Edgar Wallace

Edgar Wallace - Gesammelte Werke


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interessante Funde zeigen«, erklärte er dann liebenswürdig. »Ich danke Ihnen verbindlichst für Ihre Freundlichkeit.«

      »Vielleicht kommen Sie wieder einmal hierher – ich würde Sie dann gerne in Beverley Green herumführen.«

      »Das wäre mir ein großes Vergnügen.« Es war keine Höflichkeitsphrase, sondern Andys wirkliche Meinung.

      Er stieg hinter Scottie die Treppe des Gästehauses hinauf und folgte ihm in das hübsche Zimmer, das ›Professor Bellingham‹ zwei Tage lang bewohnt hatte.

      »Mißtrauen ist der Fluch unserer Zeit«, beklagte sich Scottie bitter. »Glaubten Sie etwa, daß ich nicht wieder zu Ihnen hinuntergekommen wäre, wenn Sie mich allein gelassen hätten?«

      Scottie war mitunter kindisch, und Andy gab sich gar nicht die Mühe, auf diese Frage zu antworten.

      Ein Ausdruck gekränkter Unschuld lag auf den Zügen des großen Mannes, als er in den Wagen stieg.

      »Es gibt zu viele Autos jetzt«, beschwerte er sich. »Durch unvorsichtiges Fahren kommen täglich Hunderte um. Was wollen Sie eigentlich von mir, Macleod? Was Sie auch gegen mich vorbringen mögen, ich habe in jedem Fall ein Alibi.«

      »Wo haben Sie das her? Haben Sie es auch bei den Versteinerungen gefunden?« fragte Andy.

      Scottie hüllte sich in würdevolles Schweigen.

      Nachdem man in Beverley angekommen war, mußte Andy erst noch einige Formalitäten erledigen, bevor der Gefangene nach London überführt werden konnte.

      Es wurde ihm auf der Polizeistation mitgeteilt, daß die Überführung erst noch von einem lokalen Justizbeamten genehmigt und angeordnet werden müsse.

      »Wo kann ich denn einen finden?« fragte Andy.

      »Da ist zunächst Mr. Staining, Sir«, sagte der Polizeisergeant gemütlich, »aber der ist gerade krank. Dann Mr. James Bolter, aber der ist auf Urlaub. Mr. Carrol – gut, daß ich daran denke, der ist zur Pferdeschau gegangen. Er züchtet nämlich –«

      »Es scheint hier etwas in der Luft zu liegen«, unterbrach ihn Andy, »das die Leute schwatzhaft macht, Sergeant. Aber vielleicht habe ich mich nicht deutlich genug ausgedrückt. Ich wollte nicht die Leute wissen, die nicht zu sprechen sind. Gibt es hier in der Nähe denn niemand, der das Amt eines Friedensrichters verwaltet?«

      »Ja, wir haben hier einen solchen Herrn«, erwiderte der Sergeant mit Nachdruck. »Mr. Boyd Salter. Der wird Ihnen den Schein ausstellen.« Er fügte aber vorsichtig hinzu: »Wenn er zu sprechen ist.«

      Andy mußte lachen, machte sich aber doch auf, um sein Heil bei Mr. Boyd Salter zu versuchen.

      Er fand, daß der nächste Weg zu dessen Haus nicht über Beverley Green führte. Mr. Salters Ländereien grenzten an Beverley, man konnte am Ende der Stadt durch ein großes Parktor zu seinem Besitz kommen. Andy hatte es schon vorher bemerkt und war neugierig gewesen, wer da wohnen mochte.

      Beverley Hall, der Sitz Mr. Boyd Salters, war ein stattliches Gebäude, das im Stil des berühmten Iñido Jones erbaut war.

      Hier herrschten Schweigen und Ruhe. Das Ticken einer Standuhr war das einzige Geräusch, das Andy vernahm, als er in die geräumige, mit Steinfliesen ausgelegte Halle geführt wurde. Der Diener, der Andys Karte hineintrug, ging völlig geräuschlos, und Andy bemerkte zu seinem Erstaunen, daß der Mann Gummischuhe trug. Als dieser nach einiger Zeit zurückkehrte, bat er den Detektiv, näher zu treten.

      »Mr. Salter ist leidend. Wenn Sie in seiner Gegenwart recht leise und ruhig sprechen wollten, würde er Ihnen sicher sehr dankbar sein.«

      Andy erwartete nun, einen schwerkranken, zitternden, alten Herrn zu finden, der in einem Sessel saß und von vielen Kissen gestützt wurde. Aber er trat einem gesund aussehenden Mann von etwa fünfzig Jahren gegenüber, der lebhaft aufschaute, als sein Besucher den Raum betrat.

