Rudolf Steiner

Grundlegendes zur Erweiterung der Heilkunst


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      LUNATA

Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst

      Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst nach geisteswissenschaftlichen Erkenntnissen

      © 1925 by Rudolf Steiner & Its Wegmann

      © 2020 Lunata Berlin

      Inhalt

       I. Wahre Menschenwesen-Erkenntnis als Grundlage medizinischer Kunst

       II. Warum erkrankt der Mensch?

       III. Die Erscheinungen des Lebens

       IV. Von dem Wesen des empfindenden Organismus

       V. Pflanze, Tier, Mensch

       VI. Blut und Nerv

       VII. Das Wesen der Heilwirkungen

       VIII. Tätigkeiten im menschlichen Organismus. Diabetes mellitus

       IX. Die Rolle des Eiweißes im Menschenkörper und die Albuminurie

       X. Die Rolle des Fettes im menschlichen Organismus und die trügerischen lokalen Symptomenkomplexe

       XI. Die Gestaltung des menschlichen Körpers und die Gicht

       XII. Aufbau und Absonderung des menschlichen Organismus

       XIII. Vom Wesen des Krankseins und der Heilung

       XIV. Von der therapeutischen Denkweise

       XV. Das Heilverfahren

       XVI. Heilmittel-Erkenntnis

       XVII. Substanz-Erkenntnis als Grundlage der Heilmittel-Erkenntnis

       XVIII. Heil-Eurythmie

       XIX. Charakteristische Krankheitsfälle

       XX. Typische Heilmittel

       Nachwort

      I. Wahre Menschenwesen-Erkenntnis als Grundlage medizinischer Kunst

      In dieser Schrift wird auf neue Möglichkeiten für das ärztliche Wissen und Können hingewiesen. Richtig beurteilen wird man das Vorgebrachte nur, wenn man sich auf die Gesichtspunkte einlassen kann, die leitend waren, als die medizinischen Anschauungen zustande kamen, von denen hier gesprochen wird.

      Nicht um eine Opposition gegen die mit den anerkannten wissenschaftlichen Methoden der Gegenwart arbeitende Medizin handelt es sich. Diese wird von uns in ihren Prinzipien voll anerkannt. Und wir haben die Meinung, dass das von uns Gegebene nur derjenige in der ärztlichen Kunst verwenden soll, der im Sinne dieser Prinzipien vollgültig Arzt sein kann.

      Allein wir fügen zu dem, was man mit den heute anerkannten wissenschaftlichen Methoden über den Menschen wissen kann, noch weitere Erkenntnisse hinzu, die durch andere Methoden gefunden werden, und sehen uns daher gezwungen, aus dieser erweiterten Welt- und Menschenerkenntnis auch für eine Erweiterung der ärztlichen Kunst zu arbeiten.

      Eine Einwendung der anerkannten Medizin kann im Grunde gegen das, was wir vorbringen, nicht gemacht werden, da wir diese nicht verneinen. Nur derjenige, der nicht nur verlangt, man müsse sein Wissen bejahen, sondern der dazu noch den Anspruch erhebt, man dürfe keine Erkenntnis vorbringen, die über die seinige hinausgeht, kann unseren Versuch von vornherein ablehnen.

      Die Erweiterung der Welt- und Menschenerkenntnis sehen wir in der von Rudolf Steiner begründeten Anthroposophie. Sie fügt zu der Erkenntnis des physischen des Menschen, die allein durch die naturwissenschaftlichen Methoden der Gegenwart gewonnen werden kann, diejenige vom geistigen Menschen. Sie geht nicht durch ein bloßes Nachdenken von Erkenntnissen des Physischen zu solchen des Geistigen über. Auf diesem Wege siebt man sich doch nur vor mehr oder weniger gut gedachte Hypothesen gestellt, von denen niemand beweisen kann, dass ihnen in der Wirklichkeit etwas entspricht.

      Die Anthroposophie bildet, bevor sie über das Geistige Aussagen macht, die Methoden aus, die sie berechtigen, solche Aussagen zu machen. Um einen Einblick in diese Methoden zu bekommen, bedenke man das Folgende: Alle Ergebnisse der gegenwärtig anerkannten Naturwissenschaft sind im Grunde aus den Eindrücken der menschlichen Sinne gewonnen. Denn wenn auch der Mensch im Experiment oder in der Beobachtung mit Werkzeugen das erweitert, was die Sinne ihm geben können, so kommt dadurch nichts wesentlich Neues zu den Erfahrungen über die Welt hinzu, in der der Mensch durch seine Sinne lebt.

      Aber auch durch das Denken, insofern dieses bei der Erforschung der physischen Welt tätig ist, kommt nichts Neues zu dem sinnfällig Gegebenen hinzu. Das Denken kombiniert, analysiert usw. die Sinneseindrücke, um zu Gesetzen (Naturgesetzen) zu gelangen; aber es muss sich der Erforscher der Sinneswelt sagen: dieses Denken, das da aus mir hervorquillt, fügt etwas Wirkliches zu dem Wirklichen der Sinneswelt nicht hinzu. Das aber wird sogleich anders, wenn man nicht bei dem Denken stehen bleibt, zu dem es der Mensch zunächst durch Leben und Erziehung bringt. Man kann dieses Denken in sich verstärken, erkraften. Man kann einfache, leicht überschaubare Gedanken in den Mittelpunkt des Bewusstseins stellen, und dann, mit Ausschluss aller anderen Gedanken, alle Kraft der Seele auf solchen Vorstellungen halten. Wie ein Muskel erstarkt, wenn er immer wieder in der Richtung der gleichen Kraft angespannt wird, so erstarkt die seelische Kraft mit Bezug auf dasjenige Gebiet, das sonst im Denken waltet, wenn sie in der angegebenen Art Übungen macht. Man muss betonen, dass diesen Übungen einfache, leicht überschaubare Gedanken zugrunde liegen müssen. Denn die Seele darf, während sie solche Übungen macht, keinerlei Einflüssen eines halb oder ganz Unbewussten ausgesetzt sein. (Wir können hier nur das Prinzip solcher Übungen angeben; eine ausführliche Darstellung und Anleitung, wie solche Übungen im Einzelnen zu machen sind, findet man in Rudolf Steiners »Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten«, in dessen »Geheimwissenschaft« und in anderen anthroposophischen Schriften.)

      Es liegt nahe, den Einwand zu erheben, dass jemand, der sich so mit aller Kraft bestimmten, in den Mittelpunkt des Bewusstseins gerückten Gedanken hingibt, allerlei Autosuggestionen und dergleichen ausgesetzt ist, und dass er einfach in das Gebiet der Einbildung hineinkommt. Allein Anthroposophie zeigt zugleich, wie die Übungen verlaufen müssen, damit dieser Einwand völlig unberechtigt ist. Sie zeigt, wie man innerhalb des Bewusstseins in vollbesonnener Art während des Übens so fortschreitet wie beim Lösen eines arithmetischen oder geometrischen Problems. Wie da das Bewusstsein nirgends ins Unbewusste ausgleiten kann, so auch nicht während des angedeuteten Übens, wenn die anthroposophischen Anleitungen richtig befolgt werden.

      Im