Rolf W. Meyer

Spurensuche zur Entwicklungsgeschichte des Menschen


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gleichsam die Änderungen der Änderungen‘. Diese erhöhten offenbar den Selektionsdruck. […] Dies hatte wiederum Auswirkungen auf die örtliche [afrikanische] Pflanzenwelt und damit den Tierbestand sowie Vormenschen wie den Australopithecus, der vor etwa einer Million Jahren ausstarb. Andere Vorläufer des Menschen hingegen konnten sich unter den geänderten Bedingungen plötzlich besser durchsetzen, weil sie anpassungsfähiger waren. ‚Der Generalist Homo hatte im stärker schwankenden Klima bessere Chancen als spezialisierte Vormenschen‘, so Donges“. [36]

      Eine ungewöhnliche Methode der Höhlenforschung haben der Archäologe Tilmann Lenssen-Erz und der Prähistoriker Andreas Pastoors 2014 mit Hilfe von drei Fährtenlesern der San aus Namibia angewandt. Diese Bewohner der Kalahari sollten 17.000 Jahre alte versteinerte Fußabdrücke frühzeitlicher Menschen in der Höhle Tuc d’Audoubert in den Pyrenäen neu auswerten. Das Ergebnis dieses Forschungsprogrammes: „Die Buschmänner konnten aus den Spuren lesen, dass sich in den Höhlen die Menschen der Steinzeit ‚ganz normal‘ aufgehalten hatten. Auch Kinder- und Frauenspuren konnten sie entdecken und so die These entkräften, nur Männer hätten die Höhlen zu kultischen oder rituellen Zwecken betreten dürfen“. [37]

      Nachgefragt

      1. Welche Bedeutung haben Zähne für die Paläoanthropologie?

      Da Zähne vom Zahnschmelz bedeckt sind (der härtesten Substanz des menschlichen Körpers) und ihr Inneres ebenfalls aus sehr hartem, mineralisierten Zahnbein besteht, stellen sie die Mehrzahl aller Homininenfossilien. Zähne liefern sehr viele Aufschlüsse über Alter, Geschlecht, Ernährung, Gesundheit und systematische Stellung früherer Homininen. Erwachsene Homininen besitzen wie alle Altweltaffen (Catarrhini) 32 Zähne (je 16 im Ober- und Unterkiefer). Die Krone jedes Homininenzahns hat ihre eigene Anatomie, so dass man ihre Stellung im Gebiss genau feststellen kann.

      Als Dryopithecus-Muster bezeichnet man die nach den Dryopithecinae benannte fünfhöckrige Kronenstruktur der unteren Backen- oder Mahlzähne (Molaren). Die zwischen den Höckern liegenden Furchen bilden ein fünffaches Y-Muster.

      Einblicke in die Ernährung der ersten Homininen liefert die Untersuchung der Vorsprünge bei den Molaren, die Größenverhältnisse der Zähne, die Dicke des Zahnschmelzes und makroskopisch und mikroskopisch sichtbare Abnutzung der Zähne. Dicker Zahnschmelz, wie man ihn bei Homininen findet, verlängert die Lebensdauer des Zahns. Vermutung: Der Zahnschmelz ist eine Anpassung an das starke Kauen der Nahrung.

      Die Australopithecinen, die vermutlich von grober, minderwertiger pflanzlicher Nahrung lebten, hatten von allen Primaten den dicksten Zahnschmelz.

      Wie alt ein Hominine bei seinem Tod war, ist am Zustand der durchgebrochenen Zähne sowie an ihrer Abnutzung zu erkennen. Im Unterkiefer von „Lucy“ (Australopithecus afarensis) ist der dritte Molar, der Weisheitszahn, durchgebrochen und zeigt gerade die ersten Abnutzungserscheinungen. Folgerung: Lucy war bereits erwachsen, als sie starb.

      Manchmal ist an den Zähnen auch der Gesundheitszustand zu erkennen. So können Krankheiten oder schlechte Ernährung zu Zahnentwicklungsstörungen führen, die sich als Löcher oder Furchen im Zahnschmelz zeigen. Selbst eine Abszess-Bildung lässt sich erkennen: Liegt unter einem abgebrochenen Zahn der Wurzelkanal frei, kann sich ein Abszess bilden, den man an resorbiertem Knochen rund um die Zahnwurzel erkennt.

