Gerhard Ebert

Glauben! Aber woran?


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dafür verantwortlich. Diesen Gewaltigen nannten die Griechen Zeus, und der war schließlich nicht nur für Gewitter zuständig und befruchtenden Regen, sondern auch für das himmlische Feuer, nämlich den Blitz, mithin überhaupt für das Licht.

      Damit war für allerhand Erscheinungen des alltäglichen Lebens im geistigen Oberstübel der Griechen ein gebührender Platz geschaffen. Wenn’s gewitterte, blitze und regnete, war das der Wille des mächtigen Naturgottes, und man musste sich drein schicken. Nun gab es offenbar Menschen, die neue, und zwar ganz menschliche Fragen stellten, nämlich zum Beispiel die, woher der Naturgott Zeus wohl gekommen sein könnte, mithin: Hatte er einen Vater? Etwas anderes konnte man sich nicht vorstellen. Da musste ein Vater her. Und er wurde gefunden, das heißt erfunden. Jedenfalls wissen wir, dass man damals den Zeus zum Sohn des Kronos machte, und den wiederum zum Sohn des Uranos.

      Wobei die Erbfolge ganz nach menschlichem Vorstellungsvermögen geregelt worden war. Zeus hat nämlich seinen Vater und dessen Gefolgsleute, die Titanen, in brutalem Kampf besiegt und in den Tartarus gestürzt. Worauf er eine neue, und zwar seine Weltordnung begründete, nämlich die Herrschaft der olympischen Götter. Zu dieser „Herrschaft“ gehörte, dass Zeus, der König und Vater der Götter, der allmächtige und allsehende Weltherrscher, der Urquell und Beschützer allen Rechts und aller Ordnung, zuständig war für wesentliche Obliegenheiten. Man betete ihn an als den Schirmherrn des Hauses, den Beschützer der Stadt, der Rats-und Volksversammlung, den Wächter des Eides, den Urheber aller Freundschaft, den Beschirmer und Rächer der Fremden und Hilfesuchenden und als den Erretter und Befreier von allem Übel. Er wurde diesen Aufgaben auch deswegen gerecht, weil er gleichsam zwischen Erde und Himmel residierte, nämlich auf hohem Berg, auf dem Olymp. Nach göttlichem, also menschlich unerklärbarem Gutdünken griff er zum Wohle oder zur Ärgernis der Menschen ein. Womit die Menschen wahrscheinlich nicht immer so ganz und gar einverstanden waren. Denn in gewisser Weise entmachteten sie ihren Göttervater (Jupiter bei den Römern). Sie erfanden sich nämlich – sagen wir mal ihm zur Entlastung – zahllose weitere Götter. Die Griechen (wie übrigens auch die Römer, die Babylonier, die Ägypter, die Assyrer usw.) verfügten letztlich über eine geradezu perfekte Götter-Hierarchie.

      Für sinnliche Liebe, Schönheit und Fruchtbarkeit war Aphrodite zuständig (Römisch: Venus). Die Göttin der Fruchtbarkeit, des Ackerbaus und des Getreides hieß Demeter (Römisch: Ceres). Ares war der Kriegsgott (Römisch: Mars). Artemis war die Göttin der Jagd, der Geburt und des Mondes (Römisch: Diana). Eros war der Gott der Liebe (Römisch: Amor). Apollon war der Gott der Jugend, der Heilkunst, des Lichts, der Weissagung, der Dichtkunst und der Musik (Römisch: Apollo). Athene war die Göttin der Weisheit, der Künste, des Handwerks und des Krieges (Römisch: Minerva). Kronos war der Gott des Ackerbaus (Römisch: Saturn). Hermes war der Gott des Marktes und des Handels sowie der Diebe, zugleich war er Schutzpatron der Wissenschaft und der Erfindung. Und er fungierte als Götterbote (Römisch: Merkur). Dionysos war der Gott des Weines und der Ekstase (Römisch: Bacchus). Asklepios war der Gott der Heilkunst (Römisch: Aesculapius). Hades war der Gott der Unterwelt und des Reichtums (Römisch: Pluto).

      Für nahezu jede Angelegenheit des Daseins also war ein Gott beziehungsweise eine Göttin zuständig. Für die Rache übrigens - das sei noch erwähnt - war sogar die Mehrzahl nötig, nämlich Göttinnen, Erinyen genannt. Die Römer nannten sie Furiae, die Rasenden. Womit fast ein Stichwort gefallen ist. Raserei! Es herrschte nämlich durchaus nicht eitel Sonnenschein bei den Göttern, im Gegenteil, sie lagen sich andauernd in den Haaren. Ganz wie auf Erden üblich. Da gab es zum Beispiel die Giganten, die Zeus‘ Weltordnung stürzen wollten, und die Zeus mit Hilfe seines Sohnes Herakles, dem Ideal männlicher Tugend, besiegte.

