Melody Adams

Raven


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stünde ich ihm wirklich gegenüber. Vielleicht hatte mein Unterbewusstsein sich das Gesicht auch einfach nur ausgedacht. Dennoch hatte ich seitdem ein ganz seltsames Gefühl, eine innere Unruhe die ich einfach nicht abschütteln konnte.

      „Wir haben Besuch“, sagte Griorr leise zu Carter. „Versuch, es dir nicht anmerken zu lassen, aber da sind mindestens acht Jinggs in den Bäumen. Sie sind Späher. Sie werden den Oggrrul über unsere Ankunft unterrichten.“

      Freedom, der ein gutes Stück hinter ihnen gegangen war, holte auf und lief neben Carter her.

      „Da sind Jinggs in den Bäumen“, flüsterte er.

      „Ich weiß. Griorr hat es mir gerade erzählt. Späher.“

      „Was machen wir?“, fragte Freedom an Griorr gerichtet.

      „Weitergehen“, erwiderte der Diamonds Gefährte ruhig.

      Er schien nicht sonderlich beunruhigt. Meine eigene Unruhe verstärkte sich. Plötzlich fielen acht Jinggs vor uns von den Bäumen. Wir stoppten. Die Gesichter der Krieger waren tätowiert. Sie standen uns mit unbeweglichen Mienen gegenüber. Zeit verstrich, ohne dass jemand etwas sagte. Dann sprach einer der Krieger. Ich verstand nicht was er gesagt hatte. Griorr antwortete ihm in seiner Sprache.

      „Was denkst du?“, fragte Freedom an Carter gerichtet. „Kann Griorr sie überzeugen, uns zu ihrem Oggrrul zu führen?“

      „Nun, sie haben uns noch nicht umgebracht“, erwiderte Carter.

      Griorr verhandelte mit den Kriegern. Sie waren alle mit Messern bewaffnet. Einige von ihnen hatten zusätzlich einen Bogen und Pfeile, die anderen Äxte. Griorr war offensichtlich fertig mit dem Gespräch und kam zu uns zurück. Seine Miene ließ nichts Gutes erahnen.

      „Was?“, wollte Freedom wissen. „Was habt ihr besprochen?“

      „Sie sind an Raven interessiert“, knurrte Griorr. „Sie sagen, dass Raven freiwillig mit ihnen als Pfand gehen soll, dann dürfen wir zum Oggrrul.“

      Mein Herz begann schneller zu klopfen. Sie wollten mich? Als Pfand? Der Gedanke gefiel mir gar nicht. Ich hatte kein Problem mit Griorr, doch ansonsten mochte ich die Jinggs nicht besonders.

      „Das können wir nicht tun“, knurrte Carter. „Wir geben keine Frau in die Hände des Feindes.“

      Die Männer murmelten zustimmend. Freedom und Griorr knurrten finster. Beide schienen sehr angespannt. Ich fragte mich was passieren würde, wenn wir nicht auf die Forderung der blauen Wilden eingingen. Wir brauchten den Frieden. Die Sicherheit meiner Leute hing offenbar von mir ab. Ein Leben für das Wohl aller.

      „Die Chancen, gegen sie in einem Kampf zu gewinnen sind durch die Tatsache dass wir unbewaffnet sind, nicht unbedingt berauschend“, gab Griorr zu bedenken.

      „Es muss eine Lösung geben, ohne einen von uns zu opfern. Wie lange haben wir Zeit, uns etwas zu überlegen?“, wollte Carter wissen.

      „Nicht lange“, knurrte Griorr.

       Ich muss es tun. Ich werde mich opfern, damit Frieden herrschen kann. Umbringen wollen die Bastarde mich wohl nicht. Wahrscheinlich ende ich als Sexsklavin. Fuck! Keine so tollen Aussichten. Doch ich muss es tun. Augen zu und durch!

      „Ich gehe!“, warf ich entschlossen.

      Ich ließ den Männern keine Zeit, auf meinen Entschluss zu reagieren sondern rannte bereits auf die wartenden Jinggs zu.

      „Raven!“, rief Carter mir hinterher. „Nein! Wir finden einen anderen Weg!“

      Doch ich hörte nicht auf ihn. Als ich bei den blauen Hurensöhnen angelangt war, fesselte einer der Krieger mir die Hände hinter dem Rücken. Einer von ihnen sagte etwas, was ich nicht verstand, doch da er mich gleichzeitig schubste, bedeutete es wohl dass er wollte, dass ich mich in Bewegung setzte.

      Wir gelangten zu dem Berg in dessen Inneren sich das Dorf der Jinggs befand. Ich ging mit zwei Jinggs vorweg. Zwei Krieger waren im Wald zurück geblieben. Im Inneren des Berges wuchsen leuchtende Blumen an den Felswänden und tauchten alles in ein überirdisches Licht. Ich hatte zwar schon von Diamond einiges darüber gehört, doch es mit eigenen Augen zu sehen war schon sehr beeindruckend. Ich vergaß beinahe dass ich eine Gefangene war, bis wir vor einer hohen Doppeltür stehen blieben, die mit funkelnden Edelsteinen aller Regenbogenfarben verziert war. Dahinter lag offensichtlich der Thronsaal. Zwei Wachen standen davor. Sie öffneten die Türen und wir betraten eine riesige Halle. Am hinteren Ende saß der Oggrrul auf seinem Thron. Er war von mehreren Frauen und zwei Dienern umgeben. Hinter dem Thron standen vier Krieger mit Speeren. Sobald ich das Oberhaupt des Clans gesehen hatte, war mein Puls plötzlich in schwindelnde Höhen gestiegen. Es war der Mann aus meinem Traum. Wie war das möglich? Ich hatte keine Zeit darüber nachzugrübeln, denn meine beiden Wachen zerrten mich vorwärts.

      Der Oggrrul ließ seine gelben Augen über unsere Gruppe wandern, ehe er schließlich mich direkt ansah. Überraschung zeigte sich kurz auf seinen Zügen, dann pure Lust, die mir einen Schauer über den Rücken laufen ließ. Ich musste mich zwingen, seinem Blick Stand zu halten.

      „Oggrrul. Wir fanden diese Fremdlinge in den Wäldern. Sie sind gekommen, um mit Euch zu verhandeln“, sagte einer der Krieger, überraschender Weise in Englisch.

      „Griorr!“, rief der Oggrrul. „Was hat dich dazu gebracht, dich wie ein Verräter auf die Seite dieser landräuberischen Eindringlinge zu schlagen?“

      „Unser Planet ist groß und reich an Nahrung, Tarron. Sie sind nur wenige. Sie nehmen niemandem etwas weg. Zudem habe ich mir eine ihrer Frauen zur Gefährtin genommen“, erklärte Griorr.

      Der Oggrrul schnaubte abfällig.

      „Ja, ich habe davon gehört. Auch, dass sie dein einziges Weibchen ist. Kann sich der Oggrrul des Darr’kon Clans nur eine Frau leisten?“

      „Ihre Frauen sind anders als unsere. Sie mögen keine Konkurrenz“, erklärte Griorr.

      „Und du gibst etwas darauf, was ein Weibchen verlangt? Ich hätte dich nicht für so schwach gehalten“, spie Tarron verächtlich aus.

      „Du würdest anders denken, wenn du meine Gefährtin kennen würdest. Keine Frau vermochte mich so zufrieden zu stellen und mir eine bessere Gefährtin zu sein. Ich brauche keine andere Frau in meinem Leben.“

      Mir entging nicht, wie der Oggrrul mich die ganze Zeit anstarrte, als wäre ich Dinner. Ich gab es nicht gern zu, doch der Kerl machte mich nervös.

      „Ihre Frauen sind blass und unattraktiv“, sagte der Arsch doch tatsächlich gerade.

      Das war’s! Ich hatte die Schnauze gestrichen voll von diesem Hurensohn und seinem arroganten Gehabe. Was glaubte er, wer er war?

      „Unattraktiv, ja?“, schrie ich aufgebracht. „So unattraktiv, dass du mich mit deinen Augen ausgezogen hast, seit wir hier vor der erschienen sind. Und denkst du, mir ist nicht entgangen, wie du beim Anblick meiner Brüste hart geworden bist?“

      „Wer ist dieses Weib, das es wagt, so mit mir zu reden?“, rief der Oggrrul wütend.

      „Verzeih, Tarron. Sie kennt nicht die Regeln unseres Volkes. Wie ich sagte, ihre Frauen sind anders. Sie sind den Männern gleichwertig und nicht gewohnt, sich einem Mann zu unterwerfen“, versuchte Griorr zu schlichten.

      „Gleichwertig?“, brüllte Tarron.

      Der Oggrrul stand von seinem Thron auf, und kam auf mich zu. Verdammt! Musste der Kerl so riesig und bedrohlich sein? Ich war weder klein, noch zierlich, doch in diesem Moment kam ich mir wie eine kleine Maus vor. Ich versuchte, mich aus dem Griff meiner Wachen zu winden, doch ohne Erfolg.

      „Lasst sie in Ruhe, Oggrrul“, hörte ich Carters Stimme.

      Ein Tumult entstand hinter mir, und ich hörte Griorr, der eindringlich auf Carter ein redete, doch ich hörte ihnen nicht zu. Ich war zu sehr damit beschäftigt, zu dem blauen Riesen aufzustarren. Scheiße! Er war noch größer