hinter ihrem patriarchalen Entstehungshintergrund und stellt in diesem Fall die Schöpfungsgeschichte der Priesterschrift als einen Gegensatz zur jahwistischen Schöpfungsgeschichte dar. Diese Schrift besagt, dass Mann und Frau nach dem Ebenbild Gottes geschaffen wurden (Gen 1,27). In der Interpretationsgeschichte des Urchristentums mag die Priesterschrift noch eine Rolle gespielt haben, in den darauf folgenden Jahrhunderten gewann der Sündenfall jedoch immer mehr an Bedeutung und wurde als Argument für die Unterordnung der Frau herangezogen. Ein Grund dafür mag sein, dass auch andere Stellen im Alten Testament vorzufinden sind, die ein negatives Frauenbild deutlich machen. Richter 19,22-24 stellt die Wertlosigkeit der Frauen auf eine überspitzte Art und Weise dar:
„22Während sie sich’s nun wohl sein ließen, umringten plötzlich einige Männer aus der Stadt, übles Gesindel, das Haus, schlugen an der Tür und sagten zu dem alten Mann, dem Besitzer des Hauses: Bring den Mann heraus, der in dein Haus gekommen ist; wir wollen unseren Mutwillen mit ihm treiben. 23Der Besitzer des Hauses ging zu ihnen heraus und sagte zu ihnen: Nein meine Brüder, so etwas Schlimmes dürft ihr nicht tun. Dieser Mann ist als Gast in mein Haus gekommen; darum dürft ihr keine solche Schandtat begehen. 24Da ist meine jungfräuliche Tochter und seine Nebenfrau. Sie will ich zu euch hinausbringen; ihr könnt sie euch gefügig machen und mit ihnen tun, was euch gefällt. Aber an diesen Mann dürft ihr keine solche Schandtat begehen.“
Zwar musste ein Hausherr nach den Regeln der Gastfreundschaft seinen Gast schützen, doch galt die Nebenfrau des Leviten wohl nicht als Gast. Aus dem Kontext ist festzustellen, dass es sich bei dem Hausherren und dem Leviten um Fremde handelt. Trotzdem ist der Hausherr dazu bereit, seine eigene Tochter für einen fremden Mann zu opfern. Das abgelehnte Angebot, zwei Frauen für einen Mann einzutauschen, lässt die Bedeutungslosigkeit der Frau im Alten Testament erkennen.
Aus dem Alten Testament können jedoch auch Passagen entnommen werden, die Mann und Frau gleichwertig erscheinen lassen. In den alttestamentlichen Erzählungen gibt es Frauen, die einen besonderen Zugang zu Gott haben. Miriam (2. Buch Mose 15,20) und Hulda (2. Könige 22,11-16) werden zum Beispiel als Prophetinnen bezeichnet. Sie verkünden das Wort Gottes und werden in kritischen Situationen um Rat gefragt. Eine herausragende Rolle nimmt Debora ein (Richter 4,4). Sie wird nicht nur als Prophetin bezeichnet, sondern hat auch die oberste Autorität, die es in der damaligen Zeit gab. Sie war Richterin in Israel und zu dieser Zeit unterlag die politische, rechtliche und geistliche Führung Israels den Richtern. Besonders auffällig dabei ist, dass aus dem Text hervorgeht, dass Deborah verheiratet war. Doch sie und nicht ihr Mann, wurde dazu auserwählt das Volk Gottes anzuführen.4 Über solche Texte äußert sich das Alte Testament nicht, es akzeptiert diese Frauen als Gottes Stimme. In vielen Geschichten des Alten Testaments wird zwar eine abwertende Frauenrolle beschrieben und der Frau in den meisten Fällen gehorsam gelehrt, doch können auch Frauen sich in dem Alten Testament in Füh-rungsrollen etablieren. Allerdings handelt es sich hier um von Gott ausgewählte Frauen. Diese besondere Beziehung einer Prophetin zu Gott lässt diese Frauen eine besondere Rolle in der damaligen Gesellschaft einnehmen. Die Frauen, die diese Beziehung nicht aufweisen konnten, hatten vermutlich, auch zu der Regierungszeit von Deborah, in der Gesellschaft keinen hohen Stellenwert.
