Walter Landin

Martin spielt im Mittelfeld


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Im nächsten Augenblick hatte ich die Rollschuhe schon ausgezogen.

      „Die sind noch etwas groß, die Fußballschuhe, aber du kannst ja hineinwachsen."

      Mama hat ein paar dicke Socken gesucht, und ich habe mir die Fußballschuhe genau angesehen. Ganz lange Schnürsenkel waren dran..

      „Die musst du um den Fuß binden", hat Papa erklärt. Schraubstollen waren dran, weiße Schraubstollen aus Plastik. Ein kleiner Stollenschlüssel lag dabei.

      „Mit dem schraubst du die Stollen an. Wenn die alten abgelaufen sind, kommen neue dran. Wenn der Platz matschig ist, brauchst du lange Stollen aus Metall. Und auf einem Hartplatz wieder andere."

      Papa hat nicht mehr aufgehört zu reden. Ich habe nur mit halbem Ohr hingehört. Die schönen Fußballschuhe, das weiche, schwarze Leder.

      „Ich habe auch so Fußballschuhe!"

      Yvonne hatte ich ganz vergessen. Sie stand immer noch vorn auf dem Gehweg.

      „Lüg doch nicht! Du und Fußballschuhe. Keine hast du und auch keine Disko-Roller!"

      „Hab ich doch!"

      Mama hat die Socken gebracht, und ich habe Yvonne einfach nicht mehr beachtet. Die Fußballschuhe waren wirklich zu groß. Aber egal. Papa hat gleich ein Spiel angefangen.

      „Unser armer Rasen."

      An Papas Stimme habe ich gleich gemerkt, dass er es nicht ernst meinte.

      „Jetzt könntest du doch in den Fußballverein gehen und in der Mannschaft spielen. Mit so wundervollen Fußballschuhen."

      Ich bekam einen Schrecken. Ob das mit den Fußballschuhen nur ein Trick war? Ob Papa sie mir gleich wieder abnahm? Aber Papa hat nichts mehr vom Fußballverein gesagt.

      „Ach, Sophia, du bist schon groß. Und schön schaukeln kannst du."

      Wieder Yvonne. Das hat sie bestimmt nur gesagt, weil sie sich einschmeicheln wollte. Wenn im Kindergarten ein anderes Kind abgeholt wird, fängt Yvonne manchmal an zu heulen. Ganz ohne Grund. Nur damit sich jemand um sie kümmert, damit sie bedauert wird. Und Frau Naumann fällt drauf rein, nimmt sie in den Arm und tröstet sie. Wie Yvonne mit Sophia-hinten, Sophia-vorne angefangen hat, habe ich eine schreckliche Wut gekriegt.

      „Wir können ja deinen Papa anrufen und ihm sagen, dass du hier am Gartenzaun stehst."

      Fies war das von mir. Yvonne war sofort weg.

      Sophia hat eine ganz schöne Schau abgezogen, weil Papa ihr nichts mitgebracht hatte. Ich habe mich nicht drum gekümmert. Am Abend habe ich meine neuen Fußballschuhe wieder saubergemacht und neben mein Kopfkissen gestellt.

      Martin will mitspielen

      „Stell dir vor, Jörg geht ins Fußballtraining, schon zweimal war er dort. Am Montag und am Mittwoch. Und samstags sind die Spiele, Punktspiele und Freundschaftsspiele. Aber Punktspiele sind wichtiger, hat Jörg gesagt. Gespielt hat er noch nicht in der Mannschaft. Erst mal trainieren, hat der Trainer gesagt."

      Solch wichtige Neuigkeiten musste ich sofort loswerden. „Jetzt zieh erstmal deine Jacke aus und häng die Kindergartentasche weg", hat Mama mich ein wenig gebremst. „Sophia, hast du dir die Hände gewaschen? Das Essen ist fertig."

      Im Winter war nicht viel los mit Fußball. Im Kindergarten mussten wir drinnen bleiben. Dann hat es geschneit, und ich bin mit Mama und Papa und Sophia im Wald Schlitten gefahren. Meine Fußballschuhe haben immer noch wie neu ausgesehen und neben dem Kopfkissen gestanden.

      Im März bin ich dann sechs geworden. Zehn Kinder waren wir bei der Geburtstagsfeier. Aber es hat geregnet. Also nichts mit Fußball. Marco ist hereingekommen und hat gesagt: „Ich brauch was zum Kämpfen!"

      Dann hat er die Puppe entdeckt, die ich mir zum Geburtstag gewünscht hatte. Sophia hat jede Menge Puppen. Aber wenn sie mir nur eine einzige ausleihen soll ... Also wollte ich selbst eine Puppe haben. Marco hat mich ganz ungläubig angeschaut.

