Mandy Hopka

Die verschleppte Prinzessin


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Stuhl setzte, um ihre Suppe zu essen. Meine Augen hingen an ihren Lippen, ihren zierlichen Fingern. Ihr Gesicht war wie das einer Puppe. Perfekt gezupfte Augenbrauen. Große Augen, die von schwarzen, langen Wimpern umrahmt wurden. Ihre kleine Nase saß perfekt über ihren vollen rosigen Lippen. Hohen Wangenknochen und eine hohe Stirn machten sie zu einer Traumfrau für jeden Mann. Erst recht mit diesem Körper. Nur nicht für mich. Habe ich mir jemals etwas aus diesen eingebildeten Zuckerpuppen gemacht?

      „Gibt es jetzt die nächsten Jahre Dosenfutter?“ Ich schmunzelte, noch ehe mir bewusst wurde, dass ich tatsächlich gelacht hatte. „Das wird kein Jahr dauern, süße.“ Sie starrte mich an und hörte einfach nicht mehr damit auf. „Was ist?“, ging ich sie an. Ich hasste es schon immer, angestarrt zu werden. „Warum versuchst du, deine Gefühle zu unterdrücken?“

      „Was interessiert dich das?“

      „Es interessiert mich halt.“ Ich antwortete ihr nicht. Deshalb unterhielt ich mich nie mit anderen Menschen. Ich wollte nicht über mich reden. Über sie von mir aus aber nicht über mein Leben. Das ging niemanden etwas an. „Erzähl mir von dem Mord, den mein Vater begangen haben soll.“ Ihre Stimme klang sarkastisch. Scheinbar hatte sie aufgegeben, ihre sinnlose Frage nach meinem Charakter, zu vertiefen. „Es steht mir nicht zu, dir mehr zu erzählen.“ Sie verdrehte die Augen und streifte sich ihre Haare hinters Ohr, die ihr ständig über die Schultern zu fallen schienen, sobald sie sich nach vorne beugte, um einen neuen Löffel zu nehmen. Ich wand meine Blicke dem Fenster zu, als ich bemerkte, wie sehr ich selbst sie anstarrte. Als wäre ich der Hund und sie der Knochen. Ich benahm mich weder meines Rufes gerecht, noch anderweitig professionell. „Kannst du mir wenigstens sagen, wie lange ihr gedenkt, mich hier festzuhalten?“

      „Ein paar Wochen, vielleicht ein Monat. Das hängt von deinem Vater ab.“ Ich kontrollierte meinen Atem, glättete meine Gesichtszüge und zwang mich, wieder zu dem zu werden, der ich war.

      Ich interessierte mich nur für mich selbst.

      Ich hatte Sex mit Frauen, dessen Namen mich nicht interessierten. Das sollte der einzige zwischenmenschliche Kontakt sein, den ich zuließ. Denn ich zulassen konnte. Die Menschen, die mich tot sehen wollten, könnte ich nicht einmal in einem Buch zusammenfassen. Gefühle waren die Schwächen jedes Menschen. Liebe und Angst. Hass und Eifersucht. Jemand wie ich musste ein Niemand sein, aber in ihrer Gegenwart begann ich, merkwürdige Dinge zu empfinden. „Genieß deinen Sommerurlaub hier“, begann sie und riss mich aus meinen Gedanken. „Mein Vater wird mich finden und dann wirst du in den Knast wandern und ich werde dir dabei zuwinken.“ Ich fing ihr selbstgerechtes Grinsen auf. „Sei dir da mal nicht so sicher, Prinzessin.“

      „Ich kenne dein Gesicht. Wenn ich erst einmal wieder bei meinem Vater bin, dann ...“

      „Wird dieser nicht mehr da sein, um dir zu helfen und ich werde weit, weit weg von dir sein.“

      „Mein Vater ist kein Mörder!“ Sie schien davon mehr als nur überzeugt zu sein. Aber es war eben ihr Vater. Ich hatte nichts anderes erwartet. „Ein Mensch kann viele Gesichter haben.“

      „Lass mich raten: Du hast keines was?“

      „Ich habe mehr Gesichter, als du annimmst.“

      „Und keines davon ist glücklich oder nicht?“ Ich verstummte. Diese Frau war wirklich einzigartig. Jeder andere Mensch hätte mehr Angst vor mir als sie. Gerade in ihrer Situation. Ich würde sie nicht töten aber das konnte sie nicht wissen. Also woher nahm sie nur den Mut so ausgelassen mit mir zu reden und mich zu beleidigen? „Bald werde ich dieses Gesicht als neues hinzuzählen, verlass dich darauf.“

      „Wie viel zahlt er dir? Der Mann, der dich dazu brachte, mich zu entführen? Mein Vater zahlt dir das Doppelte.“

      „Ich bin kein Verräter. Wenn ich das wäre, hätte ich keinen Ruf mehr.“

      „Mein Vater würde dir so viel zahlen, dass du für dieses Leben ausgesorgt hättest.“

      „Und ich dachte, du bist anders.“ Ich sah ihr ihre Verwunderung an, während ich aufstand und den leeren Suppenteller mit dem vom Frühstück in die Hand nahm. „Ihr reichen Leute seid doch alle gleich. Denkt, dass ihr mit Geld alles erkaufen könnt. Egal ob es Sex oder ein Mord ist.“

      „Was macht dich anders? Du, der seine Menschlichkeit verkauft, wie eine Hure ihre Jungfräulichkeit?“ Wieder blieben mir die Worte aus. „Wir kaufen den Mord, aber du führst ihn aus, also was macht dich zu einem besseren Menschen als meinen Vater?“

      „Nichts“, sprach ich und war selbst über die Feindseligkeit in meiner Stimme erstaunt. „Ich habe nie behauptet, dass ich ein guter Mensch bin.“ Wieder drehte ich mich noch einmal zu ihr um, als ich vor der Tür stand. Warum verschwand ich nicht einfach aus diesem Raum! „Ich komme aus einer Welt, die dunkler und kälter ist, als deine es jemals werden wird. Ich habe Dinge gesehen und getan, die du dir nicht einmal in deinen schlimmsten Albträumen vorstellen kannst. Mein Leben und meine Seele gehören schon längst dem Teufel.“ Damit verschwand ich. Schloss sie ein. Ließ sie mit meinen schwachsinnigen und sinnlosen Worten zurück.

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