Edgar Wallace

Edgar Wallace - Gesammelte Werke


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ihm die Leute weniger gutklingende Namen, wenn sie plötzlich Geldscheine besaßen, die in einer Geheimdruckerei dieses Hochstaplers hergestellt wurden. Da die Banknoten außerordentlich gut und täuschend nachgeahmt waren, machte er ein ausgezeichnetes Geschäft.

      Er selbst verteilte die gefälschten Scheine nicht, er betrieb das Geschäft nur im großen. Mehrere Druckereien arbeiteten für ihn, eine in Luxemburg, eine andere in den Hintergebäuden eines kleinen Hotels in Ostende.

      Mr. Briggs, einer der Agenten Zibriskis, war schon oft verurteilt worden, weil er glaubte, man könnte sich durch unehrliche Handlungen ein sorgenfreies Leben verschaffen. Seit einer Woche hatte er sich in dem Gasthaus des Dorfes Marks Thornton einquartiert und wartete darauf, daß Zibriski mit seinem schnittigen Wagen vorfahren und ihm vier Pakete Banknoten übergeben würde. Er zahlte dafür in barem Geld und verteilte dann die Scheine an andere Leute, wobei er mehr als hundert Prozent verdiente. Hätte er den Mut gehabt, das Papiergeld direkt unters Publikum zu bringen, so hätte sich sein Gewinn vervierfacht.

      Zur selben Zeit, als er nach Marks Thornton kam, erschienen in einem Nachbardorf zwei unauffällig aussehende Fremde, die sich weniger für Briggs als für Zibriski interessierten.

      »Ich bin ihm bis nach Marks Thornton gefolgt«, erklärte Detektivsergeant Totty. »Meiner Meinung nach wird dort aber nichts geschehen.«

      »Ihre Meinung«, entgegnete Chefinspektor Tanner, »ist so unwichtig und nebensächlich, daß ich sie kaum höre. Außerdem habe ich das schon selbst gesagt, Sie reden es mir nur nach.«

      »Warum verhaften wir Briggs nicht?«

      Totty war verhältnismäßig klein, hielt aber viel von sich und war auch mutig und tüchtig. Tanner, ein außergewöhnlich stattlicher und großer Mann, schaute seinen Assistenten mit einem Seufzer an.

      »Welche Anklage sollen wir denn gegen ihn erheben?« fragte er. »Nicht einmal nach dem Gesetz zur Verhütung von Verbrechen könnten wir ihn in Schutzhaft nehmen. Außerdem liegt mir an Briggs gar nichts – ich will Zibriski fassen. Sooft ich ihn in den Zeitungen abgebildet sehe, wie er in Nizza schönen Frauen Rosen verehrt, bekomme ich Leibschmerzen. Er ist fast allen Polizeidirektionen der Welt als einer der größten Falschgeldhändler bekannt, und trotzdem ist er nicht ein einziges Mal verurteilt worden. Heute abend wollen wir einmal auf Erkundigung ausgehen, Totty.«

      »Marks Thornton ist ein ganz nettes Dorf. Beinahe hätte ich ein Zimmer im Gasthaus dort genommen. Ein großes, altes Schloß liegt auch in der Nähe.«

      Tanner nickte.

      »Marks Priory – Lord Lebanon wohnt dort.«

      »Sieht sehr altmodisch aus.«

      »Das ist nicht weiter verwunderlich.«

      Ihre Erkundungen führen nicht zum Ziel. In keinem der Dörfer, die sie besuchten, fanden sie eine Spur von Zibriski. Auch am nächsten und übernächsten Tag kam der Mann nicht, und am Ende der Woche kehrte der Chefinspektor nach London zurück. Er erhielt Nachrichten über den Verbleib der einzelnen Verbrecher und erfuhr, daß Zibriski von der Anwesenheit der Beamten auf dem Land erfahren und deshalb seinen Plan geändert hätte. Aber das war nicht richtig.

      Gerade an dem Abend des Kostümballes traf Zibriski ein und erschien in dem Zimmer seines Agenten. In kürzester Zeit war der Handel abgeschlossen. Briggs verpackte die falschen Banknoten in seinem Koffer und ging dann noch aus.

      Von dem Tanzvergnügen hatte er erfahren, und er hörte auch die Musik. Er stieg den Hügel hinauf, setzte sich an einem Zaundurchgang nieder, stopfte seine Pfeife und dachte vergnügt an das gute Geschäft, das er mit den Banknoten machen würde. Zibriski-Noten waren ein begehrter Artikel.

      Plötzlich sah er einen Mann die Straße heraufkommen, der ein weites Gewand und einen Turban trug. Der Mond war inzwischen aufgegangen. Briggs stand auf und sah neugierig zu dem Fremden hinüber. Ein Inder! Was machte der denn hier? Aber dann erinnerte sich Briggs an den Maskenball.

