von... zwei Millionen mindestens. Da konnte man sich vorstellen, wie der alte Wiedemann den alten Wolf über den Tisch gezogen hatte, diese Parteiratte.
Wenn sie selber so billig an das Haus gekommen waren, verstand man auch, warum sie sich so schnell mit meinem bescheidenen Angebot abgefunden hatten. Aber mehr hätten sie auch nicht herausholen können...
Ab jetzt sollte ich die Briefe, die ja offensichtlich von Elsa stammten, passend zum Datum mit übertragen, beschloss ich. Aber den Sonntag wollte ich anders feiern. Ich fuhr den Rechner wieder herunter und ging spazieren, betrachtete nur Häuser und Gärten und versuchte, weder an die hässliche Vergangenheit noch an Gabis Notlage zu denken. Nur laufen und gucken...
Ich wanderte fast drei Stunden herum, von Henting bis an den Rand des Univiertels und durch das Waldburgviertel wieder zurück. Dann gönnte ich mir in Mamas Badewanne ein köstliches Schaumbad – natürlich mit ihrem Schaum – und kuschelte mich im Bademantel vor den Fernseher. Mama guckte mich sorgenvoll an, fragte aber nichts, sondern schob mir nur eine Knabbermischung vor die Nase. Sie wurde anscheinend weich! Ich futterte grinsend und gönnte mir die sonntägliche Rosamunde Pilcher – der übliche Kitsch vor schöner Landschaft, herrlich einfach. Man musste überhaupt nicht denken, das tat mir mal ganz gut.
Als ich am Montagmorgen ins Büro kam, wirkte Doris zwar sehr vergnügt und gut erholt, aber Simon saß mit grämlicher Miene in seinem Büro. „Was ist denn mit dir los? War es nicht schön zu Hause?“
„Zu Hause? Ach, du meinst in Berlin?“
„Ja – hast du dich hier so schnell akklimatisiert? Ist Berlin schon nicht mehr dein Zuhause?“
Darauf ging er nicht ein. „War ziemlich anstrengend. Ich erhole mich wohl besser hier. Hast du was gearbeitet?“
„Ein bisschen. Und eine alte Schulfreundin getroffen und das Material aus dem Keller weiter ausgewertet. Die Wiedemanns haben die Villa damals als Arisierung übernommen, spottbillig. Peinlich, was?“
„Jetzt weht dir der Wind der Geschichte ein bisschen scharf ins Gesicht, was?“
„Stimmt“, gab ich zu, „aber ich möchte einfach wissen, was aus all diesen Leuten geworden ist. Bis 1936 bin ich schon gekommen. Guck mal, so könnte der Boden in der Peutingergasse auch aussehen!“
Wir verglichen unsere Entwürfe und bastelten dann am Rechner eine Vorlage. Noch einige kurze Terminabsprachen, dann zog Simon los, um beim Pavillon nach dem Rechten zu sehen; ich schloss den Fassadenentwurf für die Peutingergasse ab und erstellte einen ersten Kostenvoranschlag.
Die Unterlagen für den Wettbewerb wurden im Lauf des Vormittags gebracht und ich studierte die Prämissen, die der Eigentümer und der Denkmalschutz zusammengestellt hatten. Wie üblich in solchen Fällen, widersprachen sie sich gegenseitig. Nun, der Eigentümer ging nicht vor, man konnte ihn mit dem Hinweis auf die Vorschriften immer zum Schweigen bringen. Natürlich hätte er gerne eine Etage mehr untergebracht – aber wie sähen denn dann die Fensterlinien aus! Freundlicherweise gaben die Unterlagen die exakten Abmessungen der Nachbarhäuser an, so konnte es nicht allzu schwer sein, die Lücke so zu füllen, dass alle drei zusammen wie ein Ensemble wirkten.
Ich setzte mich an den Rechner und begann in ArchDesign zu skizzieren und zu konstruieren. Vielleicht sollte man den Fassadenschmuck teils von links, teils von rechts übernehmen, das schuf eine optische Verbindung. Leichte Rustica im Erdgeschoss, die Geschosshöhen markiert, kein Mittelrisalit, das Haus würde dadurch nur noch schmaler wirken. Lieber die Horizontalen betonen!
Als Simon zurückkam, hatte ich schon ein erträgliches Konzept gebastelt und Doris allerlei auf den Schreibtisch gepackt. „Dann schaue ich mal zur Villa, ja?“, verkündete ich, sobald ich den von Simon mitgebrachten Hamburger verdrückt hatte, und griff nach meiner Jacke.
„Ist gut. Ich schaue mir deine Entwürfe an und denke über den Innenraum nach. Wann bist du zurück?“
Ich sah auf die Uhr. „Halb zwei... um fünf, denke ich. In Ordnung?“
Er brummte abwesend und rief schon meine Skizzen auf.
Heizungs- und Wasserrohre und Stromleitungen und die Stromleitungen machten gute Fortschritte, alle hielten sich an meine akribischen Anweisungen und hatten sich anscheinend auch an meine diktatorische Art gewöhnt. Da kam auch der Wagen der Telekom angefahren – wenn schon alle Wände offen waren, konnte man auch gleich anständige Anschlüsse für Telefone und Computer legen lassen.
Und Kabelanschlüsse in jeder Etage! Das Kabel führte ohnehin bis an die Grundstücksgrenze, aber die alte Elise hatte offenbar kein Interesse daran gehabt. Ich zeigte ihnen, wo ich die Dosen haben wollte, und ließ sie dann werkeln.
Währenddessen stieg ich im Haus herum und inspizierte die Fenster. Leider mussten sie alle raus, das Holz war schon ziemlich verrottet. Für das Dach brauchte ich eine Leiter, noch war keine da. Ja, wenn erst ein Gerüst aufgebaut wäre!
Also ging ich wieder nach draußen und versuchte, möglichst viel vom Dach zu sehen. Direkt vor dem Haus war das natürlich Blödsinn. Ich ging rückwärts, den Blick fest auf das Dach gerichtet. Bei jedem Schritt sah ich mehr fehlende Dachziegel. Noch ein Schritt, noch einer: Der Schornstein machte auch keinen Vertrauen erweckenden Eindruck mehr. Noch einer und noch – ich prallte gegen jemanden und drehte mich hastig um.
„Oh, Verzeihung. Ich sollte schauen, wo ich hinlaufe, ich wollte nur sehen, wie kaputt das Dach ist.“
„Macht doch nichts. Wissen Sie, wer hier zuständig ist?“
Er sah gut aus, dunkle Haare, helle Augen, gebräuntes Gesicht, elegante Kleidung, Aktenkoffer. Ich riss mich ungern von der Bestandsaufnahme los. „Das bin ich. Barbara Lenz.“ Ich streckte die Hand aus.
„Guten Tag. Mein Name ist Max Wolf.“
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