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Edda Blesgen
Willst Du mein Freund sein?
eine Geschichte für Kinder von etwa 8 – 12 Jahren
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Willst du mein Freund sein, Lukas?
Willst du mein Freund sein, Großvater?
Willst du mein Freund sein, Wassermann?
Willst du mein Freund sein, Klaus?
Willst du mein Freund sein, kleines Krokodil?
Willst du mein Freund sein, Prinz Jonathan?
Willst du mein Freund sein? Ja!
Willst du mein Freund sein, Lukas?
Morgens um zehn vor acht nimmt Martin seinen Schulranzen, gibt der Mutter einen Abschiedskuss und geht zur Schule. Ein paar Dutzend Buben in dem kleinen Ort am See machen es täglich genau so und niemand findet etwas Besonderes dabei, wenn sie mit ihren Taschen an den Rücken oder in den Händen daherkommen. Doch überall wo Martin auftaucht, stecken die Leute die Köpfe zusammen.
Am Seeufer unter den Lindenbäumen sind mehrere Verkaufsstände errichtet, denn heute ist Markttag. Hier muss der Junge vorbei.
„Ich glaube, er ist schon wieder gewachsen“, ruft eine Frau, die inmitten ihrer Körbe steht und Fische feilbietet, der Gemüsehändlerin zu.
„Ja, tatsächlich“, erwidert diese und schlägt die Hände über dem Kopf zusammen. „Wann wird das endlich aufhören?“ Und die Blumenverkäuferin wiegt den Kopf hin und her. „Schlimm, schlimm“, sagt sie nur.
Eigentlich müssten sie sich längst an Martins Anblick gewöhnt haben, denn er ist in ihrem Dorf zur Welt gekommen und aufgewachsen. Bei seiner Geburt sah er wie jedes Baby aus, mollig, rosig und winzig klein. Man sprach zwar in den Nachbarhäusern über ihn, aber eben nur so, wie man sich über jedes Neugeborene unterhält: „Maria hat ein Baby zur Welt gebracht, ein strammes Kerlchen.“ – „Ja, ich weiß. Vorhin war ich bei ihr, um ihr ein Lätzchen für den Kleinen zu schenken. Süß ist er, ganz der Papa, nur die Nase, die hat er von Maria.“
Wenn Martins Mutter einige Wochen später stolz den Kinderwagen über die Straße schob, blieben die Nachbarinnen stehen. „Ei, ei, ei, du, du, du“, sagten sie zu dem Baby und kitzelten es mit dem Zeigefinger am Kinn.
Doch als Martin ein halbes Jahr alt war, warfen die Frauen der jungen Mutter fragende Blicke zu. „Sag’ mal, ist er nicht ein bisschen groß für sein Alter?“
„Ja, schrecklich, er wächst so schnell. Alles wird ihm zu klein. Dauernd muss ich neue Strampelhöschen häkeln und Jäckchen stricken“, sagte sie ratlos.
Martin schoss unglaublich in die Höhe. Wenige Wochen später passte er schon nicht mehr in den Kinderwagen. Maria hatte die lästigen Fragen und neugierigen Blicke satt. Tagsüber trug sie ihr Kind in den Garten und legte es auf eine Decke. Sie setzte sich mit einer Handarbeit neben ihren Sohn. Ab und zu warf sie ihm einen Blick zu und seufzte. Dieser Junge, der schon die Größe eines Schulkindes hatte und dabei wie ein Baby plärrte und strampelte, war ihr beinahe ein wenig unheimlich. Übrigens ließen die Nachbarinnen sie auch im Garten nicht lange in Ruhe. Die eine kam, sich eine Tasse Zucker leihen, die zweite bat um ein Strickmuster, die dritte hatte Lust, ein wenig zu plaudern. In Wirklichkeit wollten sie alle den Jungen sehen.
