Jo L.L. Roger

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du Kino 11 übernehmen?“

      „Selbstverständlich!“, freut sich Carl über das Vertrauen seines Vorgesetzten, den größten Saal des AmphiPlex zu betreuen.

      „Sehr gut! Sei bitte nicht überrascht, dass dort noch ein Videoprojektor aufgebaut wird. Der Verleih ist heute Morgen auf die glorreiche Idee gekommen, dass die Ehrengäste die Carpetshow live sehen sollen.“

      „Super!“, seufzt Carl.

      „Dies bedeutet leider, dass hier eine Menge betriebsfremder Leute herumlaufen. Achte bitte ein wenig darauf, dass die keinen Unsinn anstellen.“

      „Mach ich!“ Carl begibt sich nach einigen Momenten in den Vorführraum von Kino 11. Dort angekommen begrüßt er einen einsamen Techniker, der gerade letzte Einstellungen am Videoprojektor vornimmt.

      „Hallo!“

      „Servus! Ich bin der Hannes!“, antwortet ihm der Mittvierziger mit den kurz rasierten grauen Haaren, während er Carl die Hand entgegen streckt.

      „Ich bin Carl.“

      Die beiden Männer schütteln die Hände.

      „Brauchst du lange, um deine Kiste einzustellen? Ich muss vor dem Einlass eine Testschleife durch den Filmprojektor laufen lassen.“

      „Kannst gleich hin, bin mit dem Ausrichten der Optik fast fertig und warte nur noch auf die Videosignale von den Kamerateams.“

      Carl nickt zustimmend und beginnt die Mechanik seines Projektors sorgfältig zu reinigen. Während er liebevoll Zahnkränze, Umlenkrollen und die Filmbahn mit einem weichen Tuch abwischt, schließt der Techniker das Set-up des Videoprojektors ab. Aus einem silbernen Filmdöschen holt Carl einen Filmstreifen, der zu einer Endlosschleife zusammengeklebt ist. Er legt die Schleife ein und startet den Projektor. Behutsam dreht er am mechanischen Schärferegler, bis das Testmuster auf der Leinwand gestochen scharf erscheint. Hannes beobachtet die Arbeit durch die Glasscheibe, die den Saal vom Vorführraum trennt. „Ach, ich liebe das alte analoge Zeug!“, schwärmt der Techniker. „Da hat man noch eine echte Maschine in der Hand und nicht dieses seelenlose, digitale Klump.“

      „Um ehrlich zu sein, für den normalen Kinobetrieb wäre mir ein Videoprojektor lieber.“

      „Hahaha! Glaub mir, das Videozeug taugt doch nix im Vergleich zu einem guten Kinofilm.“

      „Das ist doch die Zukunft?“

      „Vielleicht, aber ich bin kein großer Fan von dem digitalen Krempel. Ist mir alles irgendwie zu steril.“

      Bevor er antworten kann, wird er von Jens angefunkt. „Ist Kino 11 für den Einlass bereit?“, krächzt es aus dem Walkie-Talkie.

      „Wie sieht’s bei dir aus, Hannes?“

      „Meinetwegen können die Leute kommen.“

      Carl stoppt den Testfilm und schaltet die Beleuchtung des Zuschauerraums ein. „Technik in Kino 11 startklar“, antwortet er ins Funkgerät.

      „Okay, wir bereiten den Saal für den Einlass der Ehrengäste vor!“, ertönt es verrauscht aus dem Äther.

      Carl grinst Hannes an. „Dann lass uns dem Saal mal ein wenig Seele verpassen.“ Dieser schaut ihn verdutzt an, als er den Sicherheitsschrank mit den Filmkopien öffnet. Sorgfältig entnimmt er den gekoppelten Kinofilm und legt ihn auf die Telleranlage. Seelenruhig fädelt er den Filmstreifen in den Projektor ein. Mit leuchtenden Augen beobachtet ihn der Techniker dabei. „Ich brauch jetzt erst mal ne Coke. Soll ich dir auch etwas mitbringen?“, fragt er Hannes.

      „Gerne, gerne. Ein Spezi, falls ihr das habt.“

      „Selbstverständlich!“ Carl verlässt den Projektionsraum über die Wendeltreppe zum Foyer. Die meisten Techniker sind dort mittlerweile verschwunden, dafür warten attraktive Hostessen auf ihren Einsatz. Einzig das Kinopersonal scheint noch beschäftigt zu sein. Selbst Monique und Leonard, die sich an der Theke unterhalten, wirken entspannt. Als Leonard Carl im Foyer bemerkt, begrüßt er ihn mit Handschlag. „Du hast sehr gute Arbeit beim Koppeln der Filme geleistet. Alle Kopien, die wir am Vormittag geprüft haben, sind perfekt gelaufen.“

      „Danke!“

      „Sie führen in Kino 11 vor?“, fragt Monique.

