ist wirklich eine ziemlich schwierige Lage«, bemerkte ich.
»Verdammt schwierig!« rief er. »Und gerade deshalb denk ich so hoch von Euch – der Ihr kein Stuart seid, – daß Ihr Euren Kopf so tief in eine Stuartsache steckt. Weshalb, weiß ich nicht: es sei denn, Ihr tätet's aus Pflichtgefühl.«
»Ich hoffe, das ist der Grund«, sagte ich.
»Nun,« meinte er, »'s ist eine großartige Eigenschaft. Doch da kehrt mein Schreiber zurück, und wir wollen, mit Eurer Erlaubnis, alle drei einen Bissen essen gehen. Danach werde ich Euch die Adresse eines sehr ordentlichen Mannes geben, der Euch recht gern als Mieter aufnehmen wird. Und Eure Taschen werd ich Euch auch füllen, und zwar aus Eurem eigenen Beutel. Denn dies Geschäft hier wird lange nicht so kostspielig sein, als Ihr es Euch denkt – nicht einmal die Schiffsangelegenheit.«
Ich bedeutete ihm, daß der Schreiber in Hörweite wäre.
»Bah, Ihr braucht auf Robbie keine Rücksicht zu nehmen«, rief er. »Er ist auch ein Stuart, armer Teufel! und hat mehr französische Rekruten und rührige Papisten 'rübergeschmuggelt, als er Haare im Gesicht hat. Robin selbst ist derjenige, der diesen Teil meiner Geschäfte besorgt. Wen haben wir zur Zeit bei der Hand, Robbie, um jemanden überzusetzen?« »Nun, da wäre Andie Scougal auf der ›Thristle‹«, entgegnete Robin. »Hoseason sprach ich erst vor kurzem, aber er scheint noch immer kein Schiff zu haben. Dann ist da auch noch Tam Stobo; aber ich bin mir Tams nicht so ganz sicher. Ich hab gesehen, wie er sich mit einigen recht zweifelhaften Bekanntschaften anbiederte; und wenn sich's um jemand von Bedeutung handelt, würde ich den Tam übergehen.« »Der Kopf ist zweihundert Pfund wert, Robin«, sagte Stuart. »Potz Donner, 's ist doch nicht etwa Alan Breck?« rief der Schreiber. »Niemand anders«, versetzte sein Herr. »Liebe Zeit! Das ist 'n ernster Fall«, rief Robin. »Ich will's dann mal mit Andie versuchen; Andie ist schon der Richtige.« »Das scheint ja eine ganz schwierige Sache zu sein«, bemerkte ich. »Überhaupt nicht abzusehen, Mr. Balfour«, sagte Stuart. »Euer Schreiber nannte da vorhin einen Namen,« fuhr ich fort, »Hoseason, von der Brigg ›Covenant‹. Würdet Ihr dem vertrauen?« »Er hat nicht gut gegen Euch und Alan gehandelt,« meinte Mr. Stuart, »aber ich bin über den Mann im allgemeinen anderer Ansicht. Hätte er Alan auf einen Vertrag hin an Bord genommen, er hätte sich meiner Meinung nach als zuverlässiger Kontrahent gezeigt. Was meinst du, Robbie?« »Es gibt keinen Ehrlicheren im ganzen Schiffergewerbe«, erwiderte der Schreiber. »Ich würde auf Elis Wort schwören, und handelte es sich um den Chevalier[10] und um Appin selbst«, fügte er hinzu.
»Er war's doch auch, der den Doktor[11] 'rüberbrachte?« fragte sein Herr.
»Der nämliche«, war des Schreibers Antwort.
»Und ich glaube, er brachte ihn auch wieder zurück?« forschte Stuart.
»Jawohl, und zwar mit vollen Taschen«, rief Robin.
»Und Eli wußte davon.«
»Nun, es scheint, daß man sich in den Leuten nur schwer auskennt«, sagte ich.
»Das gerade hatte ich vergessen, als Ihr bei mir eintratet, Mr. Balfour«, schloß der Anwalt.
Drittes Kapitel Ich gehe nach Pilrig
Kaum war ich am nächsten Morgen in meinem neuen Logis aufgewacht, als ich auch schon munter und in meinen Kleidern war; und kaum hatte ich mein Frühstück heruntergeschluckt, als ich auf weitere Abenteuer auszog. Für Alan, konnte ich hoffen, war jetzt gesorgt; James versprach ein heiklerer Fall zu werden, und ich mußte annehmen, daß dieses Unterfangen mich teuer zu stehen kommen würde, zumal jeder, dem ich meine Auffassung auseinandergesetzt hatte, mich desgleichen versicherte. Es schien, als hätte ich den Gipfel des Berges nur erklommen, um gleich wieder in die Tiefe zu stürzen; als hätte ich mich durch so schwere Mühsale zu Reichtum und Ehren, zu meiner städtischen Kleidung und dem Schwert an meiner Seite emporgearbeitet, lediglich um zum Schluß Selbstmord zu begehen, und zwar die schlimmste Art von Selbstmord: auf des Königs Kosten gehängt zu werden. Weshalb tat ich es eigentlich? fragte ich mich selbst, als ich die High-Street hinunter und nordwärts über Leith Wynd zum Tore hinausschritt. An erster Stelle, sagte ich mir, um James Stuart zu retten; und wirklich spielte die Erinnerung an seine Verzweiflung, an die Wehklagen seiner Frau sowie an ein gelegentliches Wort von mir, das ich ihm gegenüber hatte allen lassen, dabei eine große Rolle. Gleichzeitig aber überlegte ich mir, daß es meines Vaters Sohn doch eigentlich höchst gleichgültig sein könnte (oder müßte), ob James in seinem Bett oder auf dem Schafott stürbe. Zwar war er Alans Vetter; aber was Alan selbst betraf, so konnte ich nichts Besseres tun, als mich mucksmäuschenstill zu verhalten und den König, Seine Liebden, den Herzog von Argyle, und die Krähen sich nach Herzenslust um die Knochen ihres Verwandten raufen lassen. Zudem konnte ich nicht vergessen, daß James, obwohl wir doch alle miteinander in der gleichen Klemme steckten, keine übertriebene Besorgnis um Alan und mich gezeigt hatte.
