Tommsen Klaus

Stammheim Note


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dazu. Zwei die wie ausmalerische Archetypen einer Gattung ausschauten, die verfinsterte Minen als Erstkontakt aussendeten an die Umgebung. Obschon dies an unerfreuliche Aussichten festmachen konnte, erweckten diese abgekühlten Gemüter wie Veteranen der indisponierten Verweilung. Wiederum erschwerte die Kommunikation zu einem dieser Gesellen daran, dass die sprachliche Barriere mühselig sabotierte, gebrochene Beherrschung verringerten auf einen kleinen Umfang, doch stellte den inexistenten feindseligen Faktor fest. Der andere der beiden entsprach einem den seine Erstsprache besser lag, eine spätaussiedlerische Migration zu den geschichtlichen Wurzeln verlieh diesem die guttrainierte Alternative mit rauem Akzent. Ein erstes Kennenlernen vor der Prozedur des Eincheckens ermöglichte eine beengte zwei mal vier braunfliesende belichtete Zweibank-Wartegelegenheit, ein schimmerscheiniges durchflutendes Licht und antiquierte Gestängetür kennzeichneten eine Einzigartigkeit. Dem Kommunikationsgehemmten der beiden entging ein Angesicht sehr gealtert markant und schnauzbärtig, eine europäische Exekutive verbrachte diesem von Weiters her an diesem Ort, mit Charterflug und Fahrservice, „the fingers matching…“ lautete sein rustikal Gestammeltes dazu, ein osteuropäischer Airport vermieste seine Ungehindertheit. Genaueres konnte er diesem jedoch nicht entlocken. Der andere der beiden, daran gemessen, wesentlich gesprächiger und verständlicher, aber auf einen Partyabschwung, dieser hatte es kommen sehen und klopfte sittsam selbst an der Hauspforte. Die vorangegangene Nacht verging offenkundig sehr ausgekostet für diesen. Im Zweibank-Warteraum erörterten die Zusammenkünftler nur allmählich die jeweiligen Wege in die Unpässlichkeit. Ein erstes andersgewohntes Zeiterlebnis. Nahezu gen besserentschiedener Stummheit spürte er die Atmosphäre zu Beginn der ersten Momente des gepferchten Beisammenseins. Das Tageszeitvergehen reifte dann aber zur angeratenen Zuwendung zueinander, des entlastenden Peinlichkeitsabbaus oder anwachsender Vertrauensbasis wegen. Viel wärmer wurde es allerdings keineswegs, die distanzierte aufgenötigte Situation schenkte unvergnügliches Umgestalten des stillen Zustandes um nicht das volle Abwarten der Wortlosigkeit auszuliefern. Bald schon verzeichnete er Aktivität hin zum Erwachen der Obligationsstationen. Der stille Moment schien sich über die Relationsgrenze ausbreiten zu wollen, der drückende Augenblick durchstochen von einem vielmetallischen Klingklang und riegelverschiebenden Geräuschen. Die erste Obligationsstation holte Mann für Mann ihre Vorgangspersonen. Überwunden mussten zunächst, um von einer an sich Gestängetürnische zu einer bürokratischen zusammenhängenden Räumlichkeit zu gelangen, zwei Türen mit Öffnerbegleitung. Vom Grundriss her wechselten die Leute praktisch vom Warteraum die angereihten Zimmer auf den Kleinkorridor entlang, jedoch parallel zum seitlichen Korridor von Tür zu Tür. Schon anschließend erhörte er bei den nächsten Abholungen seinen Namen, allerdings als letzter in dieser Halte. Er wurde nun per begleitendem Wegweiser mit seiner kleinen Habe, bestehend aus den ersten Einzugserfordernis-Utensilien die der erste kurze notdürftige Ankommenseincheck besorgte, in die Büroräume der Verteilermannschaft verbracht. Bereits jene stündige Zwischenpufferepisode der Reizreduktion führte zu einer Abwöhnung der Vielheit. Er trat ein und vermutete kaum, dass es bei all den unpersönlichen geleerten Gängen und Wartehalden noch lebendige Räume mit abwechselnder Einrichtung existierten inmitten der Gemäuerwüste, wie eine Oase der privilegierten Disponierten. Weitersehens die nächste Wartehalde im Vergleich, so vulgär, kohlenstoffbeschlagene Botschaftsräume ohne Fenster und mit einer Farbgebung versehen die ihm abreizte, die ungesund verschwummerte Beleuchtung tat ihr Übriges zum Unwohlsein bei. So war es erstrecht ein wohltuendes Blickspektrum von den weggelagerten Warteräumlichkeiten hinüber zu Zimmervegetation auf den papierenen Tischen voller Verwaltungsequipment, in der Peripherie mit Kalendern, bilderbespickten Möbeln und vor allem die schöne Weitsicht auf den Sunrise dieses Tages, ein wolkenloser Sommertag riss an, erblickte er hindurch des Bürodickicht. Der ablaufenden Prozedere kam etwas demütigend und herablassend auf ihn nieder, erfüllt von Routine und Sachenstatus, pro domo untergeordnet gewiss. Die vorliegende Börse bar auf dem Tische des Verwaltenden fühlte sich wie enteignet an. Angefüllt mit konfisziert-geschröpft-bereinigtem Restbetrag oblag es nun der Anfrage des Bürokraten die Entscheidung nach der Ummünzung zu fällen, zur Auswahl eine Frankaturerwerbung oder Räucherware, im gebliebenen Gegenwert von vier-vierundvierzig, eine eigenartige Zahl bemerkte ihm dies. Der