Honore Gabriel Riqueti De Mirabeau

Hic & Hec


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bis unten mit einem langen und angeregten Blick; ich aber senkte die Augen und errötete. Ich war wohl imstande, den lüsternen Blicken all meiner Lehrer standzuhalten, doch die einer reichen und vornehmen Frau, von der mein Schicksal abhängen sollte, machten mich schüchtern und brachten mich derart außer Fassung, dass ich es nicht beschreiben kann.

      »Was sehe ich denn da!«, sagte sie. »Sie erröten? Sollte mich Pater Natophilos getäuscht haben? Sie haben nicht nur die Züge eines jungen Mädchens, Sie sind auch so schüchtern wie ein solches. Vielleicht sind Sie am Ende sogar eines?«

      Bei diesen Worten errötete ich noch mehr.

      »Na«, fuhr sie lachend fort, »da würde ich ja meinem Sohn einen hübschen Lehrer beibringen! Dessen will ich mich doch erst einmal vergewissern.« Damit griff sie mir unter das Jabot meines Hemdes und tat so, als suchte sie an meiner Brust feststellen zu wollen, ob ich ein Mädchen wäre. Ihre Brüste, die sich fast gänzlich meinen Augen zeigten, versetzten mich in einen Zustand, der ihre Zweifel hinlänglich hätten zerstreuen können. In dieser Situation verlor ich all meine Schüchternheit, nahm ihre andere Hand und drückte sie auf den greifbaren Beweis ihres ungerechtfertigten Verdachtes.

      »Oh«, rief sie aus, »wie ich mich getäuscht habe! Sie haben aber auch ein zu hübsches Gesicht! Aber mein Irrtum ist verzeihlich; aber noch so jung … und schon einen von solcher Größe! Auf Ehre, Abbé, Sie sind ein Ungeheuer!«

      »Aber leicht zu zähmen«, erwiderte ich und kniete zu ihren Füßen. »Ich würde mein Leben für das Glück hingeben, nur Ihnen zu gefallen.«

      »Ach, mein Irrtum ist in der Tat ärgerlich. Ohne ihn lägen Sie mir nicht zu Füßen! Aber so stehen Sie doch auf … Was für eine Kühnheit!«

      »Nein, Madame, ich stehe erst dann wieder auf, wenn Sie mir Pardon gewährt haben, und ich werde ihn erhalten, wenn Sie die Macht Ihrer Reize beschauen; die Wirkung Ihrer Reize auf mich, ich muss es gestehen, ist schier unglaublich …«

      Ihre Augen hefteten sich auf meinen Außerordentlichen, dessen Hochmut dabei sichtlich noch wuchs. In den Augen einer Frau gibt es keinen so beredten Strafverteidiger als einen solchen. Ich bemerkte den Erfolg seines wortlosen Plädoyers, ergriff wiederum ihre Hand und presste sie auf den Maître.

      »Ah, Schlingel!«, rief sie aus und legte ihren anderen Arm um meinen Hals. Wie sie mein Gesicht an ihren Busen drückte, fühlte ich sogleich die Bedeutung dieses „Ah, Schlingel!«, nutzte die Gelegenheit und die günstige Stellung und wurde so sehr mit Händen und Knien tätig, dass in Sekundenschnelle alle Hindernisse aus dem Weg geräumt waren und die innigste Vereinigung meine Bemühungen krönte. Ihre Augen schmolzen halbgeschlossen dahin, ihr Atem schien unter Seufzern zu vergehen, und ihre Lippen hingen an den meinen. Von Wollust hingerissen, waren unsere Zungen viel zu sehr beschäftigt, um Worte für unsere Verzückungen zu finden; und so blieben wir einige Augenblicke restlos in jener Trunkenheit versunken, indes einen die Sinne unbeschreiblich überwältigen. Mein Erguss erfüllte meine Wünsche, ohne unsere Begierden zu entkräften, und das Haupt mit Myrten geschmückt, ruhte ich nicht eher, als bis ich einen neuen Triumph errungen hatte.

      Mein Liebesstreiter, bezaubert von seiner Niederlage und seiner hartnäckigen Tapferkeit, stürzte sich mit Eifer neuerlich ins Gefecht, das, nun weniger rasant, aber stärker genossen, uns in einen Sinnestaumel stürzte. Sobald wir aus diesem Meer von Wonne wieder aufgetaucht waren, bedeckten wir alle Reize, die wir einander durchkostet hatten, mit glühenden Küssen und kamen überein, die strikteste Diskretion gegenüber der Welt und den Domestiken über unser Verhältnis zu wahren, uns aber beim Tete-a-Tete der größten Ausgelassenheit zu überlassen.

      Jeder Tag enthüllte mir neue Reize bei meiner Eroberung, die sich mir, immer mehr gefesselt durch die Sinnenlust, mit der Zärtlichkeit einer Liebenden hingab. Da das Zimmer meines Zöglings, in dem auch ich schlief, eine Verbindungstür zu ihrem Kleidergemach besaß, so schlich ich mich des Abends, sobald alles im Schlaf lag, in ihren Alkoven, um in ihren Armen meine Liebesglut zu löschen. Noch bevor der Tag graute, kehrte ich auf demselben Weg in mein Zimmer zurück. Ohne irgendwelche Störung genossen wir die Liebe, als Monsieur de Valbouillant, der seine Geschäfte erfolgreich zu Ende geführt hatte, von seiner Reise zurückkehrte.