      Auch die Germanen, jener große Volksstamm in den späteren deutschen Landen, hatten ihre Götter. Offenbar war ihnen – in frühester Zeit - die Fruchtbarkeit in Heim und Feld einige Götter wert, Wanen genannt, höchst friedfertige Naturgeister. Oberster Gott dieses Göttergeschlechtes war Freyr, zuständig fürs Wetter, für Sonne und Regen und alle Pflanzen auf der Erde. Seine schöne Schwester Freyja war die Göttin der Liebe und insofern auch der Fruchtbarkeit. Es mag an ihrer Friedfertigkeit gelegen haben, dass die Wanen den kriegerischen Asen, einem jüngeren Göttergeschlecht, in einem großem Krieg unterlagen, und Freyja von ihnen als Geisel genommen wurde. Freilich war sie so schön, dass Göttervater Wodan, der Boss der Asen, sie sich zur (nicht immer treuen) Gattin nahm – auch die Asen kamen halt ohne Fruchtbarkeit nicht aus.

      In der Vorstellungswelt der Germanen wandelte sich Wodan, ihr Hauptgott, zu einem Dämon, dem sie offenbar nicht so recht über den Weg trauten. Wodan hatte gemeinsam mit seinen Brüdern den Eisriesen Ymir besiegt und die Welt und die ersten Menschen geschaffen. Nun war er nicht nur sehr alt und bärtig, er war ihnen unheimlich, weil nicht nur zuständig für Krieg und Sturm, sondern auch für die Seele und also für die Toten. Nicht genug damit. Er war auch ein wissensdurstiger, weiser Zauberer, gewann Erkenntnisse durch Qualen, die er sich zufügte. Obendrein berichteten ihn die zwei Raben Hugin und Munin, die auf seinen Schultern saßen, über alles, was sie bei ihren Flügen auf der Welt gesehen hatten. Die beiden Vögel waren gewissermaßen eine göttliche Frühform moderner Geheimdienste. Damit Wodan – sobald er informiert war - nicht in Wut und Rausch Unheil anrichtete, brachten ihm die gläubigen Germanen Opfer, zumeist Tiere, aber auch Menschen

      Ein gewisses Zutrauen hatten die Germanen zu Donar, dem mächtigen Gott des Ackerbaus und in dieser Eigenschaft verantwortlich für den Himmel. Dort löste er mit seinem von Ziegenböcken gezogenen Wagen Donner aus und mit seinem Hammer schleuderte er Blitze. Die Bauern verehrten ihn, denn er war nicht nur jung, groß und kräftig, er war auch aufrichtig und ehrlich und vor allem half er den Guten und verjagte die Bösen.

      Obwohl die Germanen ihre eigenen Götter erfunden hatten, galten sie als Heiden, jedenfalls aus Sicht der christlichen Römer. In Rom war seit 380 n.Chr. das Christentum Staatsreligion. Die Germanen nahmen, obwohl sie sich der Römer erwehrt hatten, allmählich deren Religion an. Am längsten blieben die Sachsen ihren Göttern treu. Erst nach 25jährigem blutigem Krieg 800 n.Ch. beugten sie sich den katholischen Franken. Karl der Große hatte an einem einzigen Tag 4500 Sachsen hinrichten lassen. Noch 200 Jahre vergingen, bis auch die Wikinger, die Nordgermanen (Norweger, Schweden, Isländer), langsam den Glauben an ihre ureigenen Götter verloren. Und dies nicht, weil dies sozusagen naturnotwendig gewesen wäre, sondern weil ihre Könige zu dem neuen, modernen katholischen Glauben übergewechselt waren. Da blieb den Untertanen keine Wahl. Ein Vorgang, wie er sich in der Geschichte immer wieder abgespielt hat. Dass nämlich die Obrigkeit bestimmt, woran man zu glauben hat…

      Glauben an Gott

      Verordnetes Glauben ist also uralt in der Geschichte. Da Glauben letztlich immer eine ganz persönliche Angelegenheit ist, man also nach außen hin einen Glauben demonstrieren kann, ohne ihn innerlich wirklich zu pflegen, ist das Glauben trotz gebotener Beharrung letztlich ein Prozess ständiger Veränderung, dem der einzelne Gläubige ausgeliefert ist. Solche Prozesse des Veränderns des Glaubens dauern Jahrhunderte, aber sie geschehen. Auch Könige können sie nicht aufhalten. So fand denn die Vielgötterei über die Jahrhunderte schließlich ein Ende. Mithin: Man glaubte einfach nicht mehr, dass für alle Vorgänge und jede Erscheinung im Leben irgendein besonderer Gott oder eine besondere Göttin verantwortlich sei.

      Das heißt, je weniger die Menschen beispielsweise glaubten, dass ein Gott für den Krieg zuständig ist, sondern zu wissen glaubten, dass es die Menschen selbst sind, die Kriege anzetteln, desto geringer wurden die Chancen für einen Kriegs-Gott im menschlichen Glaubens-Katalog. Über Jahrhunderte ging es auch anderen Göttern an den Kragen, denn es bestand immer weniger Bedarf, eigenes Unwissen durch den Glauben an einen Gott zu kompensieren. Schließlich blieb nur ein menschliches Problem übrig, dem mit Denken und Wissen nicht beizukommen war: der Tod.

      Wer verfügt, wann ein Mensch zu sterben hat? Irgendwer muss doch die Entscheidung treffen! Für alles, was im Leben geschieht, ist jemand oder etwas zuständig. Man mag es drehen oder wenden wie man will, die Vermutung liegt nahe, dass ein Gott für den Tod verantwortlich zeichnen könnte, zumindest ein unerklärliches nichtmenschliches Wesen mit unbeschränkter Verfügungsgewalt über die Menschen. Dieser Gott sitzt nicht mehr