Thomas Karl

Die Zuckerfabrikaner


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alle anderen waren ja auch verschlossen, ich laufe doch jetzt nicht bis zu dir hoch, um dann festzustellen, das sie auch abgeschlossen ist. Das kannst du schön alleine probieren, hörst du?“.

      Doch Ben hörte nicht, denn als Timmy nach oben sah, war dieser verschwunden.

      Dem Jungen schauderte es etwas und ein eiskalter Schauer lief ihm über den Rücken. „Ben? Ben?“, rief er immer wieder leise und ging nur zögerlich die Stufen empor. Es war nichts zu hören, keine Antwort, kein Mucks.

      Als Timmy auf der obersten Ebene ankam verharrte er vor Schreck. Die Tür, ...sie war offen.

      Übervorsichtig schlich er zur ihr hin und spähte um die Ecke.

      „Buh!“, machte es plötzlich und Timmy stürzte halb zu Boden, so sehr hatte er sich erschrocken. Vor ihm stand Ben, der sich versteckt hatte und lachte sich schlapp. „Du bist so ein Idiot!“, brach es aus Tim heraus: „Ich habe mich so verjagt, ich wäre beinahe die Treppe hinunter gefallen.“

      Ben tat es zwar leid, jedoch lachte er immer noch, er fand seinen Scherz nur all zu gut. Wütend schubste Timmy ihn zur Seite und schaute sich das Zimmer an.

      Hier lag der Staub noch höher als im ganzen Rest des Turmes, trotzdem war es irgendwie schön und gemütlich. Die Fenster waren hier besonders groß und ließen dadurch, trotz des Schmutzes, noch genügend Licht herein. Man konnte alles genau erkennen. In der Mitte des Raumes stand ein alter, aber sehr stabiler Schreibtisch. Dahinter befand sich der passende Bürostuhl dazu, auch wenn dieser von Motten zerfressen und völlig dreckig war. Links an der Wand befand sich ein Sofa und ein antiker Kleiderschrank, der jedoch leider leer war. Rechts baute sich die riesige Fensterfront auf, von der aus man das ganze Zuckerfabrikgelände überblicken konnte. Alte Teppiche lagen auf dem Fußboden herum. Früher waren sie sicherlich recht teuer gewesen, heute konnte man sie kaum noch als Putzlappen benutzen, so heruntergekommen wirkten sie.

      Ben durchsuchte die Schubladen des Schreibtisches, fand aber, außer ein paar alten Büroklammern, nichts Aufregendes.

      Tim ließ sich erst einmal aufs Sofa fallen, durch sein Gewicht entwich der Staub aus den Polstern. Hustend spuckte er vor sich hin. „Igitt, ist das eklig!“. Er hatte mittlerweile genug von diesem Turm. Erst hatte ihn Ben so sehr erschreckt, dass ihm sein Herz immer noch bis zum Hals schlug und nun atmetet er womöglich auch noch den Staub aus den letzten hundert Jahren ein. Nein, ihm gefiel es hier überhaupt nicht mehr.

      Ben hingegen durchstöberte weiterhin das Zimmer. Ihn hatte das Schatzsuchfieber gepackt und er war sich sicher, dass er etwas Wertvolles finden könnte, wenn er nur lange genug danach suchen würde. Mit der allergrößten Sorgfalt und Vorsicht durchkämmte er den Raum. Den Kopf hielt er dabei immer nach unten gesenkt und suchte den Fußboden ab. Zentimeter um Zentimeter arbeitete er sich voran. Auf einmal, kurz vor der Tür, blieb er stehen. Was war das? Befand sich dort nicht eine geheime Öffnung im Holzboden? Er kniete sich nieder: „Timmy! Komm mal her, ich glaube ich habe etwas gefunden.“

      Tim Petersen lag gemütlich auf dem Sofa und hatte eigentlich gar keine Lust sich davon zu erheben. Schließlich hatte er gerade jede Menge Staub verschluckt, doch seine Neugier ließ ihm keine Ruhe. Ächzend stemmte er sich aus den tiefen Polstern empor. Kurz darauf stand er, die Hände auf den Knien gestützt, hinter seinem Freund. Beide starrten konzentriert auf die kleinen Risse, die sich dort im Boden abzeichneten.

Bild_2

      „BUH!“, machte es erneut, und beide fielen vor

      Schreck zu Boden.

      Erst jetzt bemerkten sie Kiki und Vanessa in der Tür, die sich vor Lachen kaum noch halten

      konnten.

      „Oh, ihr blöden Gänse!“, rutschte es aus Ben grimmig heraus: „Wie habt ihr uns denn hier gefunden?“.

