Der Hexer (Rialto-Film, 1964)
René Deltgen ist der Hexer; daran kann es nicht den geringsten Zweifel geben - zumindest nicht für meine Generation, die Alfred Vohrers Verfilmung des Edgar-Wallace-Klassikers Der Hexer (1964) erstmals irgendwann im Verlaufe der 1980er Jahre im sogenannten Pantoffelkino (eine etwas despektierliche Bezeichnung fürs - Sie ahnen es sicher, liebe Lesende – Fernsehen) mit großen, staunenden Augen anschaute. Selbstverständlich wusste auch der Chronist erst ganz am Ende des Films darüber Bescheid, wie der maskierte Hase lief, denn geschickterweise wurde (der 1909 in Esch an der Alzette/Luxemburg geborene) Schauspieler René Deltgen weder im Vorspann noch zwei Jahrzehnte zuvor auf dem Kino-Plakat genannt; optimalste Voraussetzungen also für ein Whodunit-Krimi-Vergnügen von klassischster Machart.
René Deltgen war damals - 1964 – bereits einer der ganz großen Stars und Charakter-Darsteller des (bundes-)deutschen Nachkriegskinos: Filme wie u.a. Nachtwache (1949), Weg ohne Umkehr (1953) und Der letzte Sommer (1954) hatten ihn bereits mit jener Art Unsterblichkeit versehen, der selbst Fritz Langs zwar unterhaltsamer, aber völlig misslungener Doppelstreich Der Tiger von Eschnapur/Das indische Grabmal (beide 1959) nichts anzuhaben vermochte. Darüber hinaus galt er mit einigem Fug und Recht als Legende des Kriminalhörspiels: So verkörperte er – wiederum: u.a. - in insgesamt elf (Radio-)Hörspielen den von Francis Durbridge (* 1912, + 1998) erschaffenen Schriftsteller und Detektiv Paul Temple. Somit war es vielleicht ein Wagnis, mindestens jedoch ein Clou, einen Schauspieler dieses Kalibers sozusagen geheim zu halten, als es darum ging, dem Kino-Publikum den Hexer sozusagen schmackhaft zu machen.
Das Erscheinen René Deltgens resp. die Demaskierung des Hexers (geschätzte acht bis zehn Minuten vor Film-Ende) gehört vermutlich auch eben aufgrund dieses wohlbedachten Kunstgriffs zu einem der Höhepunkte der deutschen Wallace-Verfilmungen und dürfte die Generation Miami Vice ebenso beeindruckt haben wie die Generation meiner Altvorderen, die das Glück hatte, den Hexer auf der großen Kino-Leinwand zu bestaunen. Bis zu jenem Augenblick, in dem die letzte Maske fiel, durfte – gewissermaßen – frisch von der Leber weg gerätselt und gegrübelt werden, wessen ponem sich der gerechtigkeitsverliebte Australier mit dem fatalen Hang zur Selbstjustiz aktuell 'ausgeborgt' hatte: Jenes von James W. Wesby? Jenes von Inspektor Warren? Oder war Reverend Cyril Hopkins im doppelten Sinne der Lump? Gewiss war nur eines: Inspektor Higgings - wie immer souverän dargestellt und mit Leben erfüllt von Joachim Fuchsberger - war wie stets unverdächtig; gleiches ließ sich Stein und Bein von Sir John sagen.
Blicke ich – mit Wehmut in den Augen – zurück, so kam mir James W. Wesby sehr, wirklich sehr verdächtig vor; und das, obwohl dieser von Heinz Drache verkörpert wurde, der nicht nur meinem Onkel Günther erschütternd ähnlich sah, sondern überdies vollkommene Integrität verkörperte und damit streng genommen über jeden Zweifel erhaben war.
Überflüssig zu erwähnen, wie nachdrücklich ich mich hinsichtlich des Rätsels Lösung, wer denn nun der Hexer sein mochte, auf dem sprichwörtlichen Holzweg befand. Ohnehin hatte sich der Hexer im Verlaufe des Films mal dieses Gesichts und mal jenes Gesichts bedient. Mit Ausnahme freilich des Gesichts von Inspektor Higgins, denn so viel Chuzpe hätte nicht einmal ein Henry Arthur Milton.
René Deltgen verstarb im Januar 1979 im Alter von 70 Jahren. Ungezählte Filme und Hörspiele hat er durch seine Präsenz, seine Stimme und sein markantes Äußeres geprägt und veredelt. Doch jener Augenblick, als die Identität des Hexers enthüllt wurde, machte ihn schließlich unsterblich.
René Deltgen ist der Hexer.
Christian Dörge
- München, im November 2016
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