Grundlage des neu entstehenden iranischen Nationalbewusstseins. Neuausgaben wurden gedruckt und zu für jedermann erschwinglichen Preisen verkauft, sodass bald in jedem iranischen Haushalt ein Exemplar des Schahname zu finden war. 1934 wurde auf dem Grab Ferdosis in Tus ein Mausoleum und eine weitläufige Grabanlage errichtet und feierlich durch Reza Schah eingeweiht. Unter seinem Sohn Mohammad Reza Schah wurde 1975 ein jährlich stattfindendes Festival zu Ehren Ferdosis gemeinsam mit einem zeitgleich stattfindenden wissenschaftlichen Kongress ins Leben gerufen. Moderne Aufführungen des Schahname sowie die Präsentation neuester wissenschaftlicher Forschungsergebnisse zur Rezeptionsgeschichte des Schahname waren in Tus zu sehen.
Diese Tradition wurde mit der islamischen Revolution unterbrochen. An die Stelle des Tus-Festivals sind, zumindest was die weitere Erforschung des Schahname betrifft, Projekte an Universitäten in den USA und Großbritannien getreten. Unter den deutschsprachigen Schahname-Ausgaben bleibt Rückert nach wie vor das Maß aller Dinge. Aus diesem Grund soll sein Text in einer modernen Neuausgabe den interessierten Lesern zugänglich gemacht werden. Auch heute gilt noch immer: Wer Iran und die Weltsicht der Iraner kennenlernen möchte, sollte das Schahname zumindest auszugsweise gelesen haben und seine Helden und Sagen kennen.
Der vorliegende erste Band führt in das mythische Zeitalter ein. Mit Gajumarth, Hoscheng, Tahmurath, Dschemschid, Dhohhak und Feridun wird das Entstehen der menschlichen Zivilisation geschildert. Aus Jägern und Sammlern werden Ackerbauern und Viehzüchter, aus Metall werden Werkzeuge und Waffen geschmiedet, Religion und religiöse Feste werden begründet. Danach folgt die Einführung der Schrift. Die Kunst des Webens und des Teppichknüpfens wird entwickelt und aus gewebten Stoffen wird Kleidung geschneidert. Gebrannte Ziegel bilden die Grundlage des Hausbaus und die Heilkunst entwickelt sich. Schah Dschemschid führt die Arbeitsteilung ein. Er unterteilt die Gesellschaft in vier Bereiche: Verteidigung, Religion, Landwirtschaft und Handwerk. Jeder Bereich hat seinen eigenen Berufsstand mit Soldaten, Priestern, Bauern und Handwerkern. Zum Frühlingsbeginn führt Dschemschid das Neujahrsfest Nouruz ein, das bis heute das wichtigste säkulare Fest im iranischen Kulturraum geblieben ist.
Die vier ersten Schahs sind mit den Grundlagen der menschlichen Zivilisation verbunden. Selbst das Böse, repräsentiert von Ahriman, ist besiegt. Doch dieses Paradies ist nicht von Dauer. Schah Dschemschid will nicht nur „Weltherr“, sondern „Weltschöpfer“ sein, ein Platz, der nur Gott zukommt. Angesichts dieses Hochmuts wendet sich die Bevölkerung von dem Iraner Dschemschid ab und dem Araber Dhohhak zu, ohne zu ahnen, dass die Iraner damit ihrem eigenen politischen und moralischen Untergang entgegengehen. Feridun kämpft gegen die arabische Fremdherrschaft und besiegt am Ende Dhohhak. Als Schah herrscht Feridun über eine prosperierende Welt. Im Rahmen der Erbfolge teilt Feridun die persischsprachige Welt in drei Königreiche auf und übergibt sie an seine drei Söhne. Der jüngste Sohn erhält Iran, was bei den älteren Brüdern zu Neid und Streit führt. Der Bruderstreit endet im Brudermord. Feridun entsendet seinen Urenkel Minotschihr, seinen Großvater zu rächen. Nach dem Tod der Brudermörder stirbt Feridun verbittert. Sein Urenkel Minotschihr wird sein Nachfolger auf dem Thron.
Wolfgang von Keitz
Inhalt Band 1
I. Gajumarth 17
Sijamek wird vom Dewen erlegt 22
Hoscheng und Gajumarth ziehen gegen den schwarzen Dewen 24
II. Hoscheng 27
Einsetzen des Festes der Feuer 29
III. Tahmurath 33
IV. Dschemschid 37
Geschichte von Mirdas, dem Araber, Dhohhaks Vater 44
Iblis Küchenmeister (des Teufels Küche) 48
Untergang Dschemschieds 51
V. Dhohhak 55
Dhohhak sieht den Feridun im Traum 58
Feriduns Geburt 63
Feridun fragt die Mutter nach seinem Stamm 67
Aventüre Dhohhaks mit Kawe, dem Schmied 69
Feridun zieht zum Kampf gegen Dhohhak 76
Feridun sieht Dschemschids Töchter 81
Aventüre Feriduns mit Dhohhaks Hausverwalter 84
Feridun bindet den Dhohhak 87
VI. Feridun 95
Feriduns Thronbesteigung 96
Feridun sendet Dschendil auf Brautschau für seine Söhne 99
Der Schah von Jemen gibt dem Gesandten Antwort 105
Feriduns Söhne beim Schah von Jemen 109
König Zipress zaubert gegen die Söhne Feriduns 110
Feridun prüft seine Söhne 113
Feridun teilt die Welt unter seinen Söhnen auf 118
Selm wider den Iredsch 119
Botschaft von Selm und Tur an Feridun 121
Feridun antwortet den Söhnen 124
Feridun bespricht sich mit Iredsch 126
Iredsch geht zu den Brüdern 129
Iredsch wird von den Brüdern getötet 131
Feridun erfährt Iredsch Ermordung 135
Iredsch Tochter wird geboren 138
Minotschihr wird geboren 139
Selm und Tur erfahren von Minotschihr 142
Der Söhne Botschaft an Feridun 145
Feriduns Antwort an seine Söhne 146
Feridun sendet Minotschihr zum Kampfe gegen Selm und Tur 152
Minotschihr greift Turs Heer an 157
Tur von Minotschihr erlegt 159
Siegesbericht Minotschihrs an Feridun 161
Karen nimmt die Alanenburg ein 163
Kaku, Dhohhaks Enkel 167
Selm flieht und wird von Minotschihr erlegt 169
Selms Haupt an Feridun gesendet 172
Feriduns Tod 175
I. Gajumarth
Gajumarth – Erster Schah Irans{3}
Sijamek – Gajumarths Sohn
Ahriman – „Zerstörer“, Widersacher des Schahs.
Dew – Dämon, im Gefolge Ahrimans.
Seros ch—Himmelsbote.
Hoscheng- Sijameks Sohn.
Wie hebt der wortkundige Landwirt{4} an:
Zuerst wer die Krone der Welt gewann?
Wer setzte sich auf das Diadem?
Weiß niemand mehr zu erzählen von dem?
Vielleicht hat’s vom Vater gehört der Sohn,
Und gibt dir der Reihe nach Kunde davon:
Wer erst den Namen der Herrschaft erkor,
Und all jenen Mächtigen schritt zuvor?
Der Forscher in dem Altertumsbuch,
Der von den Helden kund tut den Spruch,
Sagt so, dass der Kron‘ und des Thrones Art
Gajumarth gründet‘ und Herrscher ward.
Als auf zum Widder die Sonne{5} ging,
Glanzherrlichkeit die Welt umfing,
So aus dem Widder ergoss sich ihr Strahl,
Dass