Melody Adams

Precious


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      „Versprechen kann ich nicht, doch – ich werd’s versuchen.“

       BK583

      Verloren sah ich mich in meinem neuen Zuhause um, dann ging mein Blick zu Holly.

      „Ich weiß nicht“, sagte ich niedergeschlagen.

      „Was weißt du nicht?“, wollte Holly wissen.

      „Ich glaub nicht, dass ich schon bereit bin für – dies.“

      „Sweetie, wenn es nach dir ginge, dann wirst du nie bereit sein. Es wird Zeit für dich, am Leben teilzunehmen. Und du musst dir endlich einen Namen aussuchen. Du bist kein Experiment mehr, Sweetie. Du bist eine hübsche, junge Frau, die ihr ganzes Leben vor sich hat.“

      „Ja, im Rollstuhl“, erwiderte ich bitter.

      „Hast du eine Ahnung, wie viele Menschen im Rollstuhl sitzen? Denkst du, die haben alle keine Lust mehr am Leben?“

      Ich hasste es, wenn Holly diese Karte spielte. Ich sollte mich schuldig dafür fühlen dass ich mich aufgab, dass ich nicht so stark war wie andere in meiner Lage.

      „Jeder ist eben anders“, sagte ich verteidigend.

      „Du weißt, dass du eine gute Heilungschance mit der neuen Therapie hättest“, warf Holly ein. „Warum willst du es nicht versuchen?“

      „Monatelang eine Operation nach der anderen und Physiotherapie und all den Quatsch wenn es am Ende wahrscheinlich doch nichts bringt? – Nein danke!“

      Holly seufzte.

      „Vielleicht änderst du deine Meinung, wenn du dich hier eingelebt hast und ...“

      „Ich hab nicht vor, mich hier einzuleben“, schnitt ich ihr barsch das Wort ab. Ich war mir bewusst, dass ich mich wie eine Zicke verhielt, doch das war mir egal.

      „Nun. Ich lass dich jetzt erst einmal allein. Morgen früh um zehn ist dein nächster Termin. Dann sehen wir weiter.“

      Ich konnte es Holly nicht verübeln dass sie gehen wollte. Ich hatte ihr nicht wirklich einen Grund gegeben, zu bleiben und mir Gesellschaft zu leisten. Es war besser so. Ich war lieber allein. Ich brauchte niemanden, der mich bemitleidete.

      „Okay“, erwiderte ich mit einem Schulterzucken.

      Holly lächelte mich aufmunternd an, doch da war ein trauriger Ausdruck in ihren Augen, der gegen meinen Willen mein schlechtes Gewissen erweckte. Sie gab wirklich ihr Bestes, geduldig mit mir zu sein. Eigentlich alle mit denen ich nach meiner Befreiung in Kontakt gekommen war, hatten ihr Bestes versucht, freundlich zu mir zu sein. Mir Zeit zu geben. Alle schienen zu denken, dass Zeit alle Wunden heilte, doch das war eine Lüge. Wenn der Schaden zu groß war, dann halfen weder Zeit noch nette Worte.

      „Eine Liste mit meiner und einigen anderen Telefonnummern ist auf dem Couchtisch. Für den Fall, dass du etwas brauchst.“

      Erneut zuckte ich mit den Schultern.

      „Bis morgen“, sagte Holly und wandte sich ab.

      „Bis morgen“, erwiderte ich emotionslos und schaute zu, wie Holly das Haus verließ und die Tür hinter sich schloss.

      Für eine Weile starrte ich auf die geschlossene Tür. Dann wendete ich meinen Rollstuhl und fuhr in die Küche. Man hatte die Küche und alles andere für meine Bedürfnisse umgebaut, so dass ich alles von meinem Rollstuhl aus erreichen konnte. Noch ein Grund mehr, meine Existenz zu hassen. Ich wollte nicht, dass andere Zeit und Geld darin investieren mussten, mir das Leben einfacher zu machen.

      Ich öffnete den Kühlschrank und fand ihn zum Bersten mit Lebensmitteln und Getränken gefüllt. Doch ich war nicht an dem Essen interessiert. Noch an dem Wasser oder der Cola. Entschlossen griff ich nach der Flasche Wein in der Tür und schloss den Kühlschrank. Ich brauchte ein paar Minuten um den Weinöffner in einer der Schubladen zu finden. Mit der Flasche und dem Öffner fuhr ich zurück ins Wohnzimmer. Ich hatte mir nicht die Mühe gemacht, ein Glas zu finden. Ich würde ohnehin aus der Flasche trinken. Wenn ich die Flasche geleert hatte würde ich vielleicht in der Lage sein, schlafen zu gehen. Das war, wie ich die meiste Zeit meiner traurigen Existenz verbrachte. Schlafen. Was hatte ich schon, wofür es sich lohnen würde, wach zu bleiben? Entweder langweilte ich mich allein zu Tode oder ich wagte mich unter andere Breeds oder Menschen und musste mit dem Mitleid leben, welches jeder in meiner Umgebung zu empfinden schien. Nein, danke! Darauf konnte ich verzichten. Ich blieb lieber für mich allein.