Dann kam mir der Gedanke, daß es um der Gerechtigkeit willen geschehe; das Wort gefiel mir ungemein, und ich setzte mir selbst des langen und breiten auseinander, daß uns vor allem daran gelegen sein müsse (da wir alle nun mal in die Politik verwickelt wären, einer dem anderen zum Schaden), der Gerechtigkeit zum Siege zu verhelfen, und daß der Tod eines Unschuldigen dem ganzen Gemeinwesen eine Wunde schlüge. Dann wieder gab der Versucher mir eine Probe seiner Überredungskunst zu kosten; er flüsterte mir zu, ich solle mich schämen, daß ich mich in diese hohe Angelegenheit mische, ich sei ja nur ein eitles, prahlerisches Kind, das sich vor Rankeillor und Stuart gebrüstet hätte und sich nun durch seine Eitelkeit gebunden hielte, für seine großen Worte einzustehen. Ja, und er ließ mich auch das andere Ende des Knüppels spüren: er klagte mich der feigen Berechnung an, und daß ich auf Kosten eines kleinen Risikos mir größere Sicherheit erkaufen wolle. Sicher war, ich konnte jeden Tag Mungo Campbell oder den Beamten des Sheriffs von neuem über den Weg laufen, und dann würde man mich erkennen und mich Hals über Kopf in die Appin-Mordaffäre hineinziehen, wenn ich mich nicht zuvor gestellt und vom Verdacht gereinigt hätte. Und zweifellos würde ich, falls es mir gelang, meine Sache gut zu führen, von da an bis an mein Lebensende freier atmen. Doch wenn ich diesen Gründen voll ins Gesicht schaute, vermochte ich an ihnen nichts Unehrenhaftes zu entdecken. Und was das übrige betraf, so überlegte ich mir: hier steh ich am Kreuzweg; beide Wege führen zum gleichen Ziel. Es ist ungerecht, daß James gehenkt wird, wenn ich ihn retten kann; und ich würde mich lächerlich machen, wenn ich nach all meinem Gerede nicht auch handelte. James von der Schlucht kann von Glück sagen, daß ich mich von Anfang an so gebrüstet habe; und für mich selbst ist es auch kein Unglück, denn nun bin ich gebunden, das Rechte zu tun. Ich habe jetzt den Namen und die Mittel eines Gentleman; es wäre recht erbärmlich, entdecken zu müssen, daß mir das Wesentlichste dazu fehlt. Und dann fiel mir wieder ein, das sei ja eine unchristliche Gesinnung, und ich sprach rasch für mich ein Gebet, in dem ich um den Mut flehte, an dem es mir vielleicht gebrach, und bat, daß ich schnurstracks auf meine Pflicht losmarschieren möchte, wie ein Soldat in die Schlacht, um womöglich auch unbeschadet an Leib und Leben davonzukommen wie so viele andere.
Diese Gedankengänge festigten meinen Entschluß, trotzdem sie meine Augen durchaus nicht gegen die mich umdrohenden Gefahren und gegen die Tatsache verschlossen, daß ich auf meinem Wege (wenn ich ihn wirklich fortsetzte) wahrscheinlich über die Leiter zum Galgen stolpern würde. Es war ein klarer, schöner Morgen, obwohl der Wind von Osten blies. Seine kühle Frische sang sich mir ins Blut und gab mir ein Gefühl wie von Herbst und welken Blättern und von Toten, die in ihren Gräbern ruhen. Wahrhaftig, der Teufel mußte schon seine Hand im Spiele haben, wenn ich tatsächlich in der Hochflut meines Glücks um anderer Leute willen sterben sollte. Auf dem Gipfel von Calton Hill liefen einige Kinder lärmend hin und her und ließen ihre Drachen steigen, obwohl es für dieses Vergnügen noch nicht die richtige Jahreszeit war. Die papierenen Vögel zeichneten sich klar gegen den Himmel ab; ich sah, wie ein besonders schwerer vom Wind in große Höhen getrieben wurde und dann zwischen den Ginsterbüschen schwerfällig zur Erde fiel; und bei diesem Anblick dachte ich zu mir selbst: »Das war Davie.«
Mein Weg führte mich über Mouters Hill und zwischen Wiesen und an Hügeln vorbei durch den Zipfel eines Dorfes. Hier tönte das Gerassel von Webstühlen von Haus zu Haus; Bienen summten in den Gärten;