Theodor Fontane

Effi Briest


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Aussteuer einkaufen, war mir, als ob du nach dem einen oder anderen noch ein ganz besonderes Verlangen gehabt hättest.

      EFFI Nichts, Mama.

      LUISE Wirklich nichts?

      EFFI Nein, wirklich nichts... Wenn es aber doch am Ende was sein sollte...

      LUISE Nun...

      EFFI ...so müsste es ein japanischer Bettschirm sein, schwarz und goldene Vögel darauf, alle mit einem langen Kranichschnabel... Und dann vielleicht noch eine Ampel für unser Schlafzimmer, mit rotem Schein.

      Schweigen

      EFFI Mama, du siehst aus, als ob ich etwas besonders Unpassendes gesagt hätte.

      LUISE Nein, Effi, nichts Unpassendes. Du bist eine phantastische kleine Person, malst dir mit Vorliebe Zukunftsbilder aus, und je farbenreicher sie sind, desto schöner und begehrlicher erscheinen sie dir. Ich sah das so recht, als wir mit deinem Vetter Dagobert in Berlin deine Aussteuer kauften. Und nun denkst du dir's ganz wundervoll, einen Bettschirm mit allerhand fabelhaftem Getier zu haben, alles im Halblicht einer roten Ampel. Es kommt dir vor wie ein Märchen, und du möchtest eine Prinzessin sein.

      EFFI Ja, Mama, so bin ich.

      LUISE Ja, so bist du. Ich weiß es wohl. Aber wenn du nun nach Kessin kommst, einem kleinen Ort, wo nachts kaum eine Laterne brennt, so lacht man über dergleichen.

      EFFI Ich hatte es mir so schön und poetisch gedacht, alles in einem roten Schimmer zu sehen.

      LUISE Die Wirklichkeit ist anders, und oft ist es gut, dass es statt Licht und Schimmer ein Dunkel gibt.

      EFFI Ein Glück, dass es wenigstens ein Badeort ist. Dagobert, dessen Mutter und Schwester immer nach Warnemünde gehen - ich sehe doch nicht ein, warum der die nicht nach Kessin hin dirigieren sollte. Und dann kommt er natürlich mit und wohnt bei uns. Übrigens haben die Kessiner ein ziemlich großes Dampfschiff, das zweimal die Woche nach Schweden hinüberfährt. Und auf dem Schiff ist dann Ball sie haben da natürlich auch Musik, und er tanzt sehr gut...

      LUISE Wer?

      EFFI Nun, Dagobert.

      LUISE Ich dachte, du meinst Innstetten.

      VIER

      Kessin. September.

      INNSTETTEN Ich juble, wenn ich denke, dass ich in vier Wochen schon mit Dir von der Piazzetta aus nach dem Lido fahre oder nach Murano hin, wo sie Glasperlen machen und schönen Schmuck. Und der schönste sei für Dich. Unterdessen wird es hier in Kessin immer einsamer und stiller. Der letzte Badegast ist gestern abgereist; er badete zuletzt bei neun Grad, und die Badewärter waren immer froh, wenn er wieder heil heraus war. Denn sie fürchteten einen Schlaganfall, was dann das Bad in Misskredit bringt. Als ob die Wellen hier schlimmer wären als woanders. Viele Grüße den Eltern und den zärtlichsten Kuss Dir von Deinem Geert.

      FÜNF

      Hohen-Cremmen. Anfang Oktober.

      LUISE Wünschtest du, dass er zärtlicher wäre, vielleicht überschwenglich zärtlich?

      EFFI Nein, nein, Mama. Wahrhaftig nicht, das wünsche ich nicht. Da ist es doch besser so.

      LUISE Da ist es doch besser so. Wie das nun wieder klingt. Du bist so sonderbar. Hast du was auf dem Herzen? Noch ist es Zeit. Liebst du Geert nicht?

      EFFI Ich liebe Hulda. Ich liebe den alten Pastor Niemeyer. Und dass ich euch liebe, davon spreche ich gar nicht erst. Ich liebe alle, die es gut mit mir meinen und gütig gegen mich sind und mich verwöhnen. Und Geert wird mich ja wohl auch verwöhnen. Natürlich auf seine Art. Er will mir ja schon Schmuck schenken in Venedig. Er hat keine Ahnung davon, dass ich mir nichts aus Schmuck mache.

