Edgar Wallace

Die Schuld des Anderen


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solche Dummheiten nicht Zutrauen. Er ist doch wirklich nicht mehr der jüngste.«

      Gold lächelte. Er hatte eine kleine achtseitige Zeitschrift in der Hand. Sie war zweispaltig gedruckt, und die eine Hälfte zeigte ausländische Worte. Die Zeitschrift trug den Titel: »Die Tarnung.« Als Herausgeber zeichnete Mr. Helder.

      »Ich muß Ihnen gestehen«, sagte der Konsul, »daß mir diese Art von Landsleuten hier allmählich lästig wird. Ich hätte nie gedacht, daß ein Mann wie Helder, der doch immerhin der höheren Gesellschaftsschicht angehört, solche umstürzlerischen Ansichten hegt.«

      »In dieser Nummer sind ja keine besonderen Angriffe enthalten«, entgegnete Gold. »Ich habe die Zeitschrift bisher aufmerksam verfolgt, auch in den anderen Nummern konnte ich nichts dergleichen entdecken.«

      Gold überflog flüchtig den Leitartikel.

      »Es ist doch reiner Unsinn«, sagte der Konsul ärgerlich: Diese Zeitschrift soll heimlich unter den Kommunisten verteilt werden. Ebensogut könnte Helder doch sein Geld dafür ausgeben, zweisprachige Ausgaben von Gedichten zu vertreiben!«

      Gold wartete auf eine Erklärung, warum ihn der Konsul so dringend zu sich gerufen hatte. Man sprach noch eine Zeitlang über allgemeine Dinge. Als Gold merkte, daß er keine näheren Aufschlüsse erhielt, entschloß er sich zu einer direkten Frage.

      »Was gefällt Ihnen denn an dieser Nummer der ›Warnung‹ nicht, Exzellenz?«

      Der Konsul rieb sich die Hände und lehnte sich in seinen Sessel zurück.

      »Sie kennen Helder doch sehr gut«, sagte er. »Vor einigen Tagen erklärte er mir im Terriers-Klub, daß Sie der einzige Amerikaner in London seien, vor dem er Hochachtung und sogar einen gewissen Respekt habe.«

      Gold lächelte.

      »Ich traue ihm nicht, und wenn er mich lobt, traue ich ihm am allerwenigsten.«

      »Mag sein«, entgegnete der Konsul, »aber zuerst einmal müssen Sie beweisen, daß Ihre Ansicht über ihn richtig ist. Fordern Sie ihn vor allen Dingen auf, daß er mit der Herausgabe dieser blödsinnigen Zeitschrift aufhört. Die englische Regierung sieht so etwas durchaus nicht gern! Ich möchte nur wissen, warum er soviel Zeit und Geld in diese Angelegenheit steckt. Man könnte geradezu meinen, daß er einen Staatsstreich vorbereitet! Und dann dieser Unsinn, das ganze Personal seines Schmierblättchens, aus Ausländern zusammenzusetzen. Das Auswärtige Amt in London ist sehr ungehalten über die Geschichte, und ich glaube, daß es nicht mehr lange dauert, bis man dagegen einschreitet. Dann wandert Heider ins Gefängnis, und das wäre doch außerordentlich fatal.«

      »Ich werde mein möglichstes tun«, sagte Gold.

      Er nahm ein Taxi und ließ sich zum Terriers-Klub fahren. Helder war noch nicht dort, aber in einer Nische sah er Comstock Bell vor seinem Mittagessen sitzen. Gold ging zu ihm und ließ sich ihm gegenüber gemütlich nieder.

      Bell sah schlecht aus; seine rechte Hand war bandagiert.

      »Hallo, was ist Ihnen denn passiert?«

      »Nicht so schlimm. Ich habe mir die Hand in einer Tür geklemmt – wahrscheinlich ist ein Finger angeknackst.«

      »Das tut mir aber leid.«

      »Wirklich nicht der Rede wert. Unangenehm ist nur, daß ich jetzt mit der linken Hand essen und – vor allem – mir eine Sekretärin engagieren muß, die mir meine Briefe schreibt. Wie geht es denn Ihnen? Sie tun geradeso, als ob Sie es gewohnt seien, für fremde Leute als Zielscheibe zu dienen.«

      Gold lächelte grimmig.