      „Eine Puppe, kann man denn damit spielen?"

      Ich habe ihm keine Antwort gegeben, sondern bin auf den Balkon gestürmt und habe aus der Kommode die Plastikschwerter vom letzten Fasching geholt. Mit denen sind wir durch die Wohnung gezogen. Irgendwann hat Papa die Nase voll gehabt und die Schwerter versteckt. Wir haben mit der Lego-Ritterburg weitergespielt. Kein Stein ist auf dem anderen geblieben. Ich habe mich ziemlich geärgert, weil das nicht so einfach ist, die Burg aufzubauen. Das dauert lange, und ohne Papa schaffe ich das nicht. Am Abend gab's dann noch Krach mit Sophia. Den ganzen Tag hat sie kein Auge von meiner neuen Puppe, dem Max, gelassen. Und abends wollte sie ihn auch noch ins Bett bringen.

      Einige Tage nach meinem Geburtstag hat Jörg mir das mit dem Fußballtraining erzählt. Das Mittagessen war eine Qual. Ich habe nur im Teller rumgestochert.

      „Jetzt iss doch bitte mal! Wie oft soll ich das noch sagen?"

      Aber ich konnte nur an Fußball denken. Wenn nur Papa schon da gewesen wäre. Dann hätten wir im Garten ... Aber Mama hat gesagt, dass Papa später kommt.

      „Bis er da ist, ist es längst dunkel."

      Warum musste er ausgerechnet heute so spät kommen? Nach dem Essen habe ich den Softball gesucht. Das ist ein Schaumgummiball. In der Wohnung darf ich nur noch mit dem kicken. Papa hat mal mit einem richtigen Lederball vom Kinderzimmer aus durch die offene Tür in die Küche geschossen. Und auf dem Küchentisch stand eine Flasche Himbeersirup. Volltreffer! Es hat geknallt, die Flasche lag in tausend Scherben zersplittert auf dem schönen, grünen Küchenteppich. Der war aber mehr rot in dem Augenblick.

      Papa hat keinen Tobsuchtsanfall gekriegt, sondern gelacht, laut gelacht. Der Teppich kam zum Sperrmüll, und ich habe einen Softball bekommen. Unterm Bett von Mama und Papa lag der Ball jetzt, in der hintersten Ecke, ich bin kaum drangekommen.

      „Sophia, du spielst im Tor", habe ich bestimmt und die dicken Handschuhe aus dem Flur geholt. Sophia hat sich zuerst geweigert.

      „Nein, die ziehe ich nicht an, die sind viel zu warm für die Wohnung."

      „Ein Tormann hat immer Handschuhe an."

      „Ich bin kein Mann, ich bin ein Mädchen."

      Sophia muss immer das letzte Wort haben, aber die Handschuhe hat sie dann doch angezogen.

      „So musst du dich ins Tor stellen, Sophia, die Beine breit auseinander, die Hände hochhalten."

      Sophias Kleiderschrank war das Tor. Mama war froh, dass sie mal ein paar Minuten ihre Ruhe hatte und sich an den Schreibtisch setzen konnte. Sieben Tore habe ich geschossen, zweimal hat Sophia gehalten. Ich habe nur ganz leicht geschossen, damit sie nicht so schnell die Lust verliert. Ein Ball ist ihr an den Kopf geflogen. Da hat das Telefon geklingelt.

      „Das ist für mich!"

      Ich bin in den Flur gestürzt und habe den Hörer vom Telefon gerissen. Es war Jörg. Seine Mama hat dann meiner Mama die Telefonnummer vom Trainer gegeben. Im Kinderzimmer hat Sophia an ihrem Schreibtisch gesessen und gemalt. Haus mit Baum und Vogel mit Wurm im Schnabel. Jeden Tag Haus mit Baum und Vogel mit Wurm.

      „Zieh sofort wieder die Handschuhe an! Du bringst alles durcheinander."

      Sophia hat den Kopf geschüttelt.

      „Will nicht mehr. Fußball ist doof! Immer vorm Schrank herumstehen, die harten Schüsse abkriegen. Spiel doch allein!"

      Wenn sich Sophia mal was in den Kopf gesetzt hat ...

      Ich habe sie in den Arm gekniffen und allein gekickt, an den Schrank, und versucht, den zurückspringenden Ball zu fangen. Aber das war langweilig. Ich habe mich in die Kuschelecke verkrochen, mit einem Bilderbuch, und auf Papa gewartet. Der ist aber wirklich spät nach Hause gekommen! Mama hat Sophia und mir zwei Birne-Geschichten vorgelesen, und Sophia war schon lange eingeschlafen. Ich war auch ziemlich müde, aber ich habe versucht, die Augen offenzuhalten, habe mich immer wieder