      Nachdem ich den Wein geöffnet und auf den Couchtisch gestellt hatte, hievte ich meinen nutzlosen Körper aus dem Rollstuhl auf die Couch. Wenn ich kein Krüppel wäre, hätte ich mich sicher über mein neues Zuhause gefreut. Die Couch war super bequem und wie alle übrigen Möbelstücke hier hübsch und von offensichtlich guter Qualität. Die Wände des Wohnzimmers waren in einem freundlich hellen Gelb gestrichen und mit ein paar schönen Bildern versehen. Die Vorhänge waren weiß und gelb gestreift. Alles wirkte freundlich und heimelig. Und doch konnte es meine Laune nicht heben. Nichts würde das jemals schaffen. Wenn ich nicht so verdammt feige wäre, dann hätte ich längst meinem Dasein ein Ende bereitet.

      Mein Blick fiel auf den großen Fernseher. Holly hatte mir erklärt wie er funktionierte und eine Liste mit Kanälen lag auf dem Tisch. Doch ich hatte kein Interesse an fernsehen. Warum? Nun, zu sehen wie andere – fiktional oder nicht – ein normales oder gar aufregendes Leben führten, machte es mir nur noch deutlicher, dass ich nichts von alledem jemals haben würde. Ich würde keine Abenteuer erleben, würde nicht einmal so normale Dinge tun wie Joggen gehen oder ein Auto fahren. Und niemals würde ich einen Mann finden, der meine Einsamkeit mit mir teilte.

      Ein paar Tränen liefen meine Wangen hinab und ich wischte sie ärgerlich fort. Ich hasste mich für mein Selbstmitleid. Doch ich konnte es auch nicht verhindern. Es schien als wenn ich meine Depressionen einfach nicht abschütteln konnte. Ich war schwach. Nicht nur körperlich, sondern ganz offensichtlich auch seelisch. Schniefend griff ich nach der Weinflasche und setzte sie an, um den ersten Schluck zu nehmen.

       Drei Wochen später

      

       Holly

      „Ich mache mir wirklich Sorgen um sie“, sagte Holly seufzend. „Ich hatte solche Hoffnung, dass es ihr helfen würde, hier in der Kolonie mit all den anderen zu leben. Doch sie macht nicht einmal einen Versuch, sich mit irgendjemandem anzufreunden. Sie verkriecht sich in ihrem Bungalow und die einzigen Male das sie das Haus verlässt ist, wenn wir einen Termin haben.“

      Player zog sie an sich und presste einen Kuss auf ihren Scheitel. Seufzend kuschelte sie sich an ihren Gefährten.

      „Nun, warum nimmst du sie nicht einmal mit ins Clubhouse?“, schlug Player vor.

      Holly seufzte.

      „Ich hab sie schon unzählige Male gefragt, ob sie nicht mitkommen will, doch sie lehnt immer ab. Sie hat kein Interesse an anderen. Sie denkt, dass jeder Mitleid mit ihr hat und dass sie ohnehin nichts zu bieten hat, weil sie an den Rollstuhl gefesselt ist.“

      „Das ist doch Unsinn. Niemand bemitleidet sie. Und Freundschaft hat nichts damit zu tun, ob man herum springen kann oder im Rollstuhl sitzen muss“, erwiderte ihr Gefährte.

      „Ich weiß. Doch sie glaubt fest daran. Sie hat überhaupt kein Selbstwertgefühl.“

      „Es wäre vielleicht gut wenn sie Kontakt mit anderen Behinderten hätte. Die könnte sie nicht beschuldigen, Mitleid mit ihr zu empfinden.“

      „Wir haben aber keine anderen Behinderten hier. Und wir können schwerlich behinderte Menschen hierher verfrachten, nur um dem armen Ding Gesellschaft zu leisten.“

      „Ja, du hast recht. Schade. Ich denke, es hätte ihr wirklich geholfen.“

      Für eine Weile saßen sie zusammen auf dem Sofa und schwiegen, jeder in seine eigenen Gedanken versunken.