mit dem Alten sprechen.“
Renate musste sich wohl den mütterlichen Anordnungen beugen. Traurig musste sie ihr recht geben; die Mutter hatte mit sicherem Instinkt heraus gefühlt, dass dieser Beruf nichts für sie war.
„Na ja“, sagte Hermann, „immer langsam. Wir machen es so: Vorläufig wird Renate zu Hause bleiben und sich auf ein richtiges Studium vorbereiten. Die Grundlagen hat sie jetzt bekommen. Wie wir das durchalten wollen, ist mir zwar noch schleierhaft, aber wir schaffen es schon. Nebenbei kann sie sicher auch was arbeiten. Komm mir nicht wieder mit dem albernen Kioskplan.“
Er stand auf, nahm sein Heft, setzte sich an den Schreibtisch und schrieb: Erstens. Die Vertreibung der etruskischen Könige.
Mittlerweile hatte sich Gertie von ihrem Schrecken erholt.
„Das ist ja eine feine Lösung“, sagte sie.
„Ja“, antwortete Hermann, „die Beste.“
Gertie sagte nichts mehr. Sie räumte das Geschirr in die Küche und Renate half ihr beim Abwaschen. An diese Möglichkeit hatte sie nicht gedacht, Nun würde sie richtig studieren können, war erlöst aus der stickigen Luft dieses Familienbetriebes. Sie ging ins Zimmer zurück. Sie wollte ihm danken, der an seinem Schreibtisch saß und sich selbst historische Rätsel aufgab. Die Feder fuhr kratzend über das Papier. Hermann schrieb eine gestochene Sütterlinschrift.
„Papa“, sagte sie. Er drehte sich lächelnd um, und sie wusste nicht weiter.
„Sieh dir das an“, sagte er, „das ist sehr interessant.“ Er wies mit der Hand auf ein Buch, das Abbildungen antiker Vasenfunde enthielt. Aber sie legte das Buch beiseite.
„Nun mach es nicht so feierlich“, sagte Hermann. „Die Zeit bei den Hirschbergs war nicht verloren, aber eine richtige Ausbildung konnten sie dir nicht geben. Es war gewissermaßen die erste Runde. Jetzt kommt die zweite.“
Renate erhielt von Frau Hirschberg ein Zeugnis:
„Renate arbeitete bei uns als Volontärin, und sie hat sich in dieser Zeit umfassende Kenntnisse in der Repassiererei angeeignet. Sie ist tüchtig und sehr fleißig und wir bedauern, in ihr eine wertvolle Mitarbeiterin zu verlieren. Sie besuchte außerdem die Abendklasse der Kunstgewerbeschule mit gutem Erfolg. Renate scheidet auf eigenen Wunsch aus unserem Unternehmen, und wir wollten ihrer Entwicklung nicht hinderlich sein. Wir wünschen ihr Glück auf ihrem ferneren Lebensweg. Firma Hirschberg, Nachfahren, seit über vierzig Jahren, Webarbeiten, Stickerei und Repassierung.“
Eine Menge Ereignisse sind unterzubringen, in dem kleinen Kopf zu verstauen und zu begreifen. Renate wird nicht zum Studium, sondern ins Pflichtjahr gehen. Sie wird ein ganzes Jahr von zu Hause weg sein. Die Mutter findet das gut, weil „die jungen Leute arbeiten lernen“. Der Vater findet es nicht gut. „Es ist Ausbeutung“, sagt er. Renate ist traurig, sie hat keine Lust auf dieses Pflichtjahr, aber sie wird doch gehen, da ist nichts zu machen, keiner kann ihr da raushelfen, nicht einmal der Vater. Danach soll sie studieren. Sie wird Werkstudentin werden. Dazu hat sie Lust, aber wer weiß, was dann wieder dazwischenkommt.
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