Elisa Scheer

Tote Gäste


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      Alles frei erfunden!

      Eventuelle Ähnlichkeiten und Namensgleichheiten mit real existierenden Personen, Firmen usw. sind purer Zufall.

      Imprint

       Tote Gäste. Kriminalroman

      Elisa Scheer

       published by: epubli GmbH, Berlin

      www.epubli.de

       Copyright: © 2015 Elisa Scheer

       ISBN 978-3-7375-6257-7

      Countdown: minus drei Wochen

      Ich hasse Hochzeiten.

      Wirklich, das ist nicht diese Saure-Trauben-Philosophie von Frauen, die das Gleiche behaupten und sich dann zu gewaltigen Hochzeitsfans entwickeln, sobald es um sie selbst geht. Ich finde Hochzeiten wirklich blöd.

      Ganz ernsthaft.

      Ich meine, da treffen sich zwei Familien, als ob eine alleine nicht schon furchtbar genug wäre, alle in pastellfarbenen Fummeln und albernen Hüten, um sich anzugucken, wie zwei Leute ein bescheuertes Ritual vollziehen – bloß um sich im Durchschnitt vier Jahre später unter großen Kosten und viel Gezänk wieder zu trennen.

      ***

      Leider war der Lieblingsfilm meiner Schwester Carla Vier Hochzeiten und ein Todesfall, aber die Ironie darin war ihr nie aufgegangen – sie wollte genauso heiraten wie die Leute im Film. Sie würde wie ein Sahnebaiser aussehen und mir kam wohl die Rolle der Fiona zu, der leicht verbitterten Beobachterin am Rande, die vergeblich in den Helden verliebt ist.

      Ich sah mich schon, in düsterem Schwarz, einen Drink in der Hand, unauffällig nach jemandem schmachten, der mich nicht wollte. Nein, Carla hatte mir Schwarz schon verboten, und ich schmachtete zwar wirklich vergeblich nach jemandem, der mich nicht wollte, aber der würde nicht auf der Hochzeit sein, weil Carla ihn überhaupt nicht kannte. Sie hatte ja schon gemeint, die Leute lernten ihre künftigen Partner gerne auf Hochzeiten kennen (auch das hatte sie aus dem Film), und ob ich nicht auch endlich mal...?

      Cora, unsere Jüngste, war eher der Ansicht, dass Hochzeiten auf normale Menschen abschreckend wirken, aber damit gelang es ihr nur, Carla zu beleidigen – was zurzeit nicht allzu schwer war, da Carla fürchterlich nervös war. Schließlich musste ja „alles“ klappen!

      Scheißhochzeit. Noch zwanzig Tage bis zum Wochenende des Schreckens.

      Das kam ja noch dazu, dass Carla und ihr Paul nicht wie normale Leute heiraten konnten, schnell aufs Standesamt und am Samstagnachmittag in die Kirche um die Ecke, dann ein nettes Essen und die Sache war ausgestanden – nein: An Himmelfahrt würden wir anreisen, und dann sollte es dreieinhalb Tage Festivitäten geben. Kein Kronprinz betrieb solchen Aufwand!

      Das war übrigens Carla zweite Inspirationsquelle – etwa um die gleiche Zeit wie sie würden zwei Prinzen heiraten (welche, hatte ich schon wieder vergessen, ich kannte bloß Prinz Charles, und der war es nicht), und die Berichte in der Regenbogenpresse, wie das Brautkleid aussehen würde, wie sehr die künftigen Prinzessinnen weinen mussten, weil ihre Schwiegermütter gemein zu ihnen waren, was passierte, wenn sie keine Kinder oder Gott behüte nur Töchter kriegten, ob sie nicht überhaupt längst schwanger waren, was sie in ihrer Jugend so getrieben hatten, wo, wie und warum sie ihre Prinzen kennen gelernt hatten und was sonst noch keinen denkenden Menschen interessieren konnte, waren zur Zeit Carlas bevorzugte Lektüre, neben Hochzeitsratgebern natürlich.

      Carla war nicht so doof, wie es sich anhört, sie hatte BWL studiert und arbeitete in der Firma unseres Vaters, der eine kleine, aber feine Investmentfirma betrieb, komplett mit eigenem Börsenbrief und einigen sehr ausgewählten Fonds. Bevor sie und Paul beschlossen hatten, zu heiraten, las sie Wirtschaftszeitschriften, anständige Romane, Krimis und alles Mögliche, aber bestimmt nicht Herz der Frau oder ähnlichen Quark.

      Jedenfalls sollte die Hochzeit in Grafenreuth stattfinden, einem ziemlich großen – und meiner Ansicht nach auch ziemlich hässlichen – Schloss etwa zwanzig Kilometer südlich von Leisenberg.

