Else Ury

Professors Zwillinge im Sternenhaus


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die stets mit Bescheidenheit gepaart ist, doch noch lieber«, sagte der Vater, ernsthaft mit dem Finger drohend.

      Diesmal war die Reihe an Herbert, rot zu werden.

      Am Nachmittag, nachdem Suse ihre Mappe gepackt hatte, sie wußte eigentlich nicht recht, was für Bücher und Hefte sie mitnehmen sollte, da sie den Stundenplan noch nicht kannte, saß sie in traulicher Gemeinschaft mit Piccola auf dem kleinen Rosensofa.

      »Du hast's gut, Piccola«, sagte sie mit einem schweren Seufzer und hielt inne, das weiße Fell des Kätzchens zu krauen. Die Mies richtete ihre grasgrünen Augen fragend auf ihre junge Herrin.

      »Na ja«, fuhr Suse fort, »du brauchst morgen nicht in die olle Schule zu gehen. Wenn dich auch Bubi mal zaust, das ist noch lange nicht das Schlimmste.«

      »Miau«, sagte das Kätzchen. Das konnte sowohl Zustimmung als Widerspruch bedeuten.

      Im Nebenzimmer pfiff Herbert kunstgerecht. Das war auch wieder etwas, was er vor Suse voraus hatte. Trotzdem sie Zwillinge waren, und trotzdem Suse die musikalischere von beiden war, vermochte sie es nicht, eine Melodie zu pfeifen.

      »Du, Herbert, weißt du, was ich wünschte?« fragte Suse über den gemeinsamen Balkon hinweg.

      »Nee«, kam es nach einer Weile von nebenan. »Daß du so schön pfeifen kannst wie ich?«

      »Daß morgen die Schule geschlossen wäre, wenn ich hinkomme.«

      »Dann mußt du eine Stunde früher hingehen«, riet Herbert.

      »Ach, ich meine doch überhaupt geschlossen – gleich für ein paar Wochen oder lieber noch Monate. Es könnte ja vielleicht Scharlach ausgebrochen sein. Wäre das fein!«

      »Aber Suse, ist das wirklich dein Ernst, was du da eben gesagt hast?« Das war Vaters Stimme. Aber wo kam sie nur her? Ach, vom Balkon auf der andern Seite. Vater holte sein Fernrohr herein. Der Wind war umgesprungen und kündete Regen an. »Denke nur mal nach, was du eben Unüberlegtes geäußert hast, Kind. Sollen wirklich viele Kinder krank sein und Schmerzen erdulden, viele Eltern in Sorge um ihre Kinder, nur damit du nicht in die Schule zu gehen brauchst? Das hast du dir nicht recht überlegt. Da kenne ich mein Suschen besser.«

      »Es brauchen ja auch bloß Masern zu sein«, gestand Suse beschämt zu. »Die sind nicht so doll.«

      »Oder aber die Schule müßte abbrennen – es muß ja nicht gerade jemand drin sein – mit sämtlichen Extemporalheften!« Herbert brachte nun erst den Frieden.

      »Ihr seid dumme Kinder«, sagte der Vater, »und wißt gar nicht, was ihr da so leichtfertig hersagt.«

      Am Abend, als Minna die Betten zurechtmachte, fragte Suse: »Minna, möchten Sie morgen in die Schule gehen?«

      »Nu freilich. Ich dät mich freuen, wenn ich noch mal Schulgind sein gönnte«, antwortete Minna zu Suses größtem Erstaunen. »Ich habe gern gelernt. Aber als ich vierzähn Jahr war, hieß es: Raus aus der Glasse und rein in die Gardoffeln. Da hab' ich beim Bauern auf dem Welde arbeiten müssen. Du hast's gut, Suse, daß deine Eltern dich soviel lernen lassen.«

      Was, gut hat sie's noch obendrein, wenn sie morgen in die fremde Schule zu all den unbekannten Kindern mußte? Wie gern hätte sie mit der Minna getauscht!

      Am andern Morgen zogen die Zwillinge bei grauem Regengeriesel zum erstenmal aus dem Sternenhaus in die Schule. Über Nacht war es Herbst geworden. Kalter Wind jagte die bunten Blätter vor den beiden her. Suse fröstelte vor Aufregung und Kälte. Sie war an den ewigen Sommer Süditaliens gewöhnt. Bubi und Piccola gaben ihnen einträchtig bis auf die Straße das Geleit. Aber als die beiden aus Sehweite waren, begann Bubi zu knurren und Piccola einen Buckel zu machen. Das war die Einleitung zu kriegerischen Feindseligkeiten.

      Die Schule war nicht abgebrannt. Es schien auch keine Krankheit ausgebrochen zu sein. Denn die Schülerinnen, große und kleine, gingen alle vergnüglich schwatzend in das große Tor hinein.

      Herbert, der die ängstliche Suse, trotzdem sein Weg schon früher abbog, netterweise bis ans Lyzeum begleitet hatte, gab ihr noch einen aufmunternden kleinen Rippenstoß: »Denk' ans elfte Gebot, Suse.«

      »Es gibt doch nur zehn«, wandte Suse ein.

      »I wo, das elfte Gebot heißt: ›Laß dich nicht verblüffen!‹«, und fort war ihr Zwilling. Denn nun war's auch für ihn höchste Zeit.

      Allein, ganz allein und haltlos trieb Suse wie ein kleiner Nachen in dem großen Strom der zur Schulpforte hineinflutenden Schülerinnen einher. Da hatte das große Tor auch sie verschluckt.

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