entfernt wohnen. Es ist nicht gerade der Hauptgewinn, wenn die Schwiegereltern fast nebenan wohnen. Mindestens zwei Mal die Woche stand Jacks Mutter vor unserer Tür, als ob es keine Telefone oder WhatsApp gäbe. Sie hatte ihr Smartphone noch nicht lange aber sie wusste bereits wie man damit Nachrichten versendete. Seit sie in ihrer Biobäckerei genug Personal hatte um sich nur noch um die Buchhaltung und Bestellung kümmern zu müssen hatte die fürsorgliche Mutter viel zu viel Zeit, mit der sie nichts anzufangen wusste. „Hast du heute die Zeitung gelesen?“ sagte sie einmal, als sie uns störte wie wir gemeinsam ein Bad nehmen wollten. Nur um uns zu zeigen, dass wieder ein Artikel über ``Gesund in der Schwangerschaft`` zu lesen war. Dabei war ich noch nicht einmal Schwanger und ein Zeitungsabo besaßen wir auch. Am Anfang haben wir es drauf ankommen lassen aber seit drei Jahren versuchen wir alles was man so selber machen kann. Angefangen von Temperaturmessung bis hin zu Tabletten aus dem Drogeriemarkt die aus Folsäure und anderen Mineralien bestanden. Mein Gynäkologe meinte, dass es schon bis zu einem Jahr dauern könnte bis ich schwanger werden würde. „Das sei ganz normal bei einer gesunden Frau“ sagte er immer zu mir. Wenigstens war ich gesund. Meine Hormone passten auch und auf dem Ultraschall war nicht gravierendes zu sehen. Aber mittlerweile waren drei Jahre rum, in denen wir alle Stellungen zur besseren Fruchtbarkeit ausprobiert hatten. Unser Sexleben lief nur noch nach Terminen ab. Der Kinderwunsch zehrte an unseren Nerven, deshalb besuchten wir auch gemeinsam eine Therapeutin die sich auf unerfüllten Kinderwunsch spezialisiert hat. Nach langen hin und her schaffte ich auch endlich meinen Mann zu überreden einen Fruchtbarkeitstest machen zu lassen. „Ich mache jeden Tag Sport, ernähre mich ausgewogen, gesund und trinke höchstens ein Bier die Woche“ versuchte er sich immer auszureden. „ Ihr Männer und eure Eitelkeit“ sagte ich einmal zu ihm und lief Tränen überströmt ins Bad. Da knickte er endlich ein und machte einen Termin.
Kapitel 2
Jack
Dienstag, den 12.04.16Ich stand schon in der früh mit einem komischen Gefühl auf. Ich trank meinen Kaffee wie jeden Morgen und lief eine Runde durch den Park. Zu Mittag aß ich gemeinsam mit Lisa Chicken Wings mit Gemüse und Kartoffelecken und verabschiedete mich danach von ihr. Nun war es so weit. Nach circa 4 Wochen Warterei war das Ergebnis endlich da. Voller Nervosität saß ich in dem kahlen Wartezimmer. Nur ein Paar Zeitschriften lagen auf dem Tisch vor mir. „MR. Roberts bitte“ sagte die Sprechstundenhilfe zu mir. Ich sprang auf und folgte der jungen Dame, die mich beim letzten Mal in das Zimmer führte, in dem ich meine Probe abgab. Ich betrat das Sprechzimmer. „Mr. Roberts, setzten sie sich bitte“ sagte Dr. Manson zu mir. „Spannen sie mich bitte nicht auf die Folter“ erwiderte ich nervös. „Es tut mir leid Mr. Roberts. Sie sind zu 100% Zeugungsunfähig.“ Entsetzt saß ich da und bekam kein Wort heraus. „Es tut mir leid.“ wiederholte der Urologe nochmals. „Danke“, brachte ich nur über meine Lippen. Ich stand auf und ging. Ich war am Boden zerstört. Die Bar um die Ecke war, in diesem Moment, der einzig richtige Zufluchtsort für mich. Nach Hause wollte ich nicht. Alleine wäre ich gewesen, da meine Frau mit einer Freundin beim Shoppen war und danach in die Nachtschicht ging. In einem Gefängnis, wo sie meiner Meinung nach nicht hingehörte, arbeite sie abwechselnd in Schichten. Sie hätte es mehr als verdient Hausfrau und Mutter zu sein. Bei unserer Hochzeit hätten wir uns das noch nicht leisten können aber seit dem ich genug verdiene würde es finanziell kein Problem darstellen. Sie wäre eine tolle Mutter, dachte ich mir, als ich mir das zweite Glas Whisky bestellte. Und meine Eltern. Nein dort konnte ich wirklich nicht hin. Dafür schämte ich mich zu sehr. Ihnen sagen zu müssen, dass ich meiner Mutter und meinem Vater keine Enkelkinder schenken könnte, hätte ich in diesem Moment nicht über mein Herz gebracht. Mit Hass gegen mich selbst schüttete ich mir den Whisky meine wunde Kehle hinunter. Nach dem 4. Glas fühlte ich mich ein bisschen besser. Alles drehte sich ein bisschen. Das kommt davon wenn man nichts verträgt. Ich war noch nie ein Alkoholfreund aber in dieser Situation wusste ich einfach nicht weiter. Ich wollte nur noch vergessen. “Ich sollte heimgehen, schlafen, Frühstück für Lisa machen und ein guter Ehemann sein“, sagte ich leise zu mir selbst in der nach Zigarettenrauch und Alkohol stinkenden Kneipe. Doch ich müsste ihr diese Nachricht überbringen, die sie am Boden zerschmettern würde. Sie würde tagelang weinen, mir vielleicht Vorwürfe machen, sich und mich trösten und dann wieder weinen. „Noch mal dasselbe“ sagte ich zu dem alten Mann hinter der Theke, der mir gleich ein weiteres Glas Whisky füllte. „Hi Jack“, sagte die junge hübsche Blondine, mit großen blauen Augen. „Hi Lucy“, erwiderte ich. „Ganz alleine hier?“ „Nein. Doch mein Kumpel ist gerade gegangen“, lügte ich stammelnd von dem vielen Alkohol. „Darf ich dir Gesellschaft leisten?“ „Ja setz dich, zu so einer hübschen Frau kann man nicht nein sagen“, sagte ich zu meiner eigenen Verwunderung. „Danke“, sagte sie mit hochrotem Kopf. Ihr gefiel mein Kompliment. Es fiel mir jedes Mal auf, wie Lucy mich immer anhimmelte wenn wir gemeinsam trainierten. Welchem Mann hätte das nicht gefallen? Doch weiter würde ich nie gehen, hatte ich mir immer geschworen. Bis zu diesem Abend. Tennis ist übrigens neben Joggen, Krafttraining und meiner Frau das wichtigste in meinem Leben. Natürlich stand meine Liebste an erster Stelle. Dennoch ging ich drei Mal die Woche zum Training um mich fit zu halten.
