Rudolf Steiner

Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?


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die Voraussetzung soll man machen, dass man die eine Sache nicht nur durch das begreifen soll, was über sie selbst gesagt wird, sondern durch manches, was über ganz anderes mitgeteilt wird. Man wird so die Vorstellung erhalten, dass nicht in einer Wahrheit das Wesentliche liegt, sondern in dem Zusammenstimmen aller. Wer Übungen ausführen will, muss das ganz ernstlich bedenken. Eine Übung kann richtig verstanden, auch richtig ausgeführt sein; und dennoch kann sie unrichtig wirken, wenn nicht von dem Ausführenden ihr eine andere Übung hinzugefügt wird, welche die Einseitigkeit der ersten zu einer Harmonie der Seele auslöst. Wer diese Schrift intim liest, so dass ihm Lesen wie ein innerliches Erleben wird, der wird sich nicht nur mit dem Inhalte bekannt machen, sondern auch an dieser Stelle dieses, an einer anderen jenes Gefühl haben; und dadurch wird er erkennen, welches Gewicht für die Seelenentwicklung dem einen oder dem anderen zukommt. Er wird auch herausfinden, in welcher Form er diese oder jene Übung, nach seiner besonderen Individualität, gerade bei sich versuchen sollte. Wenn, wie hier, Beschreibungen in Betracht kommen von Vorgängen, welche erlebt werden sollen, so erweist sich als notwendig, dass man auf den Inhalt immer wieder zurückgreife; denn man wird sich überzeugen, dass man manches erst dann für sich selbst zu einem befriedigenden Verständnis bringt, wenn man es versucht hat und nach dem Versuche gewisse Feinheiten der Sache bemerkt, die einem früher entgehen mussten.

      Auch solche Leser, welche den Weg, der vorgezeichnet ist, nicht zu gehen beabsichtigen, werden in der Schrift manches Brauchbare für das innere Leben finden: Lebensregeln, Hinweise, wie dies oder jenes sich aufklärt, was rätselhaft erscheint und so weiter.

      Und mancher, der durch seine Lebenserfahrung dieses oder jenes hinter sich hat, in mancher Beziehung eine Lebenseinweihung durchgemacht hat, wird eine gewisse Befriedigung finden können, wenn er im Zusammenhang geklärt findet, was ihm im einzelnen vorgeschwebt hat; was er schon wusste, ohne vielleicht dies Wissen bis zu einer für ihn selbst hinreichenden Vorstellung gebracht zu haben.

      Berlin, 12. Oktober 1909

       Rudolf Steiner

      Vorrede zur fünften Auflage

      (1914)

      Für diese Neuauflage von »Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?« ist die vor mehr als zehn Jahren niedergeschriebene Darstellung in allen Einzelheiten wieder durchgearbeitet worden. Das Bedürfnis nach solcher Durcharbeitung entsteht naturgemäß bei Mitteilungen über Seelenerlebnisse und Seelenwege von der Art, wie sie in diesem Buche gegeben sind. Es kann ja keinen Teil innerhalb des Mitgeteilten geben, mit dem die Seele des Mitteilers nicht innig verbunden bliebe und der nicht etwas enthielte, das an dieser Seele fortdauernd arbeitet. Es ist wohl auch kaum anders möglich, als dass mit diesem seelischen Arbeiten sich ein Streben nach erhöhter Klarheit und Deutlichkeit der vor Jahren gegebenen Darstellung verbindet. Diesem Streben ist entsprungen, was ich für das Buch bei dieser Neuauflage zu tun bemüht war. Zwar sind alle wesentlichen Glieder der Auseinandersetzungen, alle Hauptsachen so geblieben, wie sie waren; und doch sind wichtige Änderungen vollzogen worden. Ich konnte für eine genauere Charakterisierung im einzelnen an vielen Stellen manches tun. Und dies schien mir wichtig. Will jemand das in dem Buche Mitgeteilte in dem eigenen Geistesleben anwenden, so ist es von Bedeutung, dass er die Seelenwege, von denen die Rede ist, in möglichst genauer Charakterisierung ins Auge zu fassen vermag. In einem viel höheren Maße als an die Schilderung der Tatsachen der physischen Welt können sich an diejenige innerer geistiger Vorgänge Missverständnisse knüpfen. Das Bewegliche des Seelenlebens, die Notwendigkeit, diesem Leben gegenüber nie aus dem Bewusstsein zu verlieren, wie verschieden es ist von allem Leben in der physischen Welt, und vieles andere, machen solche Missverständnisse möglich. Ich habe bei dieser Neuauflage die Aufmerksamkeit darauf gerichtet, die Stellen des Buches aufzufinden, wo solche Missverständnisse entstehen können; und ich habe mich bemüht, bei der Abfassung ihrem Entstehen entgegenzuarbeiten.