      Ich wurde ihm vorgestellt, aber als er mich sah, schien ich ihm reichlich jung für einen Hauslehrer. Da er das Temperament seiner Frau kannte, zweifelte er keinen Augenblick, dass sie meine Bemühungen nicht ausschließlich nur ihrem Sohn zufließen ließ. Doch war er alles andere als eifersüchtig, im Gegenteil, er hatte in Florenz Geschmack an der sokratischen Liebe gefunden, und deshalb war ich Jüngling für ihn verführerisch. Er glaubte, die Schwäche seiner Frau nutzen zu können, um sich meiner Gefälligkeit zu versichern.

      Am Abend gab er vor, unter Kopfschmerzen zu leiden, entschuldigte sich, dass er allein in seinem Zimmer schlafen wolle, und sagte zu Madame, indem er sie zärtlich in die Arme nahm, er hoffe, sie zu entschädigen, sobald diese unvorhergesehene Unpässlichkeit ihn nicht mehr quälen würde. Sie gab mir daraufhin einen Wink mit den Augen, den ich sogleich verstand. Als ich sicher war, dass er sich zurückgezogen hatte, schlüpfte ich ins Bett meiner Schönen, und wir beeilten uns, eine Gelegenheit nicht verstreichen zu lassen, die sich uns, wie wir glaubten, so bald nicht mehr bieten würde. Doch wir waren kaum beim Werkeln, als wir Valbouillant im Hemd eintreten sahen, in der Hand einen Dolch. Er riss uns die Decke vom Bett, packte mich mit der linken Hand und sagte: »Man betrügt mich nicht ungestraft, doch ich bin kein Unmensch. Trefft Eure Wahl zwischen den beiden Dolchen hier!« Mit diesen Worten hob er den, den er in der Hand hielt, und zeigte mir den, mit dem Jupiter in der Sage Ganymed den Hintern spießte.

      Mein Lebenswille ließ mir keine andere Wahl, als mich den herrschenden Umständen zu fügen. Und Madame de Valbouillant, glücklich, sich so glimpflich aus der Affäre gezogen zu sehen, hielt mich in der Stellung zurück, in der ich mich befand, und so wurde ihr Mann der meine.

      In seinem heftigsten Entzücken mit mir überschüttete er seine Frau mit Küssen und pries ihre Untreue, die ihm eine so köstliche Lust verschaffte.

      »Du verzeihst mir doch?«, fragte sie und umarmte ihn.

      »Wie kann man denn zwei so liebenswerten Missetätern böse sein? Dieser Busen«, sagte er und küsste ihn – sie hatte aber auch einen prächtigen – »und diese Zwillingshügel hier«, fügte er hinzu und strich mit der Hand über den Altar, auf dem er soeben geopfert hatte, »würden einen Tiger besänftigen. Überdies habe ich, da ich dein Temperament kenne, nicht damit gerechnet, dass du mir während meiner so langen Abwesenheit treu sein könntest. Meine Reise hat mir eine ansehnliche Erbschaft und Hörner auf dem Kopfe eingebracht. Die Erbschaft verschafft mir mehr Gewinn als die Hörner Schaden bringen. Vermeiden wir es, uns dem öffentlichen Hohngelächter auszusetzen, deshalb lasst uns diskret sein und uns bedenkenlos aller Wollust hingeben, die unser Alter und unser Vermögen uns bieten; allein dem Skandal dürfen wir uns nicht aussetzen, alles andere soll uns ein Lächeln kosten.«

      Madame de Valbouillant war entzückt über die Art, wie er ihre Untreue hinnahm, und überhäufte ihn mit Zärtlichkeiten.

      »Ach, mein Freund, deine Güte überwältigt mich! Nein, niemals im Leben möchte ich dir mehr Anlass zu irgendwelchen Vorwürfen geben! Von jetzt an verzichte ich …«

      »Halte ein und keine Schwüre! Ich würde dir sowieso kein Wort von alledem glauben. Ich erwarte lediglich Vertrauen von dir, keine Treue, Letzteres wäre wohl ein unmögliches Ansinnen. Schau dir nur unseren Abbe da an, wie er strahlt! Ich habe zwar euer Vergnügen unterbrochen, doch will ich euch desselben nicht berauben; also, Hic & Hec, nehmen Sie Ihr Werk wieder auf.«

      »Dieser Scherz scheint mir zu bitter, mein Freund, wo du doch siehst, dass ich bereue«, erwiderte Madame de Valbouillant.

      »Zu scherzen liegt mir fern«, sagte der Marquis, »denn ich habe dem Abbe das gegeben, was ich dir zugedacht habe. Und es ist nur recht und billig, dass er dich dafür entschädigt. Das Vergnügen, das du mit ihm genießt, kann meine Gefühle nicht verletzen, da es meine Zustimmung findet und meine Augen dieses Bild genießen werden.«

      Mit diesen Worten brachte er seine Frau in eine mir bequeme Position und drängte mich, ich solle