Mittwoch, den 13.04.16Wir saßen bis 3 Uhr morgens in der verrauchten Bar. Lachten, redeten, flirteten. Ich war zu betrunken um einen klaren Gedanken fassen zu können. Ich begleitete sie noch nach Hause. Man sollte eine Frau mitten in der Nacht nicht alleine in New Yorks Straßen nach Hause gehen lassen, redete ich mir immer wieder selbst ein. Irgendwie landete ich dann in ihrer Wohnung. Wir unterhielten uns weiter über ihre Tenniskarriere die sie anvisierte, über ihre Trennung vor einem 1 Jahr von ihrem Verlobten, der ihrer Meinung sehr viel mit mir gemeinsam hatte und auch über meinen Termin am letzten Tag. Ich hätte nie mit ihr darüber geredet, wenn ich nicht so betrunken gewesen wäre. Selbst von unseren Therapiebesuchen und unseren Tagebüchern habe ich ihr erzählt. Plötzlich trafen sich unsere Lippen. „Nein“, rief ich voller Erstaunen darüber was gerade passiert war. „Das geht nicht. Ich liebe Lisa. Tut mir leid ich gehe jetzt besser“, sagte ich, als ich taumelnd Richtung Tür ging. „Was würde Lisa sagen, wenn du jetzt sturzbetrunken nach Hause kämst? Schlaf dich erstmal aus“, sagte sie zu mir. „Sie ist gar nicht da. Sie kommt erst in 4 Stunden heim“, antwortete ich. „Dann leg dich wenigstens für 3 Stunden aufs Ohr. Du kannst ja kaum gerade laufen“, sagte sie, als sie auf die Couch zeigte und eine pinke Wolldecke hob. „Na gut“, sagte ich zu ihr und legte mich auf die weiße Ledercouch. Ich stellte meinen Wecker auf 8 Uhr und schlief sofort ein. „Was zur Hölle? Wo zur Hölle bin ich?“, fragte ich mich als ich wieder aufwachte. Ich sah die pinke Decke mit der ich bedeckt war. Meine Hose trug ich noch. „Zum Glück“, sagte ich vor Erleichterung. Ich erinnerte mich wieder. Ich war in der Bar. Erst alleine. Dann mit Lucy. Der Kuss. Ich schüttelte den Kopf und empfand Hass. Hass gegen mich selbst. Ich hatte meine Frau betrogen. Klar es war nur ein Kuss. Aber für mich war das eigentlich schon zu viel. Ich war kein Fremdgänger. Das wollte ich zumindest niemals sein. Jetzt war es zu spät. Ich nahm mein Handy vom Couchtisch und sah auf die Uhr. Es war bereits 14.12 Uhr. Meinen Wecker musste ich nicht gehört haben. Schnell packte ich mein Shirt, das auf dem Boden lag, machte mich auf den Weg raus aus dieser Wohnung, nach Hause zu meiner Frau. Im Aufzug kam alles über mich. Der Kuss, ich hasste mich so sehr dafür. Noch mehr als für die Nachricht die ich einen Tag zuvor erhielt. Nutzlos, Ja so würde ich es definieren, wenn ein Mann nur mit Knallpatronen schießt. Ich musste schnell heim zu meiner Frau, die daheim warten würde. Auf und ab laufend sauer oder voller Sorgen. Schnell rief ich ein Taxi. Dann kam es mir. Wenn sie es bemerkt hätte, dass ich nicht da wäre, dann hätte sie mir doch eine Nachricht geschrieben oder versucht mich anzurufen. Als ich daheim in die Wohnung kam, roch es nach Kaffee und Bagels belegt mit Salat, Schinken und Ei, die sie aus der Bäckerei meiner Mutter mitbrachte, die auf ihrem nachhause Weg lag. Und da lag sie, Lisa schlafend auf der Couch mit einer braunen Wolldecke bedeckt. Mein Baby, wie ich sie immer nannte. Mit verwuschelten Haaren. So sexy wie immer. Hat sie gemerkt, dass ich weg bin? Nein dann hätte sie mich wahrscheinlich abgefangen und wäre sauer, so wie damals als ich mit Michael unterwegs war und ich mich nicht meldete. Natürlich hätte ich mich melden können aber dieser Streit war heftig. Sehr heftig. Sie hatte mir vorgeworfen, dass ich vielleicht schuld daran bin, dass sie nicht schwanger wird. Verdammt. Sie hatte so Recht. So wie sie immer recht