Claus Beese

Petri Heil, Herr Pastor


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versichert. »Aber wissen Sie, mir ist in der Kirche der liebe Gott noch nicht begegnet. Dafür treffe ich ihn draußen in der Natur ständig.«

       »Am Angelteich, wollten Sie wohl sagen«, hatte Klaaspedder ihn gerügt.

       »Ja, denn dort ist die Natur in ihrer ganzen Pracht und Vielfalt, Herr Pastor. Und wenn der Liebe Gott mir einen guten Fang beschert hat, so erinnere ich mich seiner Gebote und teile mit denen, die weniger haben als ich. Damit Sie mir deshalb nicht so Gram sind, Herr Pastor, erlaube ich mir, Ihnen hin und wieder auch mal einen schönen Fisch vorbeizubringen. Oder mögen Sie am Ende gar keinen Fisch?«

       »Ähem, doch, schon! Aber trotzdem, Petersen, ich kann Sie nicht recht verstehen. Allerdings bin ich mir sicher, dass Sie eines Tages zu mir in den Gottesdienst kommen werden. Das schwöre ich bei der Bibel!«

       »Bevor das passiert, Herr Pastor, werden Sie mich zum Angeln begleiten!«

       »Niemals, Petersen! Niemals!«

      »Herr Pastor, man soll nie „nie“ sagen.«

      Mit diesen Worten hatte Petersen lächelnd seinen grünen Filz vom Kopf gelupft und war davongegangen.

Bild 179937 - Dieses Bild ist aus diesem Werk.

      Klaaspedders Gemüt brodelte vor sich hin, als er die Sakristei betrat. Er und angeln, pah! Solch frevelhaftes Tun lag ihm nicht, und er dachte gar nicht daran, sich selbst zu einem mordlüsternen Wesen zu machen, dass dem lieben Gott den Tag stahl, nur um seine niederen Instinkte zu befriedigen. Ungeduldig erwartete er das Ende des Glockengeläuts, das die Gläubigen in die Kirche rief. Mit gesenktem Haupt schritt er an seiner Gemeinde vorbei zum Altar und sprach das Gebet. Die Begrüßung fiel ein wenig knapp und frostig aus, was ihm die ungeteilte Aufmerksamkeit der Anwesenden sicherte. Der Herr Pastor überging heute das gewohnte Sonntagssingen, und kam stattdessen gleich zur Sache. Nachdem er die Kanzel erklommen hatte, ließ er seinen Blick grimmig über die vollzählig versammelte Gemeinde schweifen. Vollzählig? Nein! Einer fehlte natürlich, und das war Peter Petersen. Vergessen war die Predigt, die er gestern fein säuberlich zu Papier gebracht hatte. Die Seiten lagen vor ihm. Doch nein, heute brauchte er kein Papier, heute würde er frei sprechen. Er erhob seine kräftige Stimme, und sie hallte wider im Kirchenschiff wie Donner, als er seiner Gemeinde im Allgemeinen und den Anglern im Besonderen den Kopf wusch.

      Die Häupter vieler gestandener Mannsbilder sanken beschämt herab, die Köpfe einiger Ehefrauen wandten sich einander zu und nickten bekräftigend.

      »Siehste, der Herr Pastor sagt das auch«, meinten einige der braven Damen und fühlten sich in ihrer ganzen Abneigung in Sachen Angelei bestätigt. Für sie stand fest, dass es nunmehr angebracht sei, ganz andere Saiten ihren Männern gegenüber aufzuziehen. Es war an der Zeit, ihnen ordentlich den Marsch zu blasen, so wie es hier der Herr Pastor gerade tat. Die so lautstark gescholtenen Petrijünger wagten kaum ihren Seelsorger anzuschauen, und aus den Augenwinkeln erkannten sie die zufriedenen Mienen Ihrer besseren Hälften. Hilfe suchend irrte ihr Blick umher, um an den Mitgliedern des Vorstands hängen zu bleiben. Warum schritt von denen keiner ein?

      Die Sorgen der Petrijünger

       Karl Brammer, seines Zeichens Bürgermeister des Dorfes und der Erste Vorsitzende des Düwelsdorfer Angelvereins, saß in seiner Bank und spürte den Blick seines Freundes Paul Happen in seinem Rücken. Verstohlen wandte er den Kopf und blickte in die verwirrt und hilflos dreinschauenden Augen des Kassenwartes. Man sah ihm an, dass er genauso wenig etwas mit dieser Predigt anzufangen wusste, wie sein Vorsitzender. Hilflos zog Brammer die Schultern hoch.

