Jo Caminos

Tempus Z


Скачать книгу

mitnehmen. Das Problem ist, dass wir dann keinerlei oder nur wenig Lebensmittel und Ausrüstung mitnehmen könnten. Im Falle des Falles: Ja, wir kommen hier weg. Die Frage ist nur: Wohin soll es gehen ...?«

      »Darüber können wir später nachdenken«, mischte sich Joshua ein. »Ich denke, das Wichtigste ist, dass wir herausbekommen, wer die Malls geplündert hat. Bis jetzt ist es der große Unbekannte im Dunkeln. Wer sind sie? Wie sind sie? Danach sehen wir weiter. Wenn es eine Gang ist, werden wir abwarten müssen, wie viele es sind.« Er schwieg für einen Moment. »Gut, Candy, du und Hank geht morgen also auf Erkundung. Ich denke, wir sollten hier so viele Pfeile wie möglich für die Armbrüste und Bögen anfertigen. Schusswaffenmunition dürften wir im Jachthafen keine mehr finden, da haben wir ja schon fast alles abgegrast. Wir verhalten uns ruhig, beobachten das Ufer.« Er wandte sich an die Kinder und bat sie herzukommen, doch Huntington winkte ab. »Ich habe schon mit ihnen geredet. Sie werden uns beim Besorgen der Äste helfen und abwechselnd mit den Feldstechern das Ufer kontrollieren. Macht ihr doch, Jungs, Mädels?« Er sah zu den Kindern, die begeistert nickten und möglicherweise das ganze für ein sehr spannendes Spiel hielten. Aber wer konnte schon in ein Kind hineinsehen? Was wusste man schon davon, wie Kinder eine solche Ausnahmesituation aufnehmen und verarbeiten konnten? The Kids in Zombieland ... Klang irgendwie trashig. Huntington sah kurz zum Fenster raus. Sie werden sich anpassen, wie wir alle - es geht nicht anders ...

      Francine Morrisson und Sadie Miller sahen sich kurz an. Es war Sadie, die kurz darauf sagte: »Mary-Ann, wenn es dich nicht stört, werden Francine und ich einige Pakete mit Notrationen vorbereiten. Vielleicht müssen wir schneller von hier weg, als wir denken ...«

      Mary-Ann lächelte. »Bewegt euch in meiner bescheidenen Hütte als wärt ihr Zuhause.« Sie mochte die beiden. Was schlimmer war, sie mochte auch Hank, etwas zu sehr vielleicht. Sie hielt besser Abstand zu ihm. Zum einen war da Joshua, zum anderen war Hank verheiratet, solcherlei Komplikationen hätten gerade noch gefehlt. Auch Candy hatte Hank ganz komisch angesehen, das war Mary-Ann nicht entgangen. Schnell verdrängte sie die Gedanken.

      Joshua warf ihr einen sehr nachdenklichen Blick zu. Offensichtlich war es nicht unbemerkt geblieben, dass sie Hank einmal zu oft zu gründlich gemustert hatte. Sollte sie Joshua darauf ansprechen? Nein. Mary-Ann entschied sich dagegen. Schlafende Hunde sollte man nicht wecken. Es war ja gar nichts passiert. Und es würde auch nichts passieren, das war sie sich selber schuldig, ihrer Integrität.

      »Lässt du auch Fremde ans Steuer deiner Bell?«, riss sie die Stimme von Hank aus den Gedanken. Die Frage war an Candy gerichtet.

      »Du kannst einen Hubschrauber fliegen?«

      »Ja. Ist zwar lange her, aber ich denke, es schadet nichts, wenn du mir eine Einweisung gibst. Ich denke, ich bin noch nicht ganz eingerostet, aber besser ist besser.«

      Candy nickte. »Aber natürlich. Hast du Einsätze bei der Army geflogen?«

      Ein Schatten schien über Hanks Gesicht zu huschen. »Nein. Ich habe aus Lust und Laune privat den Schein gemacht. Früher bin ich öfters geflogen, aber irgendwann war dann keine Zeit mehr dafür.«

      »Okay. Wenn wir zurück sind, gehen wir die Kontrollen durch.«

      Hank nickte nur.

      »Er gefällt dir«, raunte Joshua, der neben Mary-Ann getreten war, ihr ins Ohr.

      Mary-Anns Wangen röteten sich wie bei einem Schulmädchen, das man bei einem verbotenen Kuss ertappt hatte.

      Joshua legte ihr die Hand auf den Arm. »Ist okay. Machen wir keine große Sache daraus. Ich finde ja auch Candy ziemlich cool. Anschauen, Appetit holen - aber nicht anfassen - oder?«

      Mary-Ann erwiderte sein Lächeln. Sie kam sich albern vor, daher sagte sie nichts.

