„Guten Morgen Kleiner Bär! Nimm Platz.“
„Das Frühstück ist echt super! Danke für deine Mühe!“
„Bitte sehr! Wir werden heute einen längeren Spaziergang machen. Was meinst du?“
„Wo gehen wir hin?“, fragte ich.
„Dort, wo du deinem wahren Wesen begegnest!“, entgegnete er.
Damit wusste ich nichts anzufangen. Eine eigenartige Antwort.
Wir liefen ins Tal. Unterwegs zeigte er mir einige Leckereien, die uns die Natur bot. Der Weg kam mir bekannt vor. Als wir erneut einen Anstieg näher kamen, erkannte ich die Strecke. Mir war flau im Bauch, denn hier war alles voll Asche. Grau in Grau.
„Komm Kleiner Bär, lauf weiter!“, ermutigte mich Max, bis ich mitten im Grau anhalten sollte. Er wollte tatsächlich an Ort und Stelle pausieren.
Nach einer Weile: „So grau ist dein Alltag!“
Ich überlegte: „Weshalb ist mein Alltag so grau wie diese Landschaft?“
„Weil du, außer in einigen Momenten deines Urlaubes, zu sehr an Vergangenheit und Zukunft denkst. Du denkst überhaupt zu viel“, meinte er.
„Wieso? Ist denken nicht wichtig?“
„Schon, aber zu viel denken bringt dein Gemüt durcheinander. Und dein Gemüt will ständig denken. Ein Teufelskreislauf“, fügte er kopfschüttelnd hinzu.
Mag sein, grübelte ich.
„Ist so!“, hörte ich ihn reden.
Sehr verwundert schaute ich ihn an, weil er wahrscheinlich meine Gedanken kannte.
„Mein Alltag ist schon irgendwie grau. Meist mache ich das gleiche. Tag ein, Tag aus. Der ewige Trott. Wenn du es da besser hast, freut mich für dich!“, sagte ich etwas bekümmert.
Er hatte Recht. Das war nicht zu leugnen.
„Es ist nicht das was du meinst. Jeder Tag ist neu. Jeder Tag ist anders als alle Tage die davor waren, und die noch kommen werden. Du lebst sie nur nicht richtig, weil dein inneres Gleichgewicht nicht im Lot ist. Du wünschst es zwar, doch brauchst du dazu Hilfe. Das ist einer der Gründe, warum wir uns begegnet sind!“
„Du weißt was ich mir wünsche?“
Das ging mir zu weit, auch wenn er eine durchaus große Menschenkenntnis besitzt.
„Ich erkenne dein Inneres. Dein Herz und deine Seele wollen Frieden. Du brauchst mehr Humor. Lebe wie ein Kind. Genieße jeden neuen Tag und denke nicht wie was war. Grüble nicht über die Zukunft nach. Sie kommt meist anders als du es dir vorstellst.“
„Ja, ist ab und zu so. Manchmal kommt was dazwischen.“
„Wie reagierst du, wenn so etwas passiert?“
„Etwas verärgert. Je nach dem.“
„Das ist dein Gemüt!“
„Sicher“, sagte ich. „Alles ist nicht angenehm.“
Max: „Da hast du Recht. Komm, las uns noch etwas bergauf gehen. Ist es nicht so, daß unvorhergesehene Dinge zum Leben gehören?“
„So ist das Leben“, gab ich zur Antwort. Dabei war ich mehr beschäftigt das unwegsame Gelände zu meistern. Es war dafür die kürzeste Route zum Gebirgsbach. Ich wusste nicht was er dort wollte. Wasser hat er selbst genug am Brunnen seines Hauses.
„Gehe voraus!“, wies er in die entsprechende Richtung und stupste mich freundschaftlich an.
Ich vermutete, daß er mir etwas zeigen wollte.
Am Bach angekommen sollte ich über einen breiten Holzstamm balancieren. Er war an dieser Stelle knietief und knapp drei Meter breit. Der Stamm war etwas glitschig. Auf halben Weg drehte er sich plötzlich unter meinen Füßen. Daraufhin verlor ich das Gleichgewicht und flog in das kalte Wasser. Als ich schnell ans Ufer watete sah ich Max mit einem Bein auf dem Baumstamm stehen.