      „Ja. Unser Vorführleiter bleibt lieber im Regieraum, damit er das gesamte Kino im Auge hat.“

      „Ich verstehe“, entgegnet Leonard.

      Monique lächelt ihren Kollegen freundlich an. „Wir sehen uns später. Ich bin am Infocounter, falls du nach mir suchst.“

      Leonard nickt ihr zu und wendet sich an Carl. „Stört es dich, wenn ich während der Premiere im Vorführraum von Kino 11 bleibe?“

      „Wieso sollte es?“

      „Dann sehen wir uns dort in einer guten Stunde!“ Leonard blickt auf die Uhr und verlässt ihn in Richtung Kino 14, vor dem sein Kollege Johannson wartet. Ohne Leonard weiter zu beachten, bestellt Carl bei der Kollegin hinter der Theke die versprochenen Getränke. „Bitte eine Cola und ein Spezi!“

      „Soll ich die auf den Verleih schreiben?“, fragt sie nach.

      „Selbstverständlich!“

      * * *

      Die Techniker und Kinomitarbeiter haben den Catwalk mittlerweile verlassen. Carl stützt den Oberkörper mit beiden Armen auf dem Geländer ab, während er den Blick über die Premierengäste im Foyer schweifen lässt. Auf der oberen Ebene des AmphiPlex herrscht bereits dichtes Gedränge beim Einlass in die Kinosäle. Dort warten die gewöhnlichen Besucher, die teure Premierenkarten gekauft haben. Abgetrennt von ihnen auf der unteren Ebene lassen sich geladene Gäste, Darsteller, lokale Prominenz und ausgewählte Journalisten Zeit, die jeweiligen Säle zu betreten. Auch Hannes bestaunt das Spektakel im Foyer. Er trägt ebenfalls ein Funkgerät, doch im Gegensatz zu Carls klobigem Walkie-Talkie, benutzt er ein professionelles Headset. Zwischen den Besuchern erkennt Carl die Kollegen der Theaterleitung. Jens trägt einen dunklen Anzug mit den notwendigen Accessoires, während Thomas, sein grobschlächtiger Assistent mit dümmlichem Gesichtsausdruck, nur ein kariertes Jackett über das T-Shirt gezogen hat. Beiläufig folgt Carl dem nervösen Funkverkehr der Theaterleitung. Die Vorstellungen auf der oberen Ebene werden nacheinander gestartet. Zusammen mit Monique betritt Jens den ersten Saal auf der unteren Ebene, in dem die Journalisten sitzen, um dort das Startkommando zu geben. Langsam leert sich das Foyer. Vor Saal 11 verweilen einige Gäste, die offensichtlich alle Zeit der Welt besitzen, da die Vorstellung nicht ohne sie beginnen wird. Nachdem Leonard mit einem der VIPs geplauscht hat, winkt er Thomas zu sich, damit dieser die Tür zum Vorführraum aufsperrt. Obwohl Jens und Monique noch mit anderen Sälen beschäftigt sind, kehrt Carl in den Vorführraum zurück. „Hallo, Carl. Es geht gleich los“, begrüßt ihn Leonard.

      „Okay.“

      „Bist du nicht aufgeregt?“

      „Nein. Für mich ist das wie jede andere Vorstellung.“

      „Ich hätte erwartet, dass dich das Besondere einer Premiere reizt.“

      „Da muss ich Sie leider enttäuschen.“ Carl hält kurz inne. Er taxiert den Asiaten. „Sind Sie aufgeregt? Für Sie sind solche Veranstaltungen sicherlich Routine.“

      „Das stimmt zwar, aber es ist immer wieder spannend.“

      Hannes schlendert vom Catwalk in den Vorführraum. Er blickt kurz auf den Laptop, mit dem er den Videoprojektor steuert. Routiniert kontrolliert er die winzigen Vorschaumonitore mit den verschiedenen Videosignalen. Carl nimmt auf einem schlichten Hocker neben dem Filmprojektor Platz, von dem aus er den Techniker bei dessen Arbeit bewundert. Leonard setzt sich trotz des Anzugs auf die Stufen aus Blech, die zum Catwalk führen. Hannes bekommt Informationen über das Headset mitgeteilt, die Leonard und Carl nur als dumpfes Säuseln wahrnehmen. Der Techniker bestätigt die Anweisungen: „Ich wechsle zum Standbild.“

      „Carl! Bitte in Kino 11 bereithalten!“,