      Candy wiederum entging nicht, dass Sadie Miller ihr einen skeptischen Blick zuwarf. Candy wusste, dass sie eine sehr attraktive Frau war. Tough, selbstsicher, unabhängig. Hank war nicht ihr Typ, vielleicht weil er selbst zu dominant war. Trotzdem hatte er was. Möglicherweise, weil er so ganz anders als ihr ermordeter Mann war. Du belügst dich selbst, sagte sie sich. Hank war sehr wohl ihr Typ - vielleicht versuchte sie sich gerade deshalb einzureden, dass sie nicht zusammenpassten.

      Edward Huntington betrachtete sehr nachdenklich die Anwesenden. Es würde zu Spannungen kommen. Zu viele attraktive Männer und Frauen in einer sterbenden Welt. Menschen, die Schutz suchten, Nähe, vielleicht Zärtlichkeit. Oder profanen Sex.

      Man war sich sympathisch, man war sich sehr schnell nähergekommen. Vielleicht zu schnell. Die Zukunft würde es zeigen. Huntington drängte die Gedanken zurück. Zuerst mussten sie herausfinden, was im Umfeld vor sich ging. Die latente Bedrohung dort draußen war wohl doch nicht das Schlechteste, sie lenkte ab, machte fokussiert auf das Morgen, den möglichen Angriff.

      Wie ich das hasse, sagte sich Huntington. Waren sie mittlerweile derart paranoid, in allem und jedem einen potenziellen Feind zu sehen? Huntington horchte in sein Inneres. Die Antwort lautete schlicht und ergreifend JA, doch es war keine Paranoia, und das war das Schlimmste daran, es war die Realität in der Zeit der Untoten. Er musste sich selbst auf andere Gedanken bringen. Er würde mit den Kindern reden.

       Deutschland

       Im Tarnkappenjet - nahe Frankfurt

      »Also entweder bin ich zu blöd, die Schalter zu bedienen und die Anzeigen richtig abzulesen - oder diese Kiste hat doch noch mehr Sprit in den Tanks, als ich angenommen habe«, sagte Jessica etwas irritiert.

      Otis war kurz eingenickt. Er rieb sich den Nacken und ächzte kurz. »Das heißt ...«

      Jessica zuckte schwach mit den Achseln. »Wir könnten theoretisch Frankfurt links liegen lassen und bis nach Port Grönland weiterfliegen. Allerdings - nur theoretisch. Mir wäre es schon lieber, wenn die Tanks aufgefüllt werden. Dieser Triebwerkstyp ist die letzte technische Neuentwicklung vor dem großen Knall. Effizient bis zum Gehtnichtmehr. Kein Auftanken in der Luft, extrem großer Aktionsradius … Leider widerspricht sich die künstliche Intelligenz immer öfter. Ich habe verschiedene Logikabfragen durchlaufen lassen. Standardtests. Vieles passt hinten und vorne nicht. Mir gefällt das nicht.«

      Otis nickte. »Mir auch nicht.« Er grinste. »Aber das ist ja nichts Neues, was die Fliegerei und die dämlichen Computer angeht. Du kennst mich ja …«

      Ein Stöhnen aus dem hinteren Bereich brachte die beiden dazu, zu Linda Carruthers zu sehen, die wieder einen Albtraum zu durchleben schien.

      »Vorhin dachte ich, sie würde sich zum Zombie verwandeln«, sagte Jessica ruhig. Sie betrachtete nachdenklich ihre Spezialpistole mit Gummigeschossen, die zur Ausrüstung des Jets gehörte. Von ihrer Position aus hätte Jessica schießen können, ohne die Zelle des Tarnkappenjets zu beschädigen.

      »Sollen wir sie wecken?«, fragte Otis unschlüssig.

      »Keine Ahnung. Solange sie schläft, macht sie nichts kaputt. Und meine medizinische Notfallausbildung habe ich nur mit Widerwillen hinter mich gebracht. War nie so mein Ding ...«

      »Meins auch nicht. Auf was für Kurse mögen die uns noch schicken, wenn es keine weiteren Einsätze gibt? Die vom Stab kommen nur noch auf blöde Gedanken …« Otis grinste.

      Plötzlich ging ein Ruck durch den Flugkörper. Er schien durchzusacken. Otis griff im Reflex nach den Gurten. Jessica, die noch angeschnallt war, schwang mit ihrem Sitz herum und sah mit stoischer Miene zu den Kontrollen.

      »Verbindung zur Basis abgebrochen. Kontakt zu Satellit ebenfalls. Übernehme manuelle Kontrolle. Autopilot fluktuiert. Versuche Neustart des Systems ...« Sie sprach mehr zu sich selbst, aber Otis war ihr dankbar dafür. Ihre Worte wirkten beruhigend. Da saß wenigstens jemand an den Kontrollen, der sich auskannte und den Vogel hoffentlich abfangen konnte.

      Erneut durchlief ein Zittern den Rumpf. Jessica hatte den Neigungswinkel geändert, und der Tarnkappenjet raste auf die Erde zu.

      Jessicas