      HULDA Effi, komm!

      Effi springt auf die Schaukel.

      EFFI Ich klettere lieber, und ich schaukle lieber, und am liebsten immer in der Furcht, dass es irgendwo reißen oder brechen könnte.

      LUISE Und liebst du vielleicht auch deinen Vetter Briest?

      EFFI Ja, sehr.

      LUISE Und hättest du Vetter Briest heiraten mögen?

      EFFI Heiraten? Er ist ja noch ein halber Junge. Geert ist ein Mann, ein schöner Mann, ein Mann, mit dem ich Staat machen kann und aus dem was wird in der Welt.

      LUISE Du hast noch was auf der Seele.

      EFFI Vielleicht.

      LUISE Sprich.

      EFFI Pastor Niemeyer sagte neulich: Ja, der Baron! Das ist ein Mann von Prinzipien.

      LUISE Das ist er auch, Effi.

      EFFI Gewiss. Und ich glaube, Niemeyer sagte nachher sogar, er sei auch ein Mann von Grundsätzen. Und ich... ich habe keine. Mama, da liegt etwas, was mich quält… Er ist so lieb und gut, aber... Ich fürchte mich vor ihm. Ach, Mama. Ich bin hier immer glücklich gewesen, so glücklich.

      SECHS

      Hohen-Cremmen. 8. Oktober. Wenige Tage nach der Hochzeit.

      BRIEST liest „Vicenza muss man sehen wegen des Palladio. Geert sagte mir, dass in ihm alles Moderne wurzelt.“

      LUISE nimmt den Brief Das schreibt unsere Effi! „Und dabei ist er engelsgut gegen mich und gar nicht überheblich und auch gar nicht alt. Ich habe noch immer das Ziehen in den Füßen, und das Nachschlagen und das lange Stehen vor den Bildern strengt mich an. Aber es muss ja sein. Ich freue mich sehr auf Venedig. Da bleiben wir fünf Tage, ja vielleicht eine ganze Woche. Geert hat mir schon von den Tauben auf dem Markusplatz vorgeschwärmt, und dass man sich da Tüten mit Erbsen kauft und dann die schönen Tiere damit füttert. Ach, ich gäbe was drum, wenn ich mit Euch auf unserem Hof auf einer Wagendeichsel sitzen und unsere Tauben füttern könnte. Die Pfauentaube mit dem starken Kropf dürft ihr aber nicht schlachten, die will ich noch wiedersehen.“ Sie hat Sehnsucht.

      BRIEST Ja. Diese verwünschte Reiserei...

      LUISE Warum sagst du das jetzt? Du hättest es ja hindern können. Aber das ist so deine Art, hinterher den Weisen zu spielen. Wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, decken die Ratsherren den Brunnen zu.

      BRIEST Ach komm mir nicht mit solchen Geschichten. Seit dem 3. Oktober ist unsere Effi Baronin Innstetten. Und wenn ihr Mann, unser Herr Schwiegersohn, eine Hochzeitsreise machen und bei der Gelegenheit jede Galerie neu katalogisieren will, so kann ich ihn daran nicht hindern. Das ist eben das, was man sich verheiraten nennt.

      LUISE Also jetzt gibst du das zu. Mir gegenüber hast du's immer bestritten...

      BRIEST ...wozu das jetzt...

      LUISE ...immer bestritten, dass die Frau in einer Zwangslage sei.

      BRIEST Das ist wirklich ein zu weites Feld. Im Übrigen, was wollen wir von uns sprechen, die wir nicht einmal eine Hochzeitsreise gemacht haben. Dein Vater war dagegen. Aber Effi macht nun eine Hochzeitsreise. Beneidenswert.

      LUISE „Ach, es ist so schön hier. Es soll auch das Schönste sein. Eure glückliche, aber etwas müde Effi.“

      BRIEST Innstetten ist ein vorzüglicher Kerl, aber er ist so etwas von einem Kunstfex und Effi, Gott, unsere arme Effi, ist ein Naturkind. Ich fürchte, dass er sie mit seinem Kunstenthusiasmus zu Tode quälen wird.