      Die Eigentümer konnten das Schloss offenbar nur halten, indem sie es für solche Events vermieteten; es bot einen Ballsaal für den Polterabend und den Hochzeitsball, eine Schlosskapelle, einen Ratssaal für die standesamtliche Trauung (der Standesbeamte reiste zu diesem Zweck und für ein Extrasalär mit Laptop und Drucker an) und genügend Zimmer für alle Gäste. Plus eine hochmoderne Küche, in der sich die Cateringfirma austoben konnte, und Parkanlagen, in denen sich die nächsten Kundenpaare näher kommen sollten.

      Wieso Grafenreuth so heißt, ist mir ein Rätsel – die Eigentümer sind keine Grafen und waren es nie, und das Schloss ist erst um 1900 herum im damals modisch-geschmacklosen Stil erbaut worden. Ich glaube, man nennt das Neurenaissance. Gerodet wurde dort auch nichts, vorher stand dort ein kleines Landhaus aus dem frühen 19. Jahrhundert. Also ist auch –reuth ein ziemlicher Blödsinn.

      Wie diese ganze Hochzeit eben. Konnten Carla und Paul nicht heiraten, ohne uns allen damit auf die Nerven zu gehen? Seit Wochen ärgerte ich mich darüber. Papa ärgerte sich darüber, Cora ärgerte sich darüber – nur Mama hielt zu Carla und war überglücklich, dass wenigstens eine ihrer Töchter mit allen Schikanen heiratete, wenn schon die anderen gar keine Anstalten machten und der einzige Sohn eine südfranzösische Mairie vorgezogen und überhaupt niemanden eingeladen hatte.

      Carla und Mama hatten das Wohnzimmer mit Prospekten, Stoffproben, Notizzetteln, Geschenkeblöcken und sonstigem Krempel so gefüllt, dass Papa täglich später aus der Arbeit kam und sich dann sofort in sein Arbeitszimmer flüchtete. Wenn Cora oder ich dort vorbeischauten, steuerten wir auch sofort das Arbeitszimmer an – meistens vergeblich: Carla lag nach Büroschluss auf der Lauer: „Guck mal, das soll die Tischdekoration für den Polterabend werden. Wie findest du´s?“

      Wir brummelten dann „Schön“, ohne groß hinzugucken.

      „Wirklich? Jetzt schau´s dir doch richtig an. Nicht zu bunt/zu farblos/zu groß/zu klein? Passt das auch zu allem anderen?“

      Da wir keine Ahnung hatten, wie alles andere aussah, bestätigten wir alles, was Carla hören wollte, und entflohen. Zurzeit schauten wir fast täglich vorbei, um Papa eine Stütze zu sein, der von Mama und Carla systematisch in den Wahnsinn getrieben wurde. Carla wohnte sogar wieder dort, um der Tradition willen. Wenn es eine Möglichkeit gäbe, sich operativ wieder zur Jungfrau machen zu lassen, würde sie das wahrscheinlich auch in Erwägung ziehen.

      Stefan dagegen hielt sich möglichst fern und sprach von Hochzeitshysterie. Recht hatte er!

      Im Moment saß ich an meinem Schreibtisch und versuchte, mich auf die Unterlagen von zwei neu einzustellenden Ingenieuren zu konzentrieren, aber diese Hochzeitshysterie hatte mich schon so weit angesteckt, dass ich mich dabei ertappte, dass ich mal wieder überlegte, was ich an diesem teuflischen langen Wochenende anziehen sollte.

      Carla war ja schon eine liebe Schwester, trotz der momentanen Vollmeise, also hatte sie sich gewünscht, dass ich ihre Trauzeugin sein sollte. Das heißt, etwas Offizielles, Schickes fürs Standesamt bzw. den Ratssaal.

      Außerdem hatte sie Vier Hochzeiten und ein Todesfall so oft gesehen, dass sie sich nun allen Ernstes Brautjungfern einbildete - als ob das hierzulande üblich wäre! Und natürlich sollte ich eine der Brautjungfern sein, außerdem meine drei besten Freundinnen, Silke, Anette und Nina. Mein zarter Hinweis, dass keine von uns auch nur annähernd jungfräulich war (Nina kann das mit zwei Kindern sogar beweisen), wurde beiseite gewischt: „Ist doch egal! Ich will vier schöne Frauen in identischen Kleidern.“

      „Und was sollen die machen? Dumm rumstehen? Deine Schleppe zurechtzupfen?“

      „So etwa“, hatte sie, nun doch etwas verlegen, zugegeben.

      „Carla, du hast doch nicht ernsthaft eine Schleppe? Spinnst du? Hast du zu viele Adelshochzeiten im Fernsehen geguckt?“

      „Die waren doch noch gar nicht“, verteidigte sie sich. „Aber eine Schleppe gibt einfach einen ganz anderen Auftritt. Nun lass mich doch, man heiratet schließlich nur einmal im Leben, da kann man´s doch auch krachen lassen!“

      „Das kannst du doch gar nicht wissen“,