Dr. Rainer Schneider

Die 5 Gebote des Anti Aging. Wirkungsvolle Maßnahmen für ein langes und vitales Leben


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look on the bright side of life“ sang.

      Jeder Mensch hat Angst vor Siechtum und Zerfall. Das ist etwas anderes als Angst vor dem Tod. Das Altern ist das Problem. In jungen Jahren ist das verständlicherweise kaum Thema. Altersbedingte Leiden treten meist erst weit jenseits der Lebensmitte ein. Doch Verfall ist relativ. Wussten Sie z.B., dass die neurodegenerative Erkrankung Alzheimer, von der epidemiologischen Schätzungen zufolge bereits in einem Jahrzehnt jeder Zweite betroffen sein soll, schon im zweiten Lebensjahrzehnt beginnt (8)? Glücklicherweise kann das Gehirn den Abbau lange Zeit sehr gut kompensieren. Es ist ja ein wahres Wunder an Anpassungsleistungen. Aber irgendwann ist der Gewebsuntergang nicht mehr kompensierbar, so dass sich die bekannten massiven Erscheinungsformen einstellen. In der Regel manifestieren sich deutliche Ausfallerscheinungen im siebten oder achten Lebensjahrzehnt. Einige Experten glauben aber, dass sie sich künftig viel früher zeigen werden (9). Die Pharma-Branche scheint nach einigen äußerst enttäuschenden klinischen Test-Ergebnissen inzwischen sogar das Interesse an einem Alzheimer-Wirkstoff verloren zu haben (10) – zumindest vorerst.

      Ich wähle das Alzheimer-Beispiel, weil Erkrankungen des Demenz-Komplexes wie ein Damoklesschwert über uns schweben. Man zählt sie zu den „neuen“ Zivilisationskrankheiten. Das ist der Anti-Aging-Branche natürlich nicht entgangen. Je älter wir werden, desto größer wird der Wunsch nach ewiger Jugend. Jung sein heißt attraktiv sein, leistungsfähig sein, Kontrolle über sich und das Leben haben. Und der Wunsch nach Vitalität ist sehr groß. Deswegen versuchen wir, das Unausweichliche hinauszuzögern. Mehr oder weniger erfolgreich. Das ist gut für die florierende Anti-Aging-Industrie, die ja nicht nur Medikamente anbietet, sondern auch allerlei andere Methoden.

      Ich finde, man kann das Paradoxon des langen Lebens nicht auflösen, solange man Gesundheit als Konsumgut betrachtet. Die Vorstellung, Jugend kaufen zu können, ist aus psychologischer Sicht zwar nachvollziehbar, doch äußerst fatal. Sie führt dazu, dass man Verantwortung abgibt, statt selbst das Heft in die Hand zu nehmen. Wer Kontrolle abgibt, macht sich unfrei. Aber Freiheit ohne Verantwortung gibt es nicht. Viele philosophische, religiöse, spirituelle oder alternativmedizinische Ansätze haben das erkannt. Sie stellen Regeln auf, die ein sinnerfülltes, verantwortungsvolles und damit umfassend gesundes Leben ermöglichen sollen. Im Kern geht es fast immer darum, Körper und Geist – oder weitere Entitäten – in Einklang zu bringen. Im Umkehrschluss heißt das: Vitalität, Gesundheit und Erfüllung können mit einer passiv-konsumatorischen Haltung nicht erlangt werden.

      Nun verkauft die Anti-Aging-Industrie eben genau das: Sie propagiert Vitalität als Konsumgut. Und Millionen von Menschen nehmen ihr das ab. Die Argumente sind manchmal nicht sonderlich triftig. Man greift zu durchschaubaren Tricks. Anti-Aging-Produkte werden z.B. gerne mit Prominenten als Werbeträger beworben. Dabei spielt keine Rolle, ob diese das Produkt selbst verwenden, geschweige denn jemals ausprobiert haben. Diese Werbestrategie zieht, obwohl jedem die Masche klar ist. Geworben wird auch mit den abstrusesten Syllogismen. Ich habe auf einem Anti-Aging-Portal vor nicht allzu langer Zeit z.B. folgenden „Schluss“ gelesen:

      „Neueste Forschung belegt, dass das Alter selbst der größte Risikofaktor für ein langes und gesundes Leben ist“.

      Falls Sie jetzt über diesen Satz gestolpert sind: Nein, ich habe mich nicht verschrieben. Ich glaube auch nicht, dass die Betreiber der Site sich verschrieben haben. Die neue Erkenntnis ist:

      Es ist jetzt wissenschaftlich bestätigt, dass das Alter selbst der Grund ist, warum wir altern.

      Darauf muss man erst einmal kommen! Das ist wirklich eine Erkenntnis, die den K(r)ampf gegen das Altwerden auf eine ganz neue Stufe hebt. Man könnte genauso gut sagen, dass Regen nass macht, weil er aus Wasser besteht. Man muss schon sehr alt und verkalkt sein, wenn man bei dieser Aussage ein Aha-Erlebnis hat. Ob dann das beworbene Mittelchen gegen das Alter noch hilft, darf bezweifelt werden.