      2. Warum werden so häufig Zähne zur Beurteilung der Verwandtschaftsbeziehungen von Schädelfunden herangezogen?

      Zähne sind sehr haltbar. Ihre Form macht weitgehende Rückschlüsse möglich, unter anderem auch auf die Ernährung und damit auf die Lebensweise. Bei Menschen, Menschenaffen und ihren gemeinsamen Vorfahren weisen die Zähne das gleiche Oberflächenmuster auf.

      3. Durch den Vergleich der Messergebnisse von Knochen und Zähnen fossiler Funde ist man in der Lage zu sagen, um welche Homininenart es sich handelt. Die Anatomie gibt gleichzeitig Hinweise auf das körperliche Leistungsvermögen und die Lebensgewohnheiten. Welche Aussagen zu den Lebensgewohnheiten von Homininen lassen sich aufgrund folgender fossiler Fundobjekte machen: Schultergürtel, Daumen- und Fingerknochen, Hüftknochen, Schenkelknochen, Zehenknochen, Schädel, Kiefer und Zähne?

Fundobjekt Lebensgewohnheiten
Schultergürtel Hinweise auf Boden- und Baumbewohner
Daumen- und Fingerknochen Hinweise auf Greifvermögen
Hüftknochen, Schenkelknochen, Zehenknochen Hinweis auf Fortbewegungsart (z. B. vierfüßiger Kletterer, Zweifüßer, aufrechter Gang)
Schädel Hinweise auf Gehirnvolumen und die Fähigkeit zu sehen und zu riechen
Kiefer und Zähne Hinweise auf Nahrungsgewohnheiten

      4. Welche Arbeitsmethoden werden bei Geländearbeiten und bei Laborarbeiten angewandt?

      Welche Verfahren wendet man bei Datierungsmethoden an?

      Geländearbeiten: Untersuchung durch Sedimentologen und Tektoniker; Paläontologen führen Grabungen durch; Dokumentation einer Fossilienfundstelle; archäologische Grabungen; Schlämmen durch mehrere Siebgrößen; vorläufige Konservierung eines Fossils; Katalogisierung der Funde

      Laborarbeiten

       Präparation der Fossilienfunde und Herstellung von Abgüssen

       Computertomographische Darstellung von im Knochen befindlichen Strukturen

       Dokumentation der Funde im 3D-Labor

       Computertomographie-Scanner ermöglichen Innenstrukturen sichtbar zu machen.

       Mit Hilfe eines Massenspektrometers ermittelt man die Isotopenzusammensetzung in Knochen- und Zahnproben.

       Bei der Untersuchung der Mikroanatomie von Zahnschmelz arbeitet man mit einem Rasterelektronenmikroskop.

      Datierungsmethoden

       A) Relative Datierungsmethoden

      Stratigraphie: Archäologische Funde sind in geologische und archäologische Horizonte eingebettet. Bei einer Ausgrabung werden diese Schichten dokumentiert, indem z.B. Profile gezeichnet werden.

      Typologie: Grundlage der Typologie ist die Beobachtung, dass ein Produkt in einer bestimmten Region und zu einer bestimmten Zeit ein bestimmtes Design (Muster) hat und dass Änderungen dieses Designs in eine Entwicklungsreihe gebracht werden können.

      Chronologie des Eiszeitalters (Pleistozän): Das Pleistozän ist gekennzeichnet durch mehrere Eisvorstöße (Glaziale) und Eisrückzüge (Interglaziale), also Perioden kälteren und gemäßigteren Klimas. Zusätzlich zu diesen Hauptperioden sind kleinere Klimaschwankungen bekannt. Die verschiedenen Klimaperioden haben geologische Spuren hinterlassen: z.B. Lössanwehungen und Moränenbildungen während der Glaziale, Bodenbildungen während der Interglaziale. Diese geologischen Befunde können für verschiedene Regionen parallelisiert werden und ergeben eine Chronologie des Eiszeitalters.

      Tiefseesedimentkernproben: Als Bohrkerne entnommene Ablagerungen der Ozeanböden stellen eine wichtige Dokumentation der Klimaveränderungen während der letzten 2 Millionen Jahre dar. Aus den Sedimenten lassen sich die Temperaturschwankungen der Ozeane herauslesen. Die Sedimente setzen sich vor allem aus den Gehäusen einzelliger Meerestiere, den Foraminiferen („Kammerlinge“), zusammen.

      Eiskerne: Auch Bohrkerne der Eisdecken der Arktis und Antarktis liefern Daten über Klimaschwankungen der letzten Jahrtausende. Die Eisschilde bestehen