Jürgen Ruszkowski

Seemannsschicksale aus Emden und Ostfriesland – erlebte Geschichten rund um die Seefahrt


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von Emden aus seine allerletzte Reise zur Abwrackwerft antrat, hatte der 6.400 Tonnen tragende Veteran der Meere mit 52 Jahren ein für heutige Verhältnisse geradezu biblisches Alter erreicht.

      Den im wahrsten Sinne des Wortes bewegten Lebenslauf des Schiffes zu rekonstruieren, erwies sich anfangs als problematisch. Indes, der frühere Fritzen-Kapitän und jetzige Heilpraktiker Georg Ammermann aus Stickelkamp erinnerte sich, dass der 1906 in England gebaute so genannte Torrydecker bis 1936 unter dem Namen „WERNER KUNSTMANN" für die seinerzeit in Stettin ansässige Reederei Kunstmann in Fahrt war. Bevor der gleichnamige Reeder jüdischer Abstammung nach England emigrierte, veräußerte er vier Dampfer, sechs Schlepper sowie einen Teil seiner Stettiner Werft an die Emder Reederei Johs. Fritzen & Sohn.

       Im Hamburger Hafen versenkt

      Während des zweiten Weltkrieges fuhr die HERMANN FRITZEN im Auftrag der Kriegsmarine, bis das Schiff 1944 nach einem Bombenangriff im Hamburger Hafen versenkt wurde. Vier Jahre danach wieder gehoben, schleppte man den Dampfer nach Emden, wo er von den Rheinstahl Nordseewerken wie­der in seetüchtigen Zustand versetzt wurde.

      Als der wegen seiner ungewöhnlichen Bauform nicht gerade mit Schönheitspreisen bedachte alte „Bauchdampfer" im Oktober 1949 wieder in Fahrt ging, war der mit 6.400 Tonnen Tragfähigkeit zu Buche stehende Frachter das größte Schiff, über das die zur damaligen Zeit gerade im Aufbau befindliche deutsche Nachkriegs-Handelsflotte verfügte.

      Die HERMANN FRITZEN wurde an der Küste spöttisch „schwimmendes Bügeleisen“ oder „Bauchdampfer“ genannt. Um die fünf Luken des Frachters lade- oder löschklar zu machen, mussten nicht weniger als 400 hölzerne Lukendeckel per Hand bewegt werden.

      Bei der Wiederindienststellung der HERMANN FRITZEN zählten u. a. der 1. Offizier Georg Ammermann sowie der langjährige Bootsmann Hero Buss aus Warsingsfehn zu den Männern der ersten Stunde. Beide Seeleute waren auch mit von der Partie, als der damals bereits 43 Jahre alte Kohlensteamer unter dem Kommando des späteren Reederei-Inspektors, Kapitän Heinrich Looft, von Rotterdam aus seine erste und zugleich letzte Rundreise über den Nordatlantik antrat, auf der der mit Dampf angetriebene Frachter nicht weniger als 1.300 Tonnen Bunkerkohle „verpulverte“. „Schon auf der Ausreise hatten wir damals extrem schlechtes Wetter“, erinnert sich Seemannsrentner Buss an die stürmisch verlaufene Überfahrt über den großen Teich, die für heutige Verhältnisse unglaubliche 31 Tage in Anspruch nahm und in deren Verlauf der alte Dampfer zeitweise sogar „Fahrt über den Achtersteven" machte, will heißen, den Rückwärtsgang einlegte. Dessen ungeachtet erreichte man den Bestimmungshafen. Dass das Schiff den harten Kampf mit den Naturgewalten nicht ohne Blessuren überstanden hatte, sollte sich indes erst auf der Heimreise zeigen.

      Nach dem Entladen der aus 70.000 Sack Kali bestehenden Ladung im US-amerikanischen Tampa (Florida) setzte die HERMANN FRITZEN ihre Reise mit Kurs auf die Karibikinsel Kuba fort. Auf der Hafenreede von Manzanillo und einem weiteren kubanischen Hafen übernahm das Schiff 6.200 Tonnen braunen Zucker, der in 100- bzw. 150-Kilo-Säcken abgepackt war. Gearbeitet wurde in Tag- und Nachtschichten, so dass der Dampfer nach zwei Wochen klar zum Auslaufen war - mit Kurs auf den Heimathafen Emden.

       Tag und Nacht um die Ladung gekämpft

      Als die HERMANN FRITZEN nach 47tägigem Seetörn schließlich ihren Bestimmungshafen Emden erreichte, endete eine für Schiff und Besatzung gleichermaßen äußerst strapaziöse Atlantik-Rundreise, in deren Verlauf sich der berüchtigte Nordatlantik einmal mehr von seiner schlechtesten Seite gezeigt hatte. Auf der stürmischen Rückreise war es diesmal die Crew des Schiffes, die in Tag- und Nachtschichten um die Sicherung der wertvollen Zuckerladung kämpfen musste, denn aufgrund von Seeschäden an Deck gelangte bei Schlechtwetter gleich an mehreren Stellen Meereswasser in die Laderäume.

      Knochenarbeit: Um die fünf Luken des Frachters lade- oder löschklar zu machen, mussten nicht weniger als 400 hölzerne Lukendeckel per Hand bewegt werden. Auf dem Foto von links: Matrose Karl-Heinz Berens (Emden), Zimmermann Wilhelm Maintz (Loga), Bootsmann Hero Buss und Matrose Kuno Schöl (Leer).

      Dass die aus Feuchtigkeit resultierenden Ladungsschäden schließlich auf ein Minimum reduziert werden konnten, war dem unermüdlichen Einsatz der Mannschaft zu verdanken, die mit allen zur Verfügung stehenden Pützen (Eimern) und anderen Gefäßen das eindringende Salzwasser auffing und anschließend wieder über Bord entsorgte.

      Der alte Kohlensteamer absolvierte zwischen 1951 und 1958 insgesamt 99 Reisen mit Kohle oder Koks von Emden nach Stockholm.

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