kann dagegen lebensgefährlich sein und damit auch die Leber zerstören. Dies gilt erst recht für das Verhältnis der beiden Naturen Christi, die ausschließlich vermittelt über die Personeneinheit miteinander verbunden sind, ohne sich in ihren Eigenschaften zu beeinflussen – mit Ausnahme des strittigen genus maiestaticum, das ich hier ausklammere. Nun gilt aber, dass die Person Christi mit der zweiten Person der Trinität identisch ist und folglich schon vor Annahme der menschlichen Natur ewig existiert. Dadurch ist die menschliche Natur von ihrem Beginn an durch das Wirken der göttlichen Natur beeinflusst. Ihre Existenz ist aufgrund der Personeneinheit zu keinem Zeitpunkt unabhängig vom Wirken der göttlichen Natur gewesen. Welche Konsequenz aber hat der Tod Christi für die göttliche Natur? Zwar kann die göttliche Natur nicht sterben, aber die zweite Person der Trinität ist sterblich. (Sonst wäre sein Tod nur scheinbar gewesen, wie es der Doketismus vertritt.) Mit dem Tod der Person Christi zerbricht folglich das Integral der beiden Naturen: Die göttliche Natur ist zwar weiterhin „an sich“ unsterblich – so wie auch die Leber bei einem Verkehrsunfall im „an sich“ gesunden Zustand sterben kann –, aber sie verliert ihren Bezug zu derjenigen Person, auf die sie sich richten soll. Die göttliche Natur wird also in ihren Eigenschaften von der menschlichen Natur nicht gemindert. Und doch hat der Tod durch die menschliche Natur auch natürliche Konsequenzen für die göttliche Natur.
Die Wirkung einer Natur kann auch eine persönliche Konsequenz für die jeweils andere Natur haben. Die Erniedrigung Christi wird in der Konkordienformel als Erniedrigung der Person beschrieben, die seine göttliche Natur einschließt (812). Indem er nämlich seine Gottheit im Stand der Erniedrigung nicht abgelegt hat (ebd.), hat die Erniedrigung eine persönliche Konsequenz für die göttliche Natur. Sie fügt ihr eine neue Eigenschaft hinzu, die sie aber von sich aus nicht hat und auch nicht natürlich annimmt. Eine persönliche Konsequenz der Wirkung einer Natur liegt vor, wenn diese Konsequenz für die Person Sinn macht, nicht aber für die Natur. Der Sinn liegt dann also „außerhalb“ der Natur, weil Personen ekstatisch sind und ihr Wesen außerhalb ihrer selbst finden.[47] Der Sinn einer persönlichen Handlung bezieht Horizonte außerhalb der Person ein – wie Ziele, Zeit, Zeichengebrauch (Kommunikation), Gegenstände. Werden diese Horizonte erreicht oder verfehlt, so hat das persönliche Konsequenzen, und damit auch Konsequenzen für die Naturen, ohne dass die Naturen davon natürlich angetastet werden.
Bei Luther ist bereits die Person Christi unsterblich und sterblich zugleich (H 54). Das liegt daran, dass die Eigenschaften beider Naturen auf die Person übertragen werden. Das führt zwar zu einem Widerspruch, der aber abgemildert werden kann, und zwar dann, wenn er kein natürlicher Widerspruch ist, sondern ein persönlicher. Löst man also Luthers Paradoxie über die persönliche Konsequenz der Naturen, so wäre es für die ekstatische Beziehung Christi von Belang, dass er unsterblich und sterblich zugleich ist. Der Abbruch seiner ekstatischen Beziehung zu Gott und zur Welt hätte gerade einen persönlichen Sinn für Christus. Dieser Widerspruch hätte zugleich persönliche Konsequenzen für die Naturen, würde sie aber in natürlicher Hinsicht unangetastet lassen. Der Widerspruch ist persönlich bedeutsam – etwa soteriologisch –, wird aber von keiner der beiden Naturen erfasst. Dennoch sind sie von diesem Widerspruch betroffen, aber im Sinne einer persönlichen Konsequenz.
Die Unterscheidung, ob das Wirken der Naturen für die jeweils andere natürliche oder persönliche Konsequenzen hat, ist entscheidend, um etwa den Status der menschlichen Natur im Stand der Erhöhung zu bestimmen. Kurz gefragt: Ist die menschliche Natur persönlich oder natürlich erhöht? Wenn sie natürlich erhöht ist, dann sitzt sein menschlicher Leib zur Rechten Gottes. Wenn sie dagegen persönlich erhöht ist, so kann der Leib begraben sein und nimmt dann die persönliche Konsequenz der Erhöhung nicht an. Mir scheint, dass genau diese Differenz die reformierte und die lutherische Position voneinander unterscheidet. Und das wiederum heißt, dass sie auch in den scheinbar unstrittigen Genera der Communicatio Idiomatum unterschiedliche Auffassungen haben. Während die reformierte Position dem Wirken der Naturen nur persönliche Konsequenzen für die jeweils andere Natur einräumt, beeinflussen sich zwar die Naturen für die lutherische Position auch nur vermittelt über die Person Christi, aber doch so, dass beide natürliche Konsequenzen davontragen. Nach dem genus maiestaticum soll zwar nicht die göttliche Natur eine menschliche Eigenschaft erhalten, sondern nur die menschliche die göttlichen. Wenn aber die Konkordienformel darauf beharrt, dass auch die Gottheit in Christus erniedrigt wurde, so geht diese Kritik an der reformierten Position über die Verteidigung des genus maiestaticum hinaus: Dann hat die Erniedrigung nämlich auch natürliche Konsequenzen für die göttliche Natur. Sie soll zwar nicht das Sosein der göttlichen Natur antasten, verändert aber sein Dasein in der Person Christi zu einer nur fragilen Integrität.
Hierfür könnte die entdeckte dritte Kategorie der Konkordienformel, die „Knechtsgestalt“, eine entscheidende vermittelnde Rolle spielen. Luthers beabsichtigter Widerspruch, dass die Person Christi sterblich und unsterblich zugleich ist, könnte nach der Konkordienformel ontologisch so verstanden werden: Zwar hat der Tod Christi Folgen für die göttliche Natur, weil sie dann nicht mehr persönlich integriert ist. Aber die Unsterblichkeit der Person Christi hat ebenso Folgen für die menschliche Natur, die damit auch im Tod Christi mit ihm persönlich integriert bleibt. Erst im Stand der Erhöhung wird dieser Widerspruch der natürlichen Konsequenz natürlich aufgehoben, weil dann auch die menschliche Natur unsterblich sein wird. Im Stand der „zweiten“ Erhöhung (nach der Himmelfahrt) wird damit auch die Fragilität aufgehoben, mit der die göttliche und die menschliche Natur in Christus integriert sind.
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