      »Ganz so ist es nun auch wieder nicht. Hören Sie zu, Comstock – ich möchte Ihnen gegenüber mit offenen Karten spielen. Der Mann, der mir neulich abends im Park begegnete, wollte mich allen Ernstes umlegen.«

      »Tatsächlich?« meinte Bell ironisch. »Ich dachte, er wollte Ihnen eine Einladung in den Buckingham Palast überbringen.«

      »Spaß beiseite«, entgegnete Gold ernst. »Die Sache geht Sie übrigens genauso an wie mich. Ich bekam also einen Brief von einem meiner Vertrauensleute, daß er sich mit mir im Park treffen wolle. Ein Platz zwischen der dritten und vierten Laterne war vereinbart worden. Leider wurde mein Mann selbst beobachtet. Zwei Leute, die sich als Kriminalbeamte auswiesen, nahmen ihn wegen versuchten Raubüberfalls fest; mein Vertrauensmann, der natürlich nicht das geringste auf dem Kerbholz hatte, wollte sich gegen das Gesetz nicht auflehnen und folgte den beiden. Sie brachten ihn zu einem Wagen und fuhren mit ihm in einen Außenbezirk. Dort ließen sie ihn wieder laufen.«

      Er mußte lachen.

      »Die Leute haben die Sache gut gemacht. An Stelle meines Agenten erwartete mich jemand, der den Auftrag hatte, mit mir abzurechnen. – Ah ..., bitte entschuldigen Sie mich einen Augenblick.«

      Gold hatte eben Helder den Speisesaal betreten sehen. Er nickte Comstock zu, ging quer durch den Raum und verschwand im Rauchsalon, den Helder aufgesucht hatte. Er saß dort und blätterte in einer illustrierten Zeitung. Als Gold zu ihm trat, schaute er auf.

      »Ich hätte gern einmal mit Ihnen gesprochen, Sie aufrührerischer Geist.«

      Helder lachte.

      »Soll ich des Landes verwiesen werden?«, fragte er und machte auf dem Sofa Platz, damit Gold sich neben ihn setzen konnte. »Oder will man mich wegen Hochverrats anklagen?«

      »Soweit ist es noch nicht. Es besteht nur die Gefahr, daß Sie hier unangenehm auffallen. Ich habe neulich mit unserem Konsul gesprochen, und da er weiß, daß ich Sie gut kenne, bat er mich, Ihnen etwas zu erklären: Er kann Sie nämlich nicht mehr in die Botschaft einladen, wenn Sie derartige Veröffentlichungen nicht einstellen.«

      Helder wurde dunkelrot. »Es wäre mir lieber, wenn sich der Botschafter mit einem solchen Ansinnen direkt an mich wenden würde«, sagte er ärgerlich.

      Gold beobachtete ihn interessiert. Es war das erste Mal, daß sich Helder von einer unangenehmen Seite zeigte. Sein Mund war verkniffen, und seine Augen funkelten böse.

      Es hatte Helder einige Mühe gekostet, seine gegenwärtige Stellung in der Gesellschaft zu erobern. Sein Vater hinterließ ihm nur ein kleines Vermögen, das gerade zu einem bescheidenen Leben ausreichte. Ein Geschäft, das er in Paris eröffnet hatte, mußte er später wieder aufgeben. Jetzt lebte er schon seit Jahren in London, und man erzählte sich, daß er allein mit Eisenbahnaktien ein Vermögen verdient hätte.

      Und nun, da er endlich am Ziel war, drohte man, ihn gesellschaftlich zu schneiden. Er schaute deshalb Gold wütend an?

      »Ich möchte, daß man meine Rechte als amerikanischer Staatsbürger respektiert. Ich kann mir mein Leben nach meinen eigenen Wünschen einrichten, solange ich nicht mit dem Gesetz in Konflikt komme. Und in der ›Warnung‹ ist nichts erschienen, was über das gesetzmäßig Erlaubte hinausginge.«

      »Es liegt aber gar kein Grund vor, eine solche unnütze Zeitschrift überhaupt herauszugeben«, erklärte Gold.

      »Jetzt werden Sie beleidigend.« Helder erhob sich. »Ich glaube, wir können die Unterhaltung abbrechen.«

      Gold nickte.

      »Es kommt ja doch nichts dabei heraus. Ach, da fällt mir gerade ein, daß ich meinem Neffen ein Geburtstagsgeschenk schicken muß.« Er schaute auf die Uhr und kramte in seiner Brieftasche herum, fand aber anscheinend nicht das Gewünschte. »Haben Sie etwas amerikanisches Geld bei sich, Mr. Helder? Ich brauche zwanzig Dollar.«

      Comstock Bell war ins Zimmer getreten und hatte die letzten Worte Golds gehört.

      Helder schüttelte den Kopf.

      Bell mischte sich in die Unterhaltung.

      »Ich habe genügend Dollar bei mir«, sagte er, zog seine Brieftasche heraus und entnahm ihr zwanzig Dollar, die er Gold überreichte. Helder beobachtete ihn dabei scharf.

      Er sah, wie Gold die Banknoten, scheinbar nur oberflächlich betrachtete.

      »Du lieber Himmel«, sagte