      »Guten Tag, Mr. Macleod. Was kann ich für Sie tun? Ich sehe, daß Sie Polizeibeamter sind«, sagte er und betrachtete die Karte noch einmal.

      Andy erklärte ihm die Ursache seines Besuches.

      »Es ist nicht nötig, daß Sie so leise sprechen«, meinte Mr. Salter lächelnd. »Tilling hat Sie wahrscheinlich darum gebeten? Manchmal bin ich allerdings sehr nervös, aber heute habe ich einen guten Tag.«

      Er las das Schriftstück durch, das Andy ihm vorlegte, und unterschrieb es.

      »Unser Freund ist der Diamantenräuber, nicht wahr? Wo hat er sich denn versteckt gehalten?«

      »In Ihrer Gartenstadt«, erwiderte Andy.

      Ein Schatten legte sich über Mr. Salters schöne Gesichtszüge.

      »Sprechen Sie von Beverley Green? Er war natürlich im Gästehaus?«

      Andy nickte.

      »Haben Sie einen der Villenbesitzer getroffen?«

      »Ja – Mr. Merrivan.«

      »Es sind merkwürdige Leute!« sagte Mr. Salter nach einem kurzen Schweigen. »Wilmot, sein Neffe, ist ein sonderbarer Mensch. Ich weiß nicht, was ich aus ihm machen soll. Mir ist schon öfters der Gedanke gekommen, daß er ein Gentlemanverbrecher ist. Wirklich, ein merkwürdiger Kerl! Und dann dieser Nelson – ein heruntergekommener Bursche! Trinkt wie der Teufel!«

      Andy erinnerte sich jetzt an die Geschichte, die er von dem Künstler gehört hatte.

      »Er hat ja wohl eine Tochter«, warf Andy hin.

      »Ja, ein hübsches Mädchen. Wilmot soll mit ihr verlobt sein. Mein Sohn erzählt mir alle diese Neuigkeiten, wenn er zu Hause ist. Der bringt alles heraus. Er müßte eigentlich Detektiv werden – er ist aber noch auf der Schule.«

      Er schaute auf den Haftbefehl, löschte die Unterschrift ab und reichte Andy das Schriftstück über den Tisch.

      »Mr. Merrivan scheint ein sehr liebenswürdiger Herr zu sein«, setzte Andy die Unterhaltung fort.

      »Ich weiß nichts Genaueres über ihn. Ich habe noch nicht mehr als ›Guten Tag‹ zu ihm gesagt. Er scheint harmlos zu sein, ein wenig langweilig, aber harmlos, und er redet zuviel – wie alle Leute in Beverley.«

      Um diese lokale Eigenart zu bestätigen, sprach er dauernd weiter und erzählte die Geschichte von Beverley und seinen Bewohnern. Plötzlich brachte er das Gespräch auf den Herrensitz.

      »Es ist ein schöner, ruhiger Platz, aber es ist auch sehr teuer, ihn zu unterhalten. Ich wäre nicht imstande gewesen, für alles aufzukommen, wenn –«

      Er sah schnell fort, als ob er fürchtete, der Besucher könnte seine Gedanken lesen. Erst nach einiger Zeit begann er wieder zu sprechen.

      »Haben Sie jemals mit dem Teufel zu tun gehabt, Mr. Macleod?« Er scherzte nicht, sein Blick war ernst und fest.

      »Ich bin schon einer ganzen Anzahl kleinerer Teufel begegnet«, erwiderte Andy lächelnd, »aber ich habe noch nicht das Vergnügen gehabt, ihr Oberhaupt in Person kennenzulernen.«

      Mr. Salter schaute Andy mit abwesendem Ausdruck an, obwohl eine sonderbare Bestimmtheit in seinem Blick lag. »In London lebt ein gewisser Albert Selim«, sagte er dann langsam, »dieser Kerl ist ein Teufel. Ich erzähle Ihnen das nicht, weil Sie Polizeibeamter sind. Ich weiß überhaupt nicht, warum ich davon spreche. Ich habe schon so manchen Verhaftungsbefehl unterzeichnet, aber niemals habe ich die Feder aufs Papier gesetzt, ohne an diesen größten aller Verbrecher zu denken. Er ist ein Mörder – ein Mörder!« Andy war bestürzt.

      »Er hat Menschen getötet, er hat ihre Herzen gebrochen und sie vorzeitig unter die Erde gebracht. Einen meiner Freunde hat er fast erdrosselt!« Bei diesen Worten preßte er seine Hände so krampfhaft zusammen, daß die Knöchel weiß wurden.

      »Albert Selim?« Andy wußte nichts anderes zu sagen.

      Mr. Salter nickte.

      »Wenn