Sabine Hoffelner

Vaterfreuden, Vatersorgen


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aber ihr geht nirgendwohin, wo Dio oder ich euch nicht mehr sehen können. Ihr knabbert nichts an und laßt alle Insekten in Ruhe! Habt ihr mich verstanden?“

      Mimi und Poldi nickten. Harry hatte eine kleine Spinne entdeckt, die er vorsichtig mit der Pfote ein wenig herumschubste. Alesa verlor die Geduld. Sie sprang zu ihrem Sohn und fuhr ihn scharf an.

      „Ich hab gesagt, ihr laßt die Insekten in Ruhe! Wenn du mir nicht zuhörst, bist du schneller wieder unten im Keller, als du hier heraufgelaufen bist!“

      Grummelnd und mit gesenktem Kopf ließ Harry von der Spinne ab – und war sofort von einem Grashüpfer fasziniert, der sich unvorsichtigerweise der Gruppe genähert hatte. Doch ein leises Fauchen seiner Mutter genügte, um Harrys Aufmerksamkeit – für einen Augenblick – ihr wieder zuzuwenden.

      „Ihr dürft euch hier jetzt etwas umschauen. Aber ihr bleibt in der Nähe, das heißt: Nicht weiter weg, als bis zu den Büschen dort drüben. Grundsätzlich habt ihr dieses Grundstück nicht zu verlassen, solange ihr noch nicht groß genug seid, um euch selbständig zu ernähren. Das bedeutet: Am Gartenzaun ist in jedem Fall Schluß!“

      Mit einem scharfen Blick in Harrys Richtung brannte sie diese Regel in dessen Kopf ein.

      „Nun lauft und schaut euch um.“

      Sie zwinkerte ihren Kindern zu. Schließlich wusste sie, wie aufregend das alles für sie war.

      Dio fläzte sich genüsslich ins Gras und beobachtete, wie die Katzenkinder anfangs etwas unsicher, bald jedoch schon recht mutig durch die Wiese tollten. Sie lachten, rannten und ab und zu balgten sie sich. Während ihm die Augenlider allmählich schwer wurden und er ihnen schließlich nachgab, hockte Alesa wach und aufmerksam neben ihm und verlor keines ihrer Kinder aus dem Blick.

      Nach einer Weile trommelte die Katzenmutter ihre Rasselbande wieder zusammen und beendete für heute den Ausflug in den Garten. Als sie alle zusammen wieder im Mäusezimmer angekommen waren, dauerte es nicht lange, bis die Kätzchen sich selig träumend aneinander kuschelten.

      Während der folgenden Wochen erkundeten die Katzenkinder den Garten immer genauer. Dabei behielten ihre Eltern sie stets gut im Blick. Harry war und blieb der Wagemutigste der Truppe, und Alesa und Dio mussten ihn immer wieder aus einer misslichen Lage befreien und zur Ordnung rufen. Auch heute war Harry der Grund dafür, dass Poldi dem wachsamen Blick seiner Eltern entschlüpfte.

      Während seine Eltern Harry gerade von dem Apfelbaum herunter lotsten, auf dem er sich verstiegen hatte, erkundete Poldi ein Stück entfernt den Wäscheständer, auf dem einige Kleidungsstücke des Professors im Wind flatterten.

      Poldi liebte alles, was aus Stoff war. Und er hatte eine ausgeprägte Sammel-Leidenschaft entwickelt. Seitdem sich die Katzenkinder frei im Haus des Professors bewegen durften, hatte er schon einige Socken und Handtücher in die Schlafkiste im Keller geschleppt.

      Deshalb konnte er dem einladenden Wäscheständer, nun einfach nicht widerstehen. Er setzte sich unter die frisch gewaschenen, flatternden Kleidungsstücke und beobachtete verzückt wie sie flatternden und tanzten. Hin und wieder zuckte seine rechte Pfote einem Hemdzipfel hinterher, der ihm sofort wieder entwischte. Er sprang hoch, und tatsächlich erhaschte er eine blaue Socke. Von dem Erfolg angespornt versuchte er sein Glück gleich noch an einem Schlüpfer. Wieder und wieder hüpfte und pfotelte er. Und dann schepperte es.

      Die ganze Wäsche samt Ständer klappte über ihm zusammen. Vor Schreck schrie er auf. Er war gefangen in all den Kleidungsstücken! Wild trat er mit allen Vieren, um sich wieder zu befreien. Stoff zerriss, und auf einmal sah Poldi wieder den Himmel über sich. Mit Krallen und Zähnen arbeitete er sich aus den Stoffmassen heraus. Und kaum hatte er es geschafft, hörte er auch schon das Schimpfen seiner Mutter.