      Der Fremde sagte guten Abend, als er vorbeikam, und schlug dann den schmalen Pfad ein, der quer durch das Feld nach dem Herrenhaus führte. Briggs setzte sich wieder.

      Nach einiger Zeit hörte der Agent einen furchtbaren Schrei, der sofort erstickt wurde. Entsetzt drehte er sich um und versuchte, das Halbdunkel mit den Blicken zu durchdringen, aber er konnte nichts sehen. Verstört zog er das Taschentuch und wischte sich die feuchte Stirn.

      Kurz darauf kam jemand eilig näher, und in dem schwachen Mondlicht erkannte Briggs einen Mann mit einem braunen Spitzbart.

      »Wer sind Sie?« fragte er heiser.

      »Es ist alles in Ordnung! Ich bin Dr. Amersham«, erwiderte der andere kurz.

      »Wer hat denn eben geschrien?«

      »Niemand – höchstens eine Eule.«

      Der Arzt wandte sich ab und verschwand im Dunkeln.

      Briggs war zwar erschrocken, hätte aber doch gern gewußt, was vorgefallen sein mochte. Neugierde trieb ihn vorwärts. Er ging den Feldpfad entlang und leuchtete mit einer Taschenlampe den Weg ab.

      Schon wollte er wieder umkehren, als er seitlich am Weg etwas glitzern sah. Er zögerte einen Augenblick, aber dann biß er die Zähne zusammen und ging weiter.

      Er fand den Mann, der kurz vorher in dem indischen Kostüm an ihm vorübergekommen war. Nun lag der Fremde still und bewegungslos hier, und um seinen Hals war ein rotseidenes Tuch geschlungen... Er war tot... erwürgt!

      Obwohl die Züge furchtbar verzerrt waren, erkannte Briggs den Chauffeur aus dem Schloß, mit dem er im Wirtshaus bekannt geworden war.

      Er fühlte den Puls und legte die Hand auf das Herz des Mannes. Dann erhob er sich und eilte zurück. Die letzte Strecke des Weges bis zum Gasthaus ging er langsam und zwang sich zur Ruhe. Das war eine Sache, die nichts mit ihm zu tun hatte. Mochte die Polizei zusehen, wie sie den. Fall aufklärte, er wollte nicht in die Geschichte verwickelt werden. Und er hatte auch allen Grund, vorsichtig zu sein.

      Am nächsten Morgen verließ er das Dorf in aller Frühe; eine Stunde später wurde Studd aufgefunden.

      Briggs fühlte sich ziemlich sicher, als er den Victoria-Bahnhof in London erreichte, und hoffte, in der Menge untertauchen zu können. Aber als er die Sperre passierte, traten vier Herren auf ihn zu. Er wußte sofort, was das zu bedeuten hatte.

      Sie nahmen ihn mit zur Polizeistation in der Bow Street und durchsuchten seinen Koffer. Kein Mensch kümmerte sich um die Behauptung, daß das Gepäckstück nicht ihm, sondern einem Unbekannten gehörte, einem gewissen Smith, für den er es nur mitgenommen hätte. Natürlich fand man die vier Päckchen gefälschter Banknoten.

      »Ich habe die Scheine vorher nie gesehen«, schwor Briggs.

      Später wurde er von Chefinspektor Tanner verhört.

      »Daß Sie im Besitz von Falschgeld sind, ist noch das wenigste«, meinte der Beamte. »Sie waren in der vergangenen Nacht im Dorf Marks Thornton, wo ein Mord verübt wurde. Was wissen Sie davon?«

      Briggs behauptete, daß er davon keine Ahnung habe. Er wäre erstaunt, daß in dieser friedlichen Gegend jemand ermordet werden könnte, erklärte er, und fragte dann, ob man eine Waffe gefunden hätte.

      »Das klingt fast, als ob Sie wüßten, daß der Mann erwürgt worden ist.«

      Der Chefinspektor hatte nicht den geringsten Zweifel, daß Briggs an dem Verbrechen unbeteiligt war. Aus den Akten ging hervor, daß sich der Mann nur mit Falschgeld befaßte. Da es sich hier um einen alten Sträfling handelte, konnte man seinen Charakter genau beurteilen.

      Tanner ahnte natürlich nicht, daß Briggs den ermordeten Chauffeur mit eigenen Augen gesehen hatte, und er trieb das Verhör auch nicht auf die Spitze. Aber unter dem Mordverdacht gestand Briggs alles ein, was das Falschgeld betraf, und sagte auch, was er von Zibriski wußte. Der Hochstapler konnte daher noch am selben Abend verhaftet werden, als er gerade den Dampfer nach Le Havre betreten wollte.

      Tanner