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Ursula Tintelnot
Omageschichten
Copyright © Ursula Tintelnot
Umschlagsfoto: © Ursula Tintelnot
Covergestaltung: © Medusa Mabuse
ISBN 978-3-7375-0134-7
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
Über die Autorin:
Ursula Kötz Tintelnot ist in Mannheim geboren. Nach dem Studium der Fotografie in Berlin hat sie in Mannheim, Bremen und Hamburg Schrift und Graphik studiert. Sie lebt und arbeitet in Hamburg als selbstständige Buchhändlerin. Seit einigen Jahren schreibt sie.
„Begonnen habe ich mit einem Bilderbuch. Danach folgten Gedichte. Jetzt arbeite ich an der Fortsetzung eines Fantasyromanes, der vor einem Jahr herausgekommen ist.“ Titel des ersten Bandes: „Faith Tochter der Lichten Welt“. Band zwei: „Faith und Richard Sohn der Schattenwelt“.
Inhalt der Omageschichten.
Es sind keine erfundenen Geschichten. „Alles das habe ich genauso erlebt.“
Oma hat einen sehr genauen, manchmal auch ironischen Blick auf ihre Enkel. Sie liebt ihre Ruhe, die Kröten im Garten und ja, auch die Enkel. Essgewohnheiten, Internet und gesprungene Kloschüsseln in der Silvesternacht sind nur einige der Themen, die Oma mit scharfem, aber auch liebevollem Strich zeichnet. Geschichten komisch und rührend zugleich.
Inhalt
Silvesternacht
Oma kickte die Holzpantinen von den Füßen und bewegte die Zehen in den dicken Socken. Eine war grün, die andere von undefiniertem Blaugrau mit einem Stich ins Violette. Nicht die Zehen, sondern die Socken.
Sie schnupperte genussvoll an dem Kaffeebecher, den sie mit beiden Händen umfasste, um sie zu wärmen. Oma stand auf den Stufen, die in den Garten führten. Es waren fast frühlingshafte Temperaturen, obwohl es der 31. Dezember war.
Die riesige Kröte, die in einiger Entfernung saß, starrte sie aus hervorstehenden Augen an. Oma starrte zurück und dachte: Wir sind beide nicht mehr wirklich schön, aber ausdrucksvoll.
Jeden Morgen standen die beiden sich gegenüber, bis entweder die Kälte Oma ins Haus trieb oder eine zweite Kröte auftauchte. Da Kröte Nummer eins Kröte Nummer zwei nicht ausstehen konnte, verzog sich Kröte Nummer eins in ihr Loch und tauchte bis zum nächsten Morgen nicht mehr auf. Heute war es das Telefon, das sie ins Haus holte. Nicht die Kröte, sondern Oma.
»Mutter?«
Oma war kurz davor, wieder aufzulegen. Wenn ihr Sohn August-Silvester anrief, gab es immer einen Notfall in seiner Familie und sie musste aushelfen.
Sie hatte ihm den Namen Silvester gegeben, weil er nach ihren Berechnungen in einer Silvesternacht gezeugt worden war. August hieß er, weil er viel zu früh im August geboren war. Damals fand sie es witzig, ihm diesen Namen zu geben. Als sie feststellte, dass ihr Sohn alles, nur keinen Witz besaß, war es zu spät. Silvester besaß weniger Charme und Humor als Kröte Nummer zwei. Allerdings war er wesentlich hübscher.
»Mutter, hast du heute Abend schon etwas vor?«
Ah, dachte Oma, eine Einladung, die Neujahrsnacht mit der Familie zu verbringen, wie rührend. Lust hatte sie nicht, lieber würde sie den Abend in Ruhe zu Hause verbringen. »Nein, wie nett, dass du an mich gedacht hast.«
»Äh, also es ist Folgendes. Wir sind eingeladen, aber unser Babysitter fällt aus und da dachten wir ... dachte ich, ob du nicht Lust hättest, mit deinen Enkeln ein paar Wunderkerzen und ... wir würden euch Berliner und … es läuft bestimmt im Fernsehen ein lustiges ...« Die Pausen wurden immer länger und die Sätze ihres Sohnes immer konfuser.
»Ich habs verstanden«, sagte Oma. »Wann soll ich kommen?«
Das Chaos, das August-Silvester vorfand, als er gegen drei Uhr in der Nacht mit seiner Frau nach Hause kam, war beträchtlich. Oma lag schlafend mit dem Jüngsten seiner Kinder auf dem Sofa. Die Zwillinge saßen putzmunter vor dem Fernseher. Der Älteste lag tatsächlich, allerdings vollkommen angezogen, im Bett.
In allen Blumentöpfen staken verkohlte Wunderkerzen. Pappteller, Cola - Dosen und Chips bildeten ein wildes Durcheinander auf dem hellen Teppich. Angefressene Berliner klebten auf dem Glastisch.
Nie wieder, so schwor sich August-Silvester beim Anblick der gesprungenen Kloschüssel, in der noch die Reste eines Kanonenschlags zu besichtigen waren, würde er seine Mutter in der Neujahrsnacht mit den Kindern alleine lassen.
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