Ein sehr negatives Frauenbild entstand allerdings in den letzten vorchristlichen Jahrhunderten.5 Ein besonderer Grund für die weibliche Diskriminierung lag sicherlich darin, dass die Juden zu dieser Zeit glaubten das Himmelreich werde noch zu ihren Lebzeiten eintreten. Als das Gottesreich ausblieb, mussten die Menschen davon ausgehen, etwas falsch gemacht zu haben. Da sich unter Anderem die Ansicht manifestierte, dass die Ursache für das Ausbleiben des Himmelreiches auf den Sündenfall zurückzuführen ist, wurde der Frau immer mehr Missachtung entgegengebracht. Es ging sogar soweit, dass die „Dreiheit von Frau - Sexualität - Sünde“6 aufgestellt wurde. Aufgrund solcher Auslegungen wurden Frauen gefürchtet, denn wegen ihrer erotischen Ausstrahlung war die Frau eine Gefahr für den Mann. Dem Mann wurde daher geraten Frauen zu meiden und sich keinesfalls in ein Gespräch mit ihnen verwickeln zu lassen. Selbst mit der eigenen Frau sollte der Mann so wenig wie möglich reden.7 Dies führte zu einer gesellschaftlichen Brandmarkung der Frau. Je länger der Messias ausblieb, desto weniger Akzeptanz fand die Frau in der von Männern geprägten Gesellschaft. Die beste Möglichkeit, sich von der sündigen Frau nicht verführen zu lassen, schien, sie zu unterdrücken. Sie sollte dem Willen des Mannes unterstehen, damit die leicht verführbare Frau8 nicht der Sünde verfalle. Äußerungen im Alten Testament, wie bei Jesus Sirach (2.Jh. v. Chr.) machen diese Einstellung besonders deutlich (Sir 25,24; Vgl. auch: Sir 42,11). Die Rabbis in der Zeit um Christi Geburt waren der Ansicht die Tora, das heilige Buch der Juden, lieber zu verbrennen, als sie einer Frau zum Lesen zu geben.9 Trotz der Versuche vieler Feminis-tInnen die positiven Aspekte des Alten Testaments in Bezug auf Frauen hervorzuheben, ist das Bild der „normalen“ Frau im Alten Testament ein sehr negatives. Frauen im Alten Testament können zwar eine besondere Gottesbeziehung nachweisen, und sie können auch unter dem Schutz von Gott stehen (Vgl. Sara in Gen 20,3), doch sind dies nur Ausnahmefälle gewesen und wurden daher von der damaligen patriarchalen Gesellschaft akzeptiert.
1 In dem Alten Testament wird die Vereinigung der Stämme eher kritisch als ein Zusammenlegen der israelitischen Stämme durch Unterjochung und Einbeziehung kanaanäischen Stadtstaaten in dem Gebiet um Israel beschrieben.
2 Eine Ätiologie beschreibt einen Zustand, der vorhanden ist.
3 Eine Auslegung, die historische und gesellschaftliche Aspekte der Entstehungszeit einbezieht.
4 Vgl. J. Ortberg: „Die Frau schweige?“. Holzgerlingen 2006. S. 24ff.
5 Bereits Jesus Sirach im zweiten Jahrhundert vor Christi Geburt lässt eine starke Ablehnung des weiblichen Geschlechts erkennen.
6 Vgl. H. SchÜNGEL-Straumann: „Die Frau am Anfang: Eva und die Folgen“. Lit, 1999. S. 82.
7 Vlg. H. KÜng: „Die Frau im Christentum“. München: Piper, 2005. S.14.; J. Ortberg 2006 a.a. O. S. 27.
8 Die leichte Verführbarkeit der Frau geht aus dem Sündenfall hervor.
9 Vgl. ebd., S. 27.
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