Frankaturdeal erschien weitsichtig und einschlagenswert. Nach diesem Geschäft kam der Bürokrat auf die Kleiderkonfiguration zu sprechen. Zwischenzeitlich erregte eine Nebensequenz im selben langgezogenen Raume seine Aufmerksamkeit. Dort ein paar Tische weiter und fortgeschrittener im Prozedere, der gesprächige der beiden Dazukömmlinge mit einer in flagranti reklamierenden Szene in Unterkleidung. Inhalt des reklamierenden Anwurfes eine Wunschäußerung „Ich will Therapie“. Der komödiantische Augenschein in diesem Moment brachte die anwesenden Verwaltermenschen zu ausbrechendem Gelächter mit abwinkender Weiterweisung an anderer Zuständigkeit. Wo nur, dachte er sich, hatte er von dieser Art der Sanktionsminderungsabsicht zum ersten Male gehört. Schon auf gleich fielen ihm die Schilderungen der verstrahlten Allroundtrunkenen ein, eine Technik um mittelfristige Zurückgestelltheit gegen Seelenstriptease einzutauschen. Ein unvoreingenommener zugetaner Ersthörer vermeint dort über einen spitzfindigen Winkelzug informiert zu werden, jedoch ergibt die Betrachtung der Realität ein Bild über einen Teufelskreis zu erkennen, der Anreiz deutet sich mit der Hereinnahme der falschdefinierten Variante zusätzlich als Verursacher derselben Sanktionsinkaufnahme. Einen Drehtüreffekt so gesehen. Wie dem auch sei, die Inaugenscheinnahme der routinierten Verwalter und die Sachbehandlung ergingen nun fortleitend weiter. Der sitzfleischige Verwalter sah ihn unbeeindruckt von oben bis unten kurz an und fällte sein nach Norm geprägtes Urteil, wonach das Polo verwahrt und die anderen spärlichen Kleidungsstücke am Leibe genehmigt waren. Danach trockene Floskeln, Bonmots, Spott, Witzchen, Zynismus und weitere Weisungen. Nachdem neue Kleidungsstücke zugekleidet in den raumeignen Kabinen und die dazugehörigen Formalitäten gereicht erging die Fortleitung zur nächsten Stelle, einen Nebenraum mit einer Schalteraufmachung, dort noch Signaturenaustausch und knopfentsperrte Türeneröffnung um in den nächsten Sammelpuffer zu gelangen, jener etwas geräumiger. Ein augenfälliges Merkmal, die Deckenkohlenstoffhinterlassenschaften. Ein Gedankengang überkam ihm sofort, wonach diese Kohlenstoffbemalungen wohl dem Äquivalent zur neolithischen Petrographie/ Petroglyphen, der Höhlenkunst, entspricht, vorwiegend Schriftzüge und Zahlencodes, es loderte demnach viel Zwist zwischen gewissen Informationen/ Organisationen, andere nannten hingegen das Jahr ihrer Geburt/ Erhebung und ihre Einhelligkeit und vieles mehr sprach die Kohlenstoffdecke. Der rauchende Hin- und Hergeher, der Nervöse, ließ die Verwalter vormals im Raume ebenfalls Gelächter auslassen, denn dieser äußerte „wollen zu sozialeamte“, damit bemühte dieser sich offenbar empathischere GmbH-Sachverwalter zu konsultieren. Er dachte sich dabei gleich woher dieser solcherlei Sachkenntnis aufgefasst hatte, sollten es doch gar Extrakte von Vorerfahrungen oder vorgesagte Informationen gewesen sein. Im Sammelbecken der Kohlenstoffdecke trafen nun alle vier Sachvorgänge dieses Morgens zusammen, die Mitlinge verschlug es wieder beieinander für Stunden. Die Bankaufstellung folgte der Geräumigkeit des Puffers. Nun standen längere Sitzgelegenheiten entlang der längeren Banden. Die Räumlichkeit besaß eine dreitürige Begehungsmöglichkeit. Eine flurparallele Bande besaß keine Bank, doch dafür ist das eine Winkelstück dieses Raumes mit einer Bank geschmiegt. Die Türbuchten natürlich frei von der Zustellung. Es verstrich genügend Zeit um mehr voneinander zu erfahren, die Frostigkeit schmolz in langgezogenem Augenblick dahin. Der Ungesprächige, was keineswegs an einer Abneigung lag, wie ihm erklarte, sondern vielmehr an der Anderssprachigkeit, äußerte nur wenig über sich, was diesem unbemüht den Anstrich eines Schwerkalibers verlieh, die zuvor erhaltenen spärlichen Infos über den Ungesprächigen ergänzten sich nur unwesentlich daher. Seinerseits versuchte dieser aber dennoch Fragen die diesem bedrückten irgend als möglich zu artikulieren bzw. gestikulieren. Es war gemessen am Aufwand diesem Erstausstattungs- und Eincheckrundlauf sowieso recht viel Zeit vorhanden, hierfür gereichte es auch für ein Nickerchen ohne REM-Tiefheit, dagegen setzte die Unbequeme die unwohle Einschränkung. Die Konversation geriet infolgedessen nicht zu kurz. Der gesprächige Zweitsprachler berichtete über und zeigte Bildliches von seiner Fortpflanzung, eine Aussage dabei, im holzigem Akzent, betraf seine erste Vaterschaft: „Ich haben niicht gewuusst, als Frau kam zu erste Besuch, hatte diicke, ich haben vor erste Mal hier drin bum bum machen…“. Inmitten des Wiederzusammenkommens trat eine Räucherwarenkrise auf, es fehlte am geeigneten Wickelmaterial für den getrockneten Pflanzenrohstoff. Er konnte dahingehend aushelfen, verfügte doch er über einige Seiten Durchschlag einer Liste auf der seine umdisponierten Eigentümer der Reihe