      „Eiferst du jetzt deinem Bruder nach?!“, schalt Alesa ihren Sohn. „Was hast du dir dabei gedacht?“

      Nun war auch Dio herangekommen, der versöhnlichere Töne anschlug. „Ist dir etwas passiert?“

      Zerknirscht schüttelte Poldi den Kopf. Er rang nach den richtigen Worten, doch noch bevor er etwas sagen konnte, riss ein entsetzter Schrei die Aufmerksamkeit seiner Eltern an sich.

      Etwas schwebte über sie hinweg. Es war ein Habicht, und er hatte ein strampelndes weißes Fellknäuel im Schnabel – Mimi!

      Alesa sprang hoch, aber sie konnte ihre Tochter nicht erreichen. Mimi schrie und zappelte. Noch einmal setzte die Katzenmutter zu einem Sprung an. Aber es war zu spät.

      Verzweifelt suchte Alesa mit den Augen die Wiese ab.

      „Harry, Harry, wo steckst du?“

      „Hier, Mama!“, fiepte ein verängstigtes Katzenstimmchen. „Hier bin ich!“

      Dio fand seinen Sohn als Erster. Er hatte sich in den schmalen Spalt zwischen der Regentonne und dem Schuppen gezwängt. Dort steckte er nun fest. Lediglich sein Po samt Schwanz schaute heraus, während die vordere Hälfte irgendwo im Dunkel zappelte.

      „Ich hab ihn!“, rief Dio und hechtete auf das Kater-Hinterteil zu. Alesa sprintete ihm nach. Als sie sie erreichte, hatte Dio den Kleinen schon aus seiner misslichen Lage befreit.

      Alesa prüfte den Himmel, dann befahl sie ihren Söhnen: „Mitkommen!“

      Mit ein paar Sätzen hatte sie den Pflasterweg erreicht. Sie hielt vor einer kleinen Falltür an der Hauswand und schob sie auf. Als Harry und Poldi nahe genug heran waren, kommandierte sie: „Ich gehe zuerst und ihr schaut mir genau zu, wie ich es mache. Dann folgt ihr mir. Dio, du bildest den Schluß.“

      Sie hielt einen Moment inne. „Du kannst auch den anderen Weg über die Treppe nehmen.“

      Dio hatte schon einmal versucht, diesen Schleichweg zu benutzen, den Alesa aus der Zeit kannte, bevor Dio und der Professor hier eingezogen waren. Doch damals hatte ihm seine Figur in diesem schmalen Durchgang ein paar unangenehme Probleme beschert, die sie ihm jetzt ersparen wollte.

      Dio wartete, bis alle Mitglieder seiner Familie durch die Luke in das Mäusezimmer hinuntergeschlüpft waren. Dann huschte er auf seinem eigenen Weg durch den Flur in den Keller.

      Dort war Alesa schon damit beschäftigt, ihre beiden Söhne zu beruhigen. Sie leckte und streichelte sie liebevoll. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie erschöpft eingeschlafen waren.

      Als Poldi und Harry schlummerten, wandte Alesa sich Dionysos zu. „Bleib du hier unten bei den beiden. Ich werde mich auf die Suche nach Mimi machen.“

      „Glaubst du wirklich, du kannst sie finden? Wer weiß, was dieser Vogel inzwischen mit ihr angestellt hat.“ Ihm versagte die Stimme.

      „Hör auf!“

      Er schluckte schwer. „Dann helfe ich dir beim Suchen. Zu zweit finden wir sie eher, als wenn du allein gehst.“

      Alesa schüttelte den Kopf. „Jemand muß auf Poldi und Harry aufpassen.“

      „Der Professor ist doch auch da. Er wird bestimmt nach ihnen sehen.“

      „Nein, Dio, diskutiere jetzt nicht mit mir! Ich brauche dich hier bei meinen beiden Jungen, bitte!“

      Er seufzte. Sein Hals war eng. Dann nickte er. „Paß auf dich auf und komm bald zurück – mit Mimi.“

      Alesa rieb ihren Kopf an seine Seite. Dann sprang sie über den Stapel Holzscheite an der Wand zu der kleinen Luke hoch, schlüpfte hindurch und war gleich darauf verschwunden.

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