nicht?“ fragen wir. „Doch, hier sind eine Menge Skifahrer zu Gast. Die nehmen alle morgens den Zug und fahren eine Station bis Riksgränsen, da liegt jede Menge Schnee. Hier ist das Übernachten billiger!“ Übermorgen werden wir in die Richtung fahren, ich bin mal gespannt auf die Berge. Dann ist es Zeit, zu Bett zu gehen. Ich habe noch zwei Dosen Bier aus Hamburg dabei, hier in Schweden ist Alkohol ja sündhaft teuer, damit ist unser Vorrat aber auch aufgebraucht. „Gute Nacht“, wünsche ich, und wenig später bin ich eingeschlafen. Gegen ein Uhr wache ich auf und blicke aus dem Fenster. Es ist ein bisschen dämmerig, aber immer noch hell. So richtig dunkel wird es hier in dieser Jahreszeit nicht mehr, und die Mitternachtssonne kann man, so sie denn scheint, vom 12.6. bis zum 4.7. sehen. Im Winter ist es dann dafür durchgehend Nacht. Warum ist das so? Weil die Erdachse gegen die Sonne etwas geneigt ist. Ich stehe am Fenster und hebe meine linke, zur Faust geballte Hand. Das ist die Sonne. Sie strahlt ihr Licht auf die etwas tiefer gelegene rechte Hand, die ich auch zur Faust balle. Jetzt strecke ich ihren Zeigefinger senkrecht in die Höhe. Das ist die Erdachse. Und die kippe ich ein Stück zur Sonne. Die Fingerspitze ist der Nordpol und der Daumen, das ist ungefähr Abisko. Weiter unten Richtung Handwurzel findet man den Äquator. Alles klar? Wenn man die Sonnenstrahlen der linken Hand betrachtet, beleuchten sie Abisko und auch die innere Hälfte des Äquators. Seine äußere Hälfte allerdings liegt im Schatten, da ist es Nacht. Ich drehe meine rechte Hand um sich selbst, was nur ein Stück weit geht. Immerhin: Durch die schräge Haltung des Zeigefingers bleibt Abisko in der Sonne, während die helle Äquatorseite ins Dunkle gerät. Das ist der Tag- und Nachtrhythmus. Nun drehe ich die Erde um die Sonne – ich muss einen Schritt vom Fenster zurücktreten, sonst trifft die Erde auf das Fensterglas – das geht halbwegs, mit einem gewissen Knoten in den Armen, wichtig ist, dass die Zeigefingerneigung genauso bleibt wie sie ist, und nun sieht man, dass Abisko im Winter im Schatten liegt. Das ist alles streng astronomisch erklärbar, aber doch seltsam, wenn ich mitten in der Nacht in die helle Landschaft gucke. Werner schnarcht leise vor sich hin. Ich sollte ihn wecken, das ist doch ein Erlebnis! Aber natürlich lasse ich es bleiben und lege mich selbst wieder ins Bett.
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