Nein, es war zwecklos, sich vor den Nachbarinnen zu verstecken. Als Martin mit elf Monaten laufen konnte, nahm Maria ihn bei der Hand und spazierte mit ihm über die breite Lindenallee am Seeufer entlang. Beim Spielplatz setzte sie sich auf eine Bank und ihr Sohn eilte zum Sandkasten. Dabei trat er aus Versehen mit seinen großen Füßen einem kleinen Mädchen auf die Zehen. Das Kind schrie fürchterlich, die Mutter nahm es auf den Schoß, tröstete es und wischte ihm die Tränen fort. Zwischendurch warf sie Maria giftige Blicke zu. Tollpatschig stieß Martin eine Viertelstunde später einen kleinen Buben um. Er fiel auf die Sandkuchen, die er mit seinen Förmchen gebacken hatte und zerdrückte sie. Kaum sah er das, heulte er los. Da wurden die Mütter rings um den Sandkasten zornig. Gemeinsam schimpften sie über Martin.
Maria packte ihren Sohn bei der Hand und zog ihn nach Hause. Hier weinte sie eine ganze Stunde lang. Dann nahm sie Martin, der sie ängstlich und verschüchtert aus einer Zimmerecke beobachtet hatte, in die Arme, drückte und küsste ihn:
„Wenn du Geburtstag hast, backe ich eine wunderschöne Torte und lade alle Kinder aus der Nachbarschaft ein. Warte nur ab, dann werden sie mit dir spielen.“
Als Martin ein Jahr alt wurde, war er bereits so groß wie andere Kinder mit zehn. Er trug eine neue Hose und ein neues Hemd, mitten auf dem Tisch stand ein großer Kuchen mit einer Kerze drauf. Die Mutter ging in die Küche und kochte Kakao für die Nachbarskinder, die jeden Augenblick kommen sollten. Aber Martin war nicht nur so groß wie ein Schulkind, er verspürte auch Appetit wie ein zehnjähriger Junge, der den ganzen Tag Fußball gespielt hat. Nur sein Verstand war eben der eines einjährigen Jungen und darum versuchte er erst ein kleines Stück von dem Gebäck, dann brach er sich ein größeres, anschließend eine ganz große Portion heraus. Als seine Mutter mit den ersten Gästen ins Zimmer kam, leckte Martin seine Finger ab, auf dem Tisch stand nur noch eine halbe Torte.
Die Geburtstagsgäste, die sich aufs Kuchenessen gefreut hatten, bekamen jeder bloß einen winzigen Happen. Maria gab ihnen dafür umso mehr Kakao, aber die kleinen Jungen und Mädchen ärgerten sich. Und wie das so mit verdrießlichen Kindern ist, bald brach Streit aus. Einige schlugen sich sogar. Maria stand händeringend und hilflos dabei. Am Abend gingen die Gäste verheult, mit zerrauften Haaren, Kratzern, blauen Flecken und außerdem hungrig nach Hause. Da waren sich alle Nachbarinnen wieder einmal einig: „Natürlich ist dieser lange Flegel an allem schuld. Mit dem wirst du nie wieder spielen.“ So oder ähnlich sagte jede Mutter zu ihrer Tochter oder ihrem Sohn.
Martin wuchs weiter. Die kleinen Kinder wollten nichts von ihm wissen, weil er zu groß, die großen übersahen ihn einfach, weil er zu jung war. Manchmal spielte seine Mutter mit ihm, das fand Martin herrlich. Meistens beschäftigte er sich allerdings allein, bei Sonnenschein in dem kleinen Garten hinter dem Haus, bei Regenwetter saß er auf dem Küchenfußboden und betrachtete Bilderbücher. Als er zwei Jahre alt war, bekam er ein Schwesterchen und im Sommer darauf sogar noch Zwillingsschwestern dazu. „Jetzt habe ich drei Spielgefährten“, freute er sich. Doch er durfte die drei kleinen Mädchen nur von Weitem ansehen. Wollte er sie auf den Arm nehmen, ihnen das Fläschchen zum Trinken halten, beim Baden helfen, gleich hieß es: “Martin, das kannst du nicht. – Martin lass das. – Martin du bist zu groß und stark, du könntest einmal zu fest zupacken und den Mädchen weh tun.“ Der Junge schaute ratlos auf seine großen Hände und auf die winzigen, zerbrechlich scheinenden Schwesterchen.
Die Mutter hatte jetzt sehr viel Arbeit mit den Kleinen und keine Zeit mehr, mit ihm zu spielen. Sie war immerzu beschäftigt, sie ahnte nicht einmal wie einsam und unglücklich Martin sich fühlte. Der wuchs und wuchs.
Mit drei Jahren reichte er seinem verblüfften Vater bis zur Schulter, mit vier überragte er diesen um eine