      Aber zurück zum angesprochenen Paradox. Fakt ist, dass wir altern. Und Fakt ist auch, dass fast alle Menschen den Alterungsprozess gerne aufhalten würden. Das scheint uns zu gelingen; wir sehen nämlich heute tatsächlich jünger aus als früher (auch wenn wir chronisch kränker sind). Wer im Mittelalter mit 50 Jahren starb, sah nicht nur aus wie ein Greis, er war es auch. Denn die Menschen alterten damals schneller, was Hygiene, Krankheit, Hunger und Not geschuldet war.

      Heute ist man zwischen fünfzig und siebzig Jahren ein sogenannter „Best Ager“, also im besten Alter. Ein besonders attraktives Objekt der Begierde für Werbung, Kommerz und Pharmalobby. Nur: Wie kann man im besten Alter sein, wo man doch die Lebensmitte klar überschritten und zumindest statistisch gesehen die meiste Zeit gelebt hat?

      Selbst die berühmte Midlife Crisis kommt meist früher. Sie zeigt uns auf, dass wir altern und die Jugend langsam hinter uns lassen. In den besten Jahren zu sein und in einer Krise zu stecken, klingt wieder nach einem Paradox. Als Vierzig- oder Fünfzigjähriger ist man weder jung noch alt. Vielleicht sieht man deutlich weniger alt aus als man ist oder – das ist die bittere Variante – umgekehrt. Genau das ist der Grund, warum Menschen dieses Lebensalters die Hauptzielgruppe der Anti-Aging-Industrie sind. Vielleicht ist der Begriff Best Ager vor diesem Hintergrund ganz anders zu verstehen.

      Wen wundert es, dass es Vielen schwer fällt, Älterwerden und Jungbleiben zusammenzubringen? Das zeigt sich nicht zuletzt in gesellschaftspolitischen Diskussionen. Die demografische Krise, in der wir uns anscheinend befinden, schließt beides implizit sogar aus. Wenn immer weniger junge erwerbstätige, also leistungsfähige Menschen für immer mehr nichterwerbstätige, also nicht mehr leistungsfähige Rentner aufkommen müssen, setzt man Älterwerden gleich mit Unproduktivität. Wer will da noch ein gesundes Verhältnis zum Altern entwickeln? Älterwerden ist – wie Joachim Fuchsberger es in seinem Buch schreibt – offensichtlich nichts für Schwächlinge.

      Ich kenne kaum jemanden, den das Älterwerden nicht beschäftigt. Für manch einen ist schon das erste graue Haar Auslöser einer Midlife-Crisis. Man kann sicherlich zu Recht fragen, ob es nicht klüger wäre, sich proaktiv und konstruktiv mit dem Älterwerden auseinanderzusetzen. Das tun viele Menschen. Aber die Mehrzahl tut es eher nicht. Frauen scheinen unter dem Älterwerden mehr als Männer zu leiden, zumindest laut Umfragen (11). Letztere haben ja immer noch den George-Clooney-Nimbus: Grau, aber sexy. Falten sollen angeblich männlich und interessant machen. Aber auch George kommt irgendwann in die Jahre.

      Vielleicht klingt es für Sie, als ob ich zu einem anderen Denken aufrufen wollte. Dann fragte sich natürlich, warum ich überhaupt einen Ratgeber zu diesem Thema schreibe. Denn schließlich erwarten Sie ja konkrete Tipps, wie Sie das oben beschriebene Paradoxon doch irgendwie „knacken“ können. Lassen Sie mich das erklären. Tipps und Tricks werden Sie in diesem Ratgeber bekommen. Aber es ist mir wichtig, Sie dafür zu sensibilisieren, was sinnvoll ist und was nicht, und vor allem, worauf es wirklich ankommt.

      Ich möchte nicht prätentiös oder gar schullehrerhaft erscheinen. Die Tatsache, dass Sie sich dieses E-Book gekauft haben, zeigt, dass Sie sich schon entsprechende Gedanken gemacht haben. Manchmal hilft es aber, die Dinge aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Lassen Sie uns deswegen einmal anschauen, wie die Anti-Aging-Branche Einfluss auf uns nimmt:

       Zeitschriften werben für Kosmetika, deren verjüngende Wirkung anhand von Photos zwanzigjähriger Models „bewiesen“ werden.

       Das Fernsehen überflutet uns mit tumben Fremdschäm-Model-Shows, deren pubertierenden Teilnehmerinnen ein oberflächliches Schönheitsideal zelebrieren. Bei genauem Hinschauen sind diese aber oft erstaunlich unfit.

       Supermärkte sind gefüllt mit unzähligen Vitaminpräparaten, Light- und Beauty-Produkten, deren Konsum zwar gesund und fit machen soll, deren Wirkung aber eher erhofft als erwiesen ist.

       Im Internet gibt es eine unüberschaubare Fülle an Supplementen und Prozeduren, die wahre Wunder versprechen. Zur Not aus dem Ausland – ohne Zollprobleme.

       Wem das nicht reicht, der kann den Arzt um Hilfe bitten. Ein bisschen Botox hier, ein bisschen Synthol da. Mögliche Nebenwirkung: neues Passbild.

       Der letzte Schrei ist die Genanalyse von Telomeren (gr.: telos = Ende; meros = Teil). Da diese für die Lebensdauer von Chromosomen wichtig