Wilfried B. Holzapfel

Moderne Alchemie und der Stein der Weisen


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haben!

      Marie: Soll sich dabei unser Weltall nicht auch noch ausdehnen?

      Der Alchemist: Ja, vor etwa 13 Milliarden Jahren soll das ganze Weltall viel kleiner als ein einzelnes Atom gewesen sein! Das kann sich kein normaler Mensch mehr vorstellen, aber für die Entstehung der heutigen Welt aus einem solchen Anfang gibt es doch viele Hinweise, die in der Kosmologie als Theorie über den Urknall zusammengefasst sind. Dieser Weg vom Urknall bis in unsere heutige Welt berührt auf vielfältige Weise die Welt der hohen Drücke, in die uns unsere Reise führen soll. Vorher möchte ich euch mit einem Blick auf die Zustände im Inneren unserer Erde ein Gefühl für hohe Drücke und hohe Temperaturen in der Natur vermitteln.

      Unsere Erde

      Der Alchemist: Im folgenden Bild 18 seht ihr grob dargestellt einen Keil als Ausschnitt aus der Erdkugel. Oben die braune Erdkruste mit den dunkelbraunen Landmassen und dem blauen Meer ist etwa 40 km dick und unterscheidet sich in vielen Eigenschaften deutlich von dem darunterliegenden Erdmantel. Die tiefste Tiefseerinne ist etwa 11 km tief, und da eine 10 m hohe Wassersäule gerade einen Druck von 1 bar am Boden erzeugt, steigt der Druck dort an der tiefsten Stelle schon über 1000 bar = 1 kbar.

Textfeld: Abbildung 18: Zustände auf unserer Erde

      Marie: Du sprichst hier von bar, aber im Wetterbericht für Segelflieger habe ich mal gehört, dass da der Luftdruck nicht in Millibar sonder in Hektopascal angegeben wird.

      Warum denn das?

      Der Alchemist: Um den früheren Wirrwarr der verschiedenen Maßeinheiten zu beenden, nicht nur beim Druck, haben sich die Wissenschaftler auf ein Internationales Einheitensystem geeinigt, bei dem die Maßeinheit für den Druck das Pascal ist, mit der Abkürzung Pa. Statt mbar für Millibar, kbar für 1000 bar und Mbar für 1000 kbar verwendet man dort entsprechende Größen in Pa. In der Technik und besonders in der Medizin findet man heute vielfach auch noch ältere Einheiten, wie zum Beispiel das Torr für Millimeter-Quecksilber-Säule beim Blutdruckmessen. Nach internationaler Konvention kann man das Bar auch heute noch verwenden, da 1 bar = 1000 mbar gerade unserem normalen Luftdruck entspricht. Den Reifendruck bei euren Fahrrädern, genauer den Überdruck, messt ihr ja auch noch in bar. Wenn aber wie beim Wetter 100 kPa = 1000 hPa = 100 000 Pa grob unserem Luftdruck entsprechen, dann ist die Einheit Pascal für unsere normale Umgebung offensichtlich sehr klein. Erst mit h für hekto, 100, k für kilo, 1000, M für Mega, 1000 000 = 106, und G für Giga, 109, wird diese Einheit Pascal handlich. Bei unserer Reise durch die Welt der hohen Drücke werden die Landkarten am Rand meistens mit Druck Gigapascal, GPa, beschriftet. Diese Einheit ist für diese Reise genauso gut wie die üblichen km bei euren Wanderungen oder Radtouren.

      Helen: Jetzt versteh ich auch, warum du im Bild oben neben den bar, kbar und Mbar auch immer noch Zahlen mit hPa, MPa und GPa hingeschrieben hast.

      Der Alchemist: Ja, und du siehst in diesem Bild der Erde, dass der Druck im Zentrum auf etwa 3,6 Mbar = 360 GPa ansteigt. Das ist auch der Bereich, den wir auf unserer Reise genauer erkunden wollen.

      Beim Übergang von der Erdkruste zum Erdmantel in 30 bis 40 km Tiefe beträgt der Druck etwa 10 kbar = 1 GPa. Bei diesem Druck ändern sich die Eigenschaften vieler Stoffe schon ganz erheblich, das ist besonders für die Geowissenschaftler wichtig! Ähnlich wie die Ärzte mit ihrer Tomografie die menschlichen Körper durchleuchten, können die Geologen mit ihren Erdbebenstationen auch Informationen über das Erdinnere gewinnen. Unter der Kruste folgt in diesem Bild erst mal der dicke Gesteinsmantel, dann ein flüssiger, äußerer und ein fester, innerer Kern. Aus vielen verschiedenen Beobachtungen schließt man darauf, dass der Kern überwiegend aus einer Eisen-Nickel-Legierung mit kleinen Beimischungen von Silizium, Sauerstoff und Schwefel besteht und innen wärmer ist als außen.

      Helen: Kennt man denn die Temperatur im Inneren der Erde überhaupt?

      Der Alchemist: Zunächst mal gab es da verschiedene Modelle, die andeuten, dass die Temperatur im Zentrum etwa 6000°C betragen sollte. Heute gibt es aber auch trickreiche Messungen, die uns bessere Abschätzungen ermöglichen.

      Marie: Wie soll das denn gehen?

      Der Alchemist: Nun, die Grenze zwischen dem äußeren, flüssigen und dem inneren, festen Kern der Erde muss ja genau an der Stelle liegen, wo der Druck die Schmelzkurve dieser Eisen-Nickel-Legierung kreuzt. In dem schematischen Phasendiagramm der Abbildung 14 war die Schmelzkurve schon so eingezeichnet, dass die Schmelztemperatur mit steigendem Druck zunimmt. Das entspricht auch dem normalem Verhalten der meisten Stoffe und auch dem, was man für den Erdkern erwartet. Aus den Modellen über die Zusammensetzung der Erde weiß man recht genau, dass der Druck in dieser Tiefe etwa 330 GPa beträgt. Die Schmelzkurve von reinem Eisen wurde im Labor bei Drücken bis 220 GPa gemessen, und daraus wurde abgeschätztRB2007, AD2013, dass bei 330 GPa in der Erde die Schmelztemperatur etwa 5960°C beträgt.

      Helen: Das klingt ja toll!

      Der Alchemist: Ja, aber für eine genaue Modellierung aller Vorgänge im Erdinneren möchte man auch noch gerne wissen, wie zuverlässig oder wie genau diese Temperatur mit diesen Messungen bestimmt ist. Bei der Abschätzung der Schmelztemperatur aus den Labordaten für reines Eisen rechnet man mit einer Unsicherheit von etwa 500°C. Der Anteil von Nickel sollte die Schmelztemperatur nicht groß ändern, aber Sauerstoff, Schwefel und vielleicht auch noch Magnesium in der Eisen-Nickel-Legierung des Erdkerns könnten die Schmelztemperatur doch noch um einige hundert Grad absenken. Ihr seht, wenn Wissenschaftler etwas messen, dann machen sie sich auch immer noch Gedanken über die Genauigkeit oder Unsicherheit ihrer Messergebnisse.

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