      Kiki Meier und Vanessa Schlegel, wie sie mit vollen Namen hießen, waren beste Freundinnen. Sie wohnten ebenfalls in der alten Zuckerfabrik, jedoch nicht wie Tim und Ben in Haus Nummer 7, sondern auf der anderen Seite, in Nummer 9. Gemeinsam spielten die Kinder oft auf dem Spielplatz, wobei es alleine aus natürlichen Gründen, weil es eben Jungen und Mädchen sind, häufig zu kleinen Streitigkeiten kam. Dies bedeutete jedoch aber nicht, dass sie sich nicht mochten. Schließlich waren sie allesamt Zuckerfabrikanerkinder und das bedeutete, dass man immer zusammenhalten musste, egal was auch geschah.

      Kiki konnte sich ihr Grinsen nicht verkneifen: „Na, haben die großen, starken Jungs etwa Angst gehabt?“.

      Ben rappelte sich zornig auf und klopfte sich den Staub aus der Hose: „Nein, hatten wir nicht, wir haben nur den Fußboden kontrolliert und plötzlich hat dieser nach uns geschnappt!“. Nun lachten alle Kinder gemeinsam, weil diese Antwort nun wirklich zu blöd war.

      Vanessa, die kurz nur Vanni gerufen wurde, half Tim auf die Beine. Der Arme wurde ja nun schon zum zweiten Mal an diesem Tag erschreckt, damit war seine Geduld für diese Art von Witzen am Ende angelangt. Dies war nur allzu verständlich. Erneut sackte er auf dem Sofa nieder und musste abermals etliche Gramm Staub dabei schlucken. Seiner Laune tat er damit keinen Gefallen.

      „Wie habt ihr uns denn nun gefunden und woher wusstet ihr, dass wir im verbotenen Turm sind?“, fragte Ben nochmals nach. Vanni zuckte mit den Schultern und schaute zu Kiki hinüber. „Das war eine innere Eingebung,“ fing diese auf einmal düster an zu erzählen. Den beiden Jungen stockte der Atem. „Mein ganzer Körper hat gezittert und eine unsichtbare Hand hat mich direkt hierher gezogen.“

      Ben und Timmy konnten es kaum glauben, verwundert schauten sie sich gegenseitig an. Fast wären sie darauf herein gefallen, doch dann fielen ihnen die Gesichter der Mädchen auf, die sich das Lachen nur noch unter höchster Anstrengung verkneifen konnten. „Hahahaha!“, brach es bei den Mädchen heraus: „Ihr seid doch die zwei größten Deppen, die wir kennen!“. Ratlos schauten sich die Jungen an und zuckten nun ihrerseits mit den Schultern. „Du hast doch deinen Namen in das Fenster am Eingang geschrieben, somit haben wir uns schon denken können, dass ihr hier rein gegangen seid.“, löste Kiki das Geheimnis auf.

      Ben und Tim kamen sich nun wirklich wie die größten Idioten vor, darauf hätten sie auch selber kommen können. Jetzt waren sie schon das zweite Mal an diesem Tag von ihren Freundinnen reingelegt worden. Das roch nach Rache, doch diese wollten sie sich für später aufheben.

      Zu viert durchsuchten sie nun den Raum unter dem Dach des Turmes. Doch etwas Aufregendes oder Sonderbares blieb ihnen verborgen. Selbst die Spur im Boden stellte sich nur als ganz gewöhnliche Altersrisse des Holzes heraus. Abgeschlagen ließen sie sich auf den Möbeln nieder und überlegten, was sie mit diesem Raum in Zukunft anstellen konnten. Langsam wurde es dunkel.

      2.Wo sind meine Hände?

      Die Abendsonne leuchtete feurig rot zum Fenster hinein und verwandelte das Dachzimmer in ein romantisches Plätzchen. Die vier Kinder saßen da und langweilten sich vor sich hin. Keiner hatte auch nur die kleinste Idee, was sie mit ihrer neusten Entdeckung, dem Zimmer in dem sie saßen, anstellen konnten. Vanni schlug vor, schöne Picknicke hier zu veranstalten, doch diese Idee blockten die beiden Jungen natürlich sofort ab. Schließlich waren sie ja echte Männer, und solche, das wussten sie, würden niemals ein Picknick machen.Tim hatte da schon einen besseren Einfall und meinte, man könnte sich doch hierher verkriechen, wenn man zu Hause Stress mit den Eltern hätte. Das fanden irgendwie alle gut und so beschlossen sie, am nächsten Tag, das Dachzimmer zu reinigen und zu ihrem geheimen Versteck zu erklären. Niemand durfte auch nur ein Sterbenswörtchen zu jemanden anderen sagen. Schon gar nicht zu den Eltern.Da sich die Kinder in diesem Punkt einig waren besiegelten sie ihre Abmachung mit einem Schwur. Jeder, der etwas verriet, sollte sofort wenn er das nächste Mal aufs Klo musste, dabei vom Blitz getroffen werden, wenn er sich nicht daran hielt.

      Gut gelaunt schlichen sich die Vier aus dem Turm hinaus. Zuvor wischte Ben wieder seinen Namen aus dem Staub im Fenster, er wollte nicht, dass man sie deshalb hier fand.Den Schlüssel, der von innen steckte, nahm Ben an sich, und versperrte die Tür von außen. Mit einem fröhlichen „Gute