind immer on tour. Bleiben nur an einer Stelle, wenn sie ein Nahrungsmittel wittern.
Man braucht nur sich selbst zu fragen, weiß man, was der Feind will. Fressen oder gefressen werden ist die Losung. Seit Adam und Evas Zeiten nach dem Sündenfall. Als sie sich selbst erkannten. Die Natur, Früchte