„Was soll denn das?“, fragte ich verärgert. Das Wasser war wirklich kalt und ich fror.
„So ist das im Leben!“, antwortete er mir. Wenigstens lachte er mich nicht aus. Nach dem kleinen Scherz hatte ich das zwar erwartet, doch er tat es nicht. Was wollte er?
„Mir ist kalt. Ich möchte zurück. Das macht wirklich keinen Spaß!“
„Du brauchst nicht umzukehren. Folge mir einfach. Außerdem muss nicht alles Spaß machen im Leben. Hast du selbst gesagt. Und ein Zurück gibt es nicht.“
Er stand am Baumstamm. Jetzt war für mich die Gelegenheit der Revanche gekommen. Ich beugte mich vor, ergriff den Stamm und wollte ihn drehen. Er bewegte sich einfach nicht.
Während Max unbeschwert an mir vorbeiging sagte er: „Der Stamm und ich sind zu schwer für dich!“
Ich hätte mich wirklich gefreut, wenn er auch ins Wasser geflogen wäre.
Gerade, als ich mich über mein Misslingen ärgern wollte rief er ohne sich umzudrehen: „Komm, du solltest dich aufwärmen.“
„Wo denn bitteschön?“, fragte ich noch etwas mürrisch.
Die nasse Kleidung und die kalte Luft waren bereits unangenehm. Die Gedanken ihn zu überlisten verflogen.
Hinter einem Hügel sah ich Dampf aufsteigen. Als ich näher kam stand ich vor einer Art Zelt, was mich von der Form an ein Iglu erinnerte.
„Was ist das? Zum aufwärmen?“
Hinter dem Zelt sah ich noch einen Bären. Er war sicher im gleichen Alter wie Max.
„Hallo kleiner Bär!“, begrüßte er mich.
„Hallo!“, entgegnete ich.
„Ich bin Yvo und das ist eine Schwitzhütte. Sie ist extra für uns vorbereitet.“
„Danke!“ sagte ich, ohne zu wissen was das zu bedeuten hatte. Für uns sagte er. Es war alles geplant stellte ich fest. Mein Ärger verflog. Außerdem hatte ich gelernt, daß genau das, was man sich selbst vorgibt und gedankenlos daherplappert zu leicht wirklich passieren kann.
Yvo reichte mir und Max einige Körner, welche wir zerkauten und mit etwas Wasser einnahmen.
„Lege deine nasse Kleidung ab und komm herein!“, forderte mich Max auf.
„Hier dampft dein Gemüt ab und du kannst dich aufwärmen.“
Er war wirklich gut vorbereitet und ich hatte das Gefühl alles war zu meinem Besten.
Meine Kleidungsstücke legte ich über ein Holzgerüst, welches dafür vorgesehen schien.
Ich bemerkte, daß seine Worte mich auf mein inneres Ungleichgewicht hinwiesen.
Manchmal ist das Gemüt zu hitzig, und wir als Menschen sind dabei oft sehr kalt anderen gegenüber.
Der Sturz ins kalte Wasser war ein Gleichnis meiner inneren Einstellung. Wenn man stürzt, gibt es nur den Weg nach vorn. So lange man wieder aufstehen kann geht es weiter. Und kaltes Wasser macht wach. Normalerweise.
In der Schwitzhütte war es dunkel. Die glühenden Steine in der Mitte ließen kaum Licht durch.
Max: „Wir wollen hier zusammen ausruhen. Lass von all deinen Gedanken und Sorgen ab. Hier bekommst du einen klaren Kopf.“
Ich versank in einen Zustand der Ruhe.
Yvo kam in die Schwitzhütte. Der Eingang konnte dicht verschlossen werden. Er legte etwas feuchtes Gras mit verschiedenen Kräutern auf die Steine. Dadurch entstand Dampf, der angenehm wärmte. Meine Poren öffneten sich und ich atmete den Duft und die Frische ein. Es war, als ob mein ganzer Körper atmete. Ich entspannte und fühlte mich wohl. Dabei war ich sehr aufmerksam. Meine Sinne schienen auf Hochtouren zu Laufen.
„Nun werde