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Christoph Martin
Die Odyssee
Homer
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Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1: Olympos – Telemachos und Athene
Kapitel 2: Ratsversammlung auf Ithaka – Telemachos’ Abreise
Kapitel 3: Telemachos bei Nestor
Kapitel 4: Telemachos bei Menelaos
Kapitel 9: Kikonen – Lotosesser – Kyklop
Kapitel 10: Aiolos – Laistrygonen – Kirke
Kapitel 12: Die Sirenen – Skylla und Charybdis – Helios' Rinder
Kapitel 14: In der Hütte des Eumaios
Kapitel 15: Telemachos zurück auf Ithaka
Kapitel 16: Odysseus und Telemachos
Kapitel 17: Der Bettler im Palast
Kapitel 19: Eurykleia erkennt Odysseus
Kapitel 21: Der Wettkampf mit dem Bogen
Kapitel 22: Der Tod der Freier
Kapitel 23: Penelopeia und Odysseus
Kapitel 24: Die Freier in der Unterwelt – Der Frieden des Zeus
Kapitel 1: Olympos – Telemachos und Athene
Erzähle, Muse, vom weltgewandten Mann, der weit reiste und viel herumkam, nachdem er das berühmte Troja zerstört hatte. Viele Länder und Städte sah er, lernte deren Sitten und Gebräuche kennen; auf See geriet er in Not, versuchte sein Leben zu retten und seine Männer nach Hause zu bringen; doch was er auch tat, seinen Gefährten konnte er nicht helfen: Sie gingen durch eigene Dummheit zugrunde, denn sie frevelten und aßen von den Rindern des Helios. Deshalb verhinderte der Gott, dass sie den Tag ihrer Heimkehr erlebten. Erzähle auch uns davon, Göttin, Tochter des Zeus, und fang einfach irgendwo an...
Alle anderen Helden, die dem reißenden Strom des Untergangs entkommen waren, dem Krieg und dem Meer, waren schon glücklich zu Hause. Nur ihn, der krank war vor Verlangen nach seiner Frau und seiner Heimat, hielt eine Nymphe gefangen: Kalypso, die himmlisch hübsche Göttin. Als Mann wollte sie ihn haben, für immer, in ihrer geräumigen Grotte. Und viel, viel später, als im Reigen der Jahre das Jahr heraufzog, in dem die Götter ihn nach Ithaka heimkehren ließen, sollte er auch dort, mitten unter den Seinen, die Sorgen und Kämpfe nicht los sein.
Doch nun hatten die himmlischen Götter erst mal Erbarmen mit ihm, außer Poseidon, der nicht aufhören sollte, Odysseus mit seinem Hass zu verfolgen, bis der endgültig in sein Land heimgekehrt sein würde.
Im Moment aber war Poseidon fort, beinahe am Ende der Welt; er besuchte die Aithioper, ein Volk, das in zwei Landesteilen lebt; im einen geht die Sonne auf, im andern geht sie unter. Der Gott hatte dort ein Opfer von hundert Stieren und Schafen entgegenzunehmen. Während er es sich gutgehen ließ beim Festessen, versammelten sich die anderen Götter bei Zeus in den Hallen des Olympos.
Der Vater der Menschen und der Götter nahm das Wort; ihn beschäftigte immer noch der Fall des adligen Aigisthos, der gerade von Orestes, dem Sohn des Agamemnon, ermordet worden war. Und er plauderte ein wenig aus der hohen Schule: "Ach, wie gewöhnlich! Die Sterblichen beklagen sich wieder mal über uns. Für alle Übel wollen die Menschen den Göttern die Schuld in die Schuhe schieben! Dabei ist es doch meistens ihre eigene Dummheit und nicht das Schicksal, worunter sie leiden. Das beste Beispiel ist Aigisthos: Musste er sich unbedingt an die Frau des Agamemnon heranmachen, während der im Trojanischen Krieg kämpfte? War es etwa Schicksal, dass er den heimkehrenden Ehemann totschlug? Schließlich wusste er ganz genau, dass er sich damit den Tod einhandeln würde. Ich hatte extra Hermes zu ihm geschickt, um ihn zu warnen, nur ja nicht diesen Mann zu ermorden und seine Frau zu verführen. Sonst würde nämlich Orestes, der Sohn des Agamemnon, sobald er den Kinderschuhen entwuchs, in seine Heimat zurückkehren und sich für den Mord an seinem Vater rächen. Ausführlich und mit den besten Absichten hatte Hermes ihm das klar gemacht, doch Aigisthos hörte nicht auf ihn. Nun hat er für alles die Quittung bekommen."
Darauf sagte die Göttin mit den strahlenden Augen, Athene: "Vater, Sohn des Kronos und oberster Gebieter! Ganz klar, dass Aigisthos den Tod verdient hat, wie jeder Mensch ihn verdient, der solche Verbrechen begeht. Weit stärker aber rührt mein Herz die Notlage des gerissenen Odysseus, der schon seit längerem zutiefst unglücklich fern von seiner Heimat und seinen Lieben festsitzt, auf einer bewaldeten Insel inmitten der unendlichen Weiten des Meeres, auf der eine kleine Göttin das Sagen hat. Sie ist die Tochter des Atlas, des tückischen Unheilsgottes, dessen Reich der dunkle Meeresgrund ist und der allein die riesigen Säulen trägt, die Himmel und Erde voneinander trennen. Seine Tochter ist es, die den Unglücklichen bei sich festhält. Mit Zärtlichkeiten und Schmeicheleien versucht sie ihn zu bezaubern, damit er seine Heimat Ithaka vergisst. Doch nun wird er langsam lebensmüde dort und wünscht sich nichts sehnlicher, als noch einmal den Rauch aus seinem heimatlichen Herd aufsteigen zu sehen. Findest du das nicht auch rührend, Olympier? Und hat dich Odysseus nicht immer mit seinen heiligen Opfern erfreut, die