      Als ich die Aufsätze schrieb, aus welchen das Buch zusammengesetzt ist, musste über manches auch aus dem Grunde anders gesprochen werden als gegenwärtig, weil ich auf den Inhalt dessen, was ich in den letzten zehn Jahren über Tatsachen der Erkenntnis geistiger Welten veröffentlicht habe, damals anders hinzudeuten hatte, als es jetzt, nach der Veröffentlichung, zu geschehen hat. In meiner »Geheimwissenschaft«, in der »Führung des Menschen und der Menschheit«, in »Ein Weg zur Selbsterkenntnis« und besonders in »Die Schwelle der geistigen Welt«, auch in anderen meiner Schriften sind geistige Vorgänge geschildert, auf deren Vorhandensein dieses Buch vor mehr als zehn Jahren zwar schon hindeuten musste, dies aber doch mit anderen Worten, als es gegenwärtig richtig scheint Ich musste damals von vielem, das in dem Buche noch nicht geschildert wurde, sagen, es könne durch »mündliche Mitteilung« erfahren werden. Gegenwärtig ist nun vieles von dem veröffentlicht, was mit solchen Hinweisen gemeint war. Es waren aber diese Hinweise, die irrtümliche Meinungen bei den Lesern vielleicht nicht völlig ausschlossen. Man könnte etwa in dem persönlichen Verhältnis zu diesem oder jenem Lehrer bei dem nach Geistesschulung Strebenden etwas viel Wesentlicheres sehen, als gesehen werden soll. Ich hoffe, dass es mir gelungen ist, in dieser neuen Auflage durch die Art der Darstellung mancher Einzelheiten schärfer zu betonen, wie es bei dem, der Geistesschulung sucht im Sinne der gegenwärtigen geistigen Bedingungen, viel mehr auf ein völlig unmittelbares Verhältnis zur objektiven Geistes-Welt als auf ein Verhältnis zur Persönlichkeit eines Lehrers ankommt. Dieser wird auch in der Geistesschulung immer mehr die Stellung nur eines solchen Helfers annehmen, die der Lehrende, gemäß den neueren Anschauungen, in irgendeinem anderen Wissenszweige innehat. Ich glaube genügend darauf hingewiesen zu haben, dass des Lehrers Autorität und der Glaube an ihn in der Geistesschulung keine andere Rolle spielen sollten, als dies der Fall ist auf irgendeinem anderen Gebiete des Wissens und Lebens. Mir scheint viel darauf anzukommen, dass immer richtiger beurteilt werde gerade dieses Verhältnis des Geistesforschers zu Menschen, die Interesse entwickeln für die Ergebnisse seines Forschens. So glaube ich das Buch verbessert zu haben, wo ich das Verbesserungsbedürftige nach zehn Jahren zu finden in der Lage war. An diesen ersten Teil soll sich ein zweiter anschließen. Dieser soll weitere Ausführungen über die Seelenverfassung bringen, welche den Menschen zum Erleben der höheren Welten führt. Die Neuauflage des Buches lag fertig gedruckt vor, als der große Krieg begann, den die Menschheit gegenwärtig erlebt. Diese Vorbemerkungen habe ich zu schreiben, während meine Seele tief bewegt ist von dem schicksaltragenden Ereignisse.

      Berlin, 7. September 1914

       Rudolf Steiner

      Vorrede zum achten bis elften Tausend

      (1918)

      An dem Inhalte dieser Neuauflage des vorliegenden Buches schienen mir beim neuerlichen Durcharbeiten nur geringe Änderungen notwendig. Dagegen habe ich dieser Ausgabe ein »Nachwort« hinzugefügt, durch das ich mich bemüht habe, manches deutlicher als früher zu sagen, was die seelischen Grundlagen betrifft, auf welche die Mitteilungen des Buches gestellt werden müssen, damit sie ohne Missverständnis entgegengenommen werden. Ich glaube, dass der Inhalt dieses Nachwortes auch geeignet sein könnte, manchen Gegner der anthroposophischen Geisteswissenschaft darüber aufzuklären, dass er sein Urteil nur dadurch aufrechterhalten kann, weil er sich unter dieser Geisteswissenschaft etwas ganz anderes vorstellt, als sie ist; während er, was sie ist, gar nicht ins Auge fasst.

      Mai 1918

       Rudolf Steiner

      Bedingungen

      Es schlummern in jedem Menschen Fähigkeiten, durch die er sich Erkenntnisse über höhere Welten erwerben kann. Der Mystiker, der Gnostiker, der Theosoph sprachen stets von einer Seelen- und einer Geisterwelt, die für sie ebenso vorhanden sind wie diejenige, die man mit physischen Augen sehen, mit physischen Händen betasten kann. Der Zuhörer darf sich in jedem Augenblicke sagen: wovon dieser spricht, kann ich auch erfahren, wenn ich gewisse Kräfte in mir entwickele, die heute noch in mir schlummern. Es kann sich nur darum handeln, wie man es anzufangen hat, um solche Fähigkeiten in sich zu entwickeln. Dazu können nur diejenigen Anleitung geben, die schon in sich solche Kräfte haben. Es hat, seit es ein