       »Brammer, du musst was unternehmen«, hörte er Happen hinter sich flüstern. »Wenn der Pastor so weitermacht, lässt mich meine Alte bald nicht mehr aus dem Haus.«

       Brammer nickte nur. Der Pfarrer fing an, sich auf die Angler einzuschießen, und das konnte auf die Dauer nicht gut gehen. Schon seit einiger Zeit war dem Vereinsoberen aufgefallen, dass sich einige Mitglieder des Angelvereines nur noch selten am Wasser oder auf den Versammlungen blicken ließen. Immer mehr brave Petrijünger duckten sich vor ihren besseren Hälften, die mit dem nächtlichen aus dem Hause schleichen ihrer Männer nicht einverstanden waren. Und der Pastor verstand es prächtig, noch mehr Wasser auf die Mühlen der holden Weiblichkeit zu gießen. Brammer hörte gar nicht mehr weiter hin, die wortgewaltige Ansprache des Geistlichen prallte an ihm ab. Sein Verstand war damit beschäftigt, nach einem vernünftigen Grund für das Verhalten des Geistlichen zu suchen. Es musste einen Auslöser für diese Moralpredigten geben. Seine Gedanken eilten davon, suchten, prüften und... fanden!

       »Petersen!«, zischte er. Natürlich, jeder wusste von dem Zwist zwischen den beiden Männern. Es durfte nicht sein, dass zwei halsstarrige Kerle derart Unfrieden im Dorf stifteten. Man musste die beiden bremsen. Happen hatte Recht, er musste eine Lösung suchen, und er würde entschlossen handeln. So kam es, dass noch am selben Abend eine Abordnung des Angelvereines, bestehend aus dem gesamten Vorstand, den sauber geharkten Kiesweg zu Petersens Haus hinaufmarschierte. Sie fanden den alten Maurermeister auf der selbst gezimmerten Bank vor dem Häuschen sitzend und genüsslich sein Feierabendpfeifchen schmauchend. Mit vor Erstaunen erhobenen Augenbrauen schaute er ihnen entgegen. Als sich seine Vereinskameraden schweigend vor ihm aufbauten, grüßte er knapp.

       »Moin?!«

      »Moin, Petersen!«

      Die Stimme des Vorsitzenden klang rau. Er suchte verzweifelt nach Worten, um dem Freund und Kameraden die missliche Lage klar zu machen. In das entstehende peinliche Schweigen räusperten sich die Vereinskameraden, stießen Brammer die Ellenbogen in die Seite und schoben ihn ein Stück aus ihrer Mitte heraus nach vorn.

       »Nu wird’s spannend«, dachte Petersen und machte sich auf einiges gefasst.

       »Petersen, du musst was unternehmen«, brach es jetzt aus Brammer hervor. »Wenn das mit dir und dem Pastor so weitergeht, können wir alle unsere Ruten bald einmotten und den Verein dichtmachen!«

       Petersen schwieg erstaunt, während Brammer und Happen ihm erzählten, wie der Herr Pastor heute von der Kanzel gewettert und sich die Ehefrauen der hiesigen Angler triumphierende Blicke zugeworfen hatten. Unerwartet wurden sie in ihrem Redefluss durch eine glockenhelle Stimme unterbrochen.

       »Guten Abend, die Herren Raubfischer! Halten Sie Ihre Versammlungen jetzt schon bei uns im Garten ab?«

      Der gutmütige Spott in Katrins Worten vertrieb für einen Augenblick die sorgenvollen Mienen der Angler. Katrin war Petersens Tochter und außerdem nicht nur bildhübsch, sondern auch noch im heiratsfähigen Alter. An diesem Abend sah sie wieder einmal hinreißend aus. Sie hatte die langen blonden Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden, wie es in den großen Städten jetzt Mode war. Eine adrette Bluse und ein duftig weiter Rock mit Blümchenmuster, der bei jedem Schritt kokett vor und zurück schwang, ließen die Männerherzen schneller schlagen. So mancher von Petersens Sportfreunden wünschte sich, nur ein paar Jährchen jünger zu sein.

       Katrin brachte ein Tablett mit Gläsern und einem Fläschchen «Seelenwärmer«, wie Petersen den klaren Schnaps zu nennen pflegte.

       »Wer viel redet, kriegt `nen trockenen Hals, und das ist ungesund«, lachte sie und stellte das Tablett ab. Mit einem fröhlichen »Prost, meine Herren!«, verschwand sie wieder im Haus, gefolgt von den verträumten Blicken der aufmarschierten Petrijünger. Erst als die Tür sich hinter ihr schloss, erwachten sie aus ihren Träumen und sahen sich nunmehr wieder mit der rauen Wirklichkeit konfrontiert. Bedächtig verteilte Petersen die Gläser und schenkte ein.

      »Auf dass er gut tut!« wünschte er.

      »Prost!«, antworteten die Männer andächtig und tranken aus.

      »Mensch, Freunde! Ist es denn wirklich so schlimm?«, fragte Petersen und schenkte erneut ein, als die wackeren Kameraden ihm auffordernd ihre leeren Gläser hinhielten.

       »Schlimm? Mannomann! Du hast ja keine Ahnung!« jammerte Happen. »Als ich vom Schoppen nach Hause kam und fragte, was es denn wohl zum Essen gäbe, keifte meine Alte mich an: „Ein wenig Geduld müssen der Herr Sportwart schon noch haben. Allerdings