Horst Giesler

EXPAT UNPLUGGED


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      Horst Giesler

EXPAT

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      Expat unplugged

       Horst Giesler

       published by: epubli GmbH, Berlin

       www.epubli.de Copyright: © 2015 Horst Giesler ISBN 978-3-7375-7248-4 e-Book-Konvertierung: Sabine Abels www.e-book-erstellung.de Covergestaltung: Ben Butof

      Statt eines Vorworts

      Bis zum Schluss war ich unsicher. Sollte ich gehen oder doch lieber zu Hause bleiben. Die Aussicht auf einen schönen Fußballfernsehnachmittag mit reichlich kühlen Kaltgetränken und Gute-Laune-Garantie schien zu verlockend. Schließlich war es unser Torwart Klaus, der mir am Telefon mit kurzen knappen Worten klar machte, "det jeht gar net” und er den Jungs schon beibringen werde, warum ich heute nicht dabei sein könne. Ich solle mich da einmal ganz locker machen und auf sein Gefühl verlassen, zumal in seinem Horoskop stehen würde, die Pflege der eigenen Wurzeln nicht zu vernachlässigen. Also kein DFB-Pokalfinale. Stattdessen stand ich um Punkt halb vier in der Sturmiusstraße 24.

      Die Sturmiusstraße kannte ich früher in und auswendig. Auch an diesem Tag kam mir alles sehr vertraut vor. Der Metzgerladen, die kleine italienische Eisdiele mit Café, selbst der Zigarettenautomat klebte noch an der Hauswand. Vor fast 5 Jahren hatte ich hier mein Abitur gemacht, oder wie Opa damals sagte "gebaut”. Nicht in der Sturmiusstraße sondern in der Harry S. Truman International School, die hier ihren Haupteingang hat.

      Die erste E-Mail kam bereits vor Weihnachten von meinem alten Mathenachbarn Brian, der mittlerweile in Manchester lebt. Brian galt schon damals als der virtuose Organisator, bei dem alle Fäden zusammenliefen.

      "20 Years HST in May. I count on you. No excuses!”

      In den folgenden Wochen und Monaten entwickelte sich ein reger E-Mail-Verkehr und es stellte sich schnell heraus, dass ein Großteil der old boys and old girls das Schuljubiläum nutzen wollte, um wieder einmal nach Berlin zu kommen.

      An den Signatures am unteren Rand der E-Mails konnte ich erkennen, dass aus den meisten anscheinend richtig etwas geworden war. Neben den akademischen Titeln waren es vor allem die fantasievollen Angaben zu den Berufen, die mich mächtig beeindruckten. Wahrscheinlich war das auch ein Grund, warum mich der Gedanke nicht hatte begeistern können und ich bis zum Schluss gezögert hatte, in der Sturmiusstraße aufzulaufen. Studienreferendar für Sport und Italienisch hört sich auch nicht so prickelnd an wie "Stellvertretende Abteilungsleiterin der Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit und Beziehungsmanagement” oder "Senior Executive Education Centre Nourishment Production Assistant".

      Also, hier war ich nun und was soll ich sagen: Schön wars!

      Der gut besuchte Nachmittag und Abend war rundum gelungen und wird in die glorreiche Schulgeschichte eingehen.

      Einige waren tatsächlich nur für das Wochenende in die alte Reichshauptstadt gekommen und hatten dafür keine Kosten und Mühen gescheut. Nur ein kleiner Teil der Leute lebt heute noch in der BAföG-Republik und ich weiß nicht aus wie vielen Herren Ländern und Kontinenten sie angeflogen kamen. Unglaublich!

      Mit am besten waren die Begrüßungsszenen. Umarmungen, lautes Geschrei, Küsschen rechts, links, oben, unten. Eigentlich dachte ich, ich wäre aus dem Alter schon längst raus. Aber als dann Queen Lizzy mit ihren Killer-Heels und in ihrem Mikro-Catsuit angestöckelt kam, gab auch ich alles. Es gibt Schlimmeres.

      Noch besser aber waren einige Abschiedsszenen. Obwohl sich manche viel Mühe gaben, diese nicht mehr ganz so öffentlich zu zelebrieren wie die Begrüßungen kam es zu später Stunde zu einigen erstaunlichen und originellen Verabschiedungszeremonien. Von wegen allet Jute!

      Alkohol und Hormone fegten jegliche Bedenken beiseite. Das hätte man dem einen oder der anderen gar nicht zugetraut. Wenige Stunden vorher hatten sich die honorigen Heile-Welt-Geschichten zu den Smartphone-Fotos mit ihren besseren Hälften noch perfekt angehört. Doch nun, ganz entspannt im Hier und Jetzt, kannten einige dieser Spießer kein Halten mehr und glaubten Turtel-Alarm auslösen und wilde Welt spielen zu müssen. Das hatte schon wieder Klasse. Respekt!

      Ich? Dachte schon, es interessiert niemanden.

      Ich war ganz brav. Frauentechnisch lief da gar nichts.

      Während an den anderen Tischen die gezähmten Alltagshelden mit angezogener Handbremse zu parlieren, vornehm im laktose- und glutenfreien Essen rumzustochern und an den Gläsern zu nippen begannen, herrschte am Marshall Plan Table gleich Bombenstimmung. Sehr schnell hatte sich an diesem Abend die alte Garde vom Eiscafé zusammengefunden und mit jeder Pilsette mehr wurden die Geschichten von alten Zeiten Herrlichkeiten besser und besser.

      Dabei ging es nicht nur um Anekdötchen und Pausenhofromantik von der alten Penne. Mindestens genauso interessant waren die Storys, die einige von ihren zahlreichen Aufenthalten im Ausland zum Besten gaben. Hier war ich in meinem Element. Von meinen insgesamt 15 Schuljahren (ich weiß, ich weiß …!) hatte ich so Pi mal Daumen achteinhalb im Ausland verbracht und war somit bestens qualifiziert, die Moderation an diesem Abend zu übernehmen.

      Als mir auch noch Wochen später viele dieser kuriosen Eskapaden von längst verflossenen Tagen durch den Kopf geisterten, tat ich etwas, was mir sonst nicht so leicht fällt. Ich fasste einen Entschluss.

      Die Erinnerungen an die aufregenden Jahre im Ausland und die damit verbundenen Turbulenzen und unvergesslichen Schul- und Familienmomente mussten für die Nachwelt gesichert werden.

      Auch wenn ich mich bis heute nicht zu dem Global Player entwickelt habe, wie es mein größter Förderer und Cheerleader, Opa Herbert, bei meiner Geburt prophezeit hatte, waren die Jahre prägend und haben nicht nur bei mir bleibende Spuren hinterlassen. Irgendjemand musste diese Episode unserer illustren Familien-Chronik festhalten. So empfand ich das und die Nachwehen des Abends in der Sturmiusstraße machten mir klar, dass es höchste Zeit war, damit anzufangen.

      Als angehender Hochleistungs-Pädagoge wusste ich, die nächsten Ferien kommen bestimmt. Diesmal kein Billigflug nach Malle mit den Ballartisten des FC Glasvoll Rangers sondern mit Laptop und Früchtebecher ins Eiscafé La Gondola in die Sturmiusstraße (Genau … wegen der Inspiration!).

      Das war zumindest Plan A.

      Plan B war dann doch etwas leicht modifiziert. Hatten die Jungs noch Verständnis gezeigt für mein Fernbleiben beim Pokalfinale, hielten sie meine Pläne für die Sommerferien nun für "völlig daneben”. Naja, und meinen hart erkämpften Stammplatz wollte ich nun auch nicht leichtfertig aufs Spiel setzen und deshalb hat es halt ein bisschen länger gedauert.

      Divirta-se! Buon divertimento! Enjoy! Viel Spaß!

      Die Familie Zimmermann-Piero – Gelebte Völkerverständigung

      Eigentlich hätte ich es ahnen können, dass wieder etwas in der Luft lag. Das gelbe Ronaldinho-Trikot der brasilianischen Nationalmannschaft, das mir Papa damals mitten im Januar schenkte, passte so gar nicht in unseren familiären Geschenkerhythmus (Geburtstage, Weihnachten, Besuche bei Omas und Opas). Gewohnt war ich, dass ich im Juni zum Geburtstag immer die neueste Ausgabe des Trikots der Italiener bekam, was besonders in Jahren einer Fußballweltmeisterschaft oder Europameisterschaft immer gut kam. Naja, jedenfalls solange bis die deutsch-italienische Freundschaft in den meisten Turnieren am Ende oft einem harten Test unterzogen wurde.

      Aber Januar, Brasilien … Obacht!

      Knapp zwei Wochen später war klar, woher der Wind wehte. Nach dem Abendessen und Papas tiramisu alla paesana zum Nachtisch füllte der Chefkoch der Familie zwei Riedel-Weingläser mit seinem Lieblings-Roten Tignanello, bat mich und meine Schwester Chiara an den Küchentisch und verkündete geheimnisvoll, dass Mamma uns etwas mitteilen müsse.

      Die Situation erinnerte mich stark an einen Abend ein paar Jahre früher, als uns unsere Mutter ebenfalls mit ein paar Neuigkeiten überraschte